Rentner und Pendler müssen zahlen

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Im spanischen Parlament ist ein großes Gesetzespaket der linken Minderheitsregierung gescheitert – an einer ungewöhnlich großen Koalition: Die Junts-Partei des Separatistenführers Carles Puigdemont stimmte zusammen mit der konservativen PP und den Rechtspopulisten von Vox dagegen.

Das hat zur Folge, dass die Zentralregierung von Donnerstag an keine Zuschüsse mehr für den öffentlichen Nahverkehr bezahlt. Damit fallen mit einem Schlag umfangreiche Subventionen für Pendler weg, die zum Teil weiter gehen als hierzulande das Deutschlandticket.

In Madrid bildeten sich am Mittwoch Schlangen vor den Verkaufsstellen der Verkehrsbetriebe, wo Kunden ihre Abonnements zum alten Preis verlängern wollten. In der Hauptstadt machen diese Vergünstigungen 60 Prozent des regulären Fahrpreises aus. Empfänger von Durchschnittsrenten erhalten im Februar 43 Euro weniger, denn der versprochene Inflationsausgleich tritt nicht in Kraft. Ein Teil der Hilfen für die Opfer der Jahrhundertflut und des Vulkanausbruchs kann nicht gezahlt werden.

Puigdemont führt offenen Krieg gegen Sánchez

Carles Puigdemont führt mit den sieben Abgeordneten seiner Junts-Partei im nationalen Parlament einen offenen Krieg gegen den sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Dessen Wiederwahl hatte er im Gegenzug für eine Amnestie für katalanische Separatisten ermöglicht.

Doch nun zögert er nicht, sich mit der spanischen Rechten zusammenzutun, die die Unabhängigkeitsbefürworter bekämpfen und Sánchez mit allen Mitteln zu Fall bringen wollen. Auch für die konservative PP ist ihr „Nein“ am Mittwoch eine riskante Strategie, denn sie macht sich damit bei den zwölf Millionen Rentnern und noch mehr Pendlern unbeliebt.

Es ist nicht die erste schmerzhafte Niederlage von Sánchez’ linker Minderheitsregierung seit dem Beginn ihrer neuen Amtszeit vor gut einem Jahr. Aber die Opposition machte ein weiteres Mal deren Ohnmacht deutlich. Die 177 Gegenstimmen verdeutlichten erneut, wie weit die Regierung von einer Mehrheit für den Haushalt für 2025 entfernt ist. Die jüngste Ablehnung lasse Zweifel wachsen, ob die Regierung die Legislaturperiode überstehen werde, schreibt die Zeitung „El País“.

Mit Gesetzespaket war Minderheitsregierung Risiko eingegangen

Puigdemont und seine Anhänger haben nach dessen gescheiterter Rückkehr nach Spanien ihre Attacken auf die Linksregierung verstärkt. Die separatistische Junts-Partei beschimpfte die Regierung vor der Abstimmung als „Schwindler“ und „Piraten“, ohne zunächst klarzustellen, was sie konkret ablehnten. Die PP hatte dagegen einen konkreten Grund: Teil des Pakets war ein Stadtpalais in Paris im Wert von 15 Millionen Euro.

Die Regierung will es der nationalistischen baskischen Partei PNV überlassen, die Sánchez bisher bei allen wichtigen Abstimmungen unterstützt hatte. Die PNV hatte das Gebäude, in dem sich heute das staatliche Cervantes-Kulturinstitut befindet, während des spanischen Bürgerkriegs gekauft.

Mit dem „Omnibus“-Gesetzespaket, das aus rund hundert Artikeln und sehr unterschiedlichen Maßnahmen besteht, war die Minderheitsregierung ein großes Risiko eingegangen. Sie wollte vor allem die PP mit der Rentenerhöhung in Zugzwang bringen, die inzwischen einen separaten Gesetzentwurf für eine Rentenreform vorgelegt hat. Mit einzelnen Dekreten könnte es gelingen, die konsensfähigen Teile des Pakets zu retten, während die große politische Blockade in ganz Spanien weitergeht.

Druck auf alle Parteien wächst

In Katalonien weigern sich die Separatisten, den Haushalt des neuen sozialistischen Regierungschefs zu unterstützen. Auch die PP hat zu kämpfen, seit sich die Rechtspopulisten von Vox im Streit um die Migrationspolitik aus allen fünf regionalen Koalitionsregierungen mit der konservativen PP zurückgezogen; auch auf den Balearen beendete Vox die Kooperation mit ihr. Keine dieser PP-Minderheitsregierungen konnte ihren Haushalt verabschieden.

Die drohenden Preiserhöhungen im Nahverkehr setzten die meisten Regionalregierungen und Stadtverwaltungen zwar zunächst nicht um, aber der Druck auf alle Parteien wächst. Die beiden Gewerkschaften CCOO und UGT riefen für den 2. Februar zu einer Großdemonstration auf, um gegen das „opportunistische Spiel“ der Parteien zu protestieren, das Millionen Spanier zu deren „Geiseln“ mache.