Jetzt zählen Naturfreunde wieder begeistert Wintervögel, hängen Meisenknödel in die Bäume und hoffen auf ein frühes Meisenläuten im Januar. Die Aussicht auf dieses hübsche „Zipe-Zipe“ der Kohlmeise hilft über den trostlosen Anblick des Gartens im Hochwinter hinweg. Die Vorfreude auf den Vorfrühling könnte groß sein – wäre da nicht dieser unverschämte Eindringling aus dem Untergrund. Landauf, landab verwandelt er gepflegte Rasenflächen in Kraterlandschaften. Die Rede ist vom Maulwurf: Im Winter türmen fleißige Exemplare besonders hohe Hügel auf, schon ein einziger Maulwurf kann über Nacht gleich mehrere braune Erdhaufen erschaffen – und damit viele deutsche Gärtner in den Wahnsinn treiben.
Von einer Maulwurfplage ist mancherorts schon die Rede, im fränkischen Roth gar von einer Maulwurfsinvasion. 172 Hügel hat dort eine Anwohnerin Anfang Januar allein in ihrem Garten gezählt. Das ganze Grün sei in ein Schlachtfeld verwandelt worden, klagte sie in der Lokalpresse. Ob die Maulwürfe die Menschen hier im Fränkischen bereits auslachten, fragen sich viele. Der kleine Störenfried soll jedenfalls endlich weg. Nur wie? Knoblauchwasser und Ultraschallgeräte hätten bislang nichts bewirkt.
Vögel füttern, aber Maulwürfe ausrotten? Der Winter ist die ideale Zeit, um die Präferenzen deutscher Gärtner im heimischen Planquadrat zu studieren – und etwas über den blanken Zynismus selbst ernannter Naturfreunde zu lernen. Die Beziehung des Menschen zum Maulwurf ist jedenfalls äußert ambivalent. Das kleine Säugetier hat wegen seines wühlerischen Talents einen schweren Stand bei zierrasenaffinen Zeitgenossen, kein Gartenratgeber kommt ohne Abwehrtipps gegen den unliebsamen Erdbewohner aus. Grundsätzlich gilt der eurasische Maulwurf erfreulicherweise aber als Sympathieträger. Kinder lieben ihn, wahre Naturfreunde schätzen ihn, ökologisch orientierte Gärtner lassen ihn graben. Jeder Hügel ist ihnen ein Halleluja.
Die Harten bleiben im Garten
Die Zuneigung genießt er zu Recht: Der eurasische Maulwurf ist ein nützliches Tier, deshalb steht er seit 1988 unter Naturschutz. Talpa europaea lockert den Boden und bringt krümelige Erde bester Qualität an die Oberfläche, zudem dezimiert er Schädlinge wie Schnecken oder Larven, die sich sonst im Sommer über das Gemüse im Beet hermachen. Und er frisst lästige Biester wie Stechmückenlarven, die dem fleißigen Gärtner die Arbeit zur Hölle machen.
Seine Mahlzeiten nimmt der Maulwurf in den weitverzweigten Gängen zu sich. Der äußerst territoriale Einzelgänger, der in seinem Revier keine Eindringlinge duldet, lebt den Großteil seines Lebens im Boden, ist permanent auf der Jagd und muss dauernd fressen, um zu überleben. Für die kalte Jahreszeit legt er deshalb Vorräte in speziellen Kammern an. Im Winter verlegt er seine Gänge weiter nach unten, um dem Frost zu entkommen. Dabei schiebt er mehr Material als üblich nach oben. Das ist der Grund, warum mehr Haufen an der Oberfläche erscheinen und die Hügel im Winter höher als sonst aufragen. Je höher die Hügel, desto härter der Winter, heißt es in einer Bauernregel.
Ob der Maulwurf als Winterorakel taugt, ist aber eine andere Frage. Tiere wissen nicht, ob eine Jahreszeit kalt oder warm wird, sie reagieren auf kurzfristige Wetterschwankungen und passen sich daran an. Dafür wissen sie, wie man auf den Menschen reagiert: maximal unbeeindruckt. Robuste Exemplare lassen sich auch von Vibrationen und Lärm nicht vertreiben, die Harten bleiben im Garten. Warum auch nicht? Ein Maulwurf ist kein Feind, er belohnt den tüchtigen Gärtner. Er will doch nur buddeln.