Worüber Trump sich nicht wundert

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Wer den Drahtbericht des deutschen Botschafters in Washington durchgestochen hat, lässt sich von außen schwer beurteilen. Die Meldungen darüber kamen aus Berlin. Das spricht zumindest dafür, dass die Quelle im deutschen Regierungsviertel sitzt, vielleicht im Auswärtigen Amt selbst.

Dass der Text nicht nur bei einem Medium landete, lässt sich wiederum so deuten, dass der Informant unbedingt wollte, dass die Sache breitgetreten wird. Es war vermutlich ein Versuch, kurz vor der Amtseinführung Trumps ein Signal des Alarms und der Ablehnung zu senden.

Es wird allerdings nicht nur im wahlkämpfenden Deutschland, sondern auch in Washington empfangen werden. Das ist das eigentliche politische Problem hinter diesem Vorfall. Das Bild, das der deutsche Botschafter von Amerika unter Trump zeichnet, ist das eines Landes, in dem die Demokratie kurz vor dem Untergang steht.

Angewiesen auf den Schutzschirm

Baerbock distanzierte sich nicht etwa davon, sondern sie sagte, dass Trump sich über nichts wundern werde, was in dem Papier steht. Mal davon abgesehen, dass der Botschafter offenbar die „checks and balances“ in der amerikanischen Verfassung unterschätzt, dürfte Trump sich tatsächlich nicht wundern. Widerspruch und Belehrungen aus Deutschland ist er gewohnt.

Dabei ist Amerika immer noch unser engster Verbündeter; angesichts der Bedrohung aus Russland ist Deutschland mehr auf den US-Schutzschirm angewiesen als je zuvor. In einer solchen Lage sollte man den neuen Präsidenten zumindest mal neutral begrüßen. Differenzen wird es noch genug geben.

Deutschland hat sich in der ersten Amtszeit Trumps als eine Art Gegenpol und als die wahre westliche Führungsmacht definiert, und das fast parteiübergreifend. Das entsprach schon damals nicht den Möglichkeiten des Landes, heute aber wäre es eine ernste Verkennung der veränderten Weltlage. Zu den vielen Hausaufgaben der nächsten Bundesregierung gehört auch eine Neujustierung der Außenpolitik.