Verhütung
Rausziehen beim Sex – Wie sicher ist Coitus interruptus?
Aktualisiert am 24.01.2025 – 04:00 UhrLesedauer: 4 Min.
Beim Coitus interruptus zieht der Mann den Penis kurz vor dem Höhepunkt raus. Das erfordert viel Selbstkontrolle – und unsicher ist es auch. Warum die Methode dennoch für manche infrage kommt.
Zu Beginn ihrer Beziehung benutzten Dana und Tobias noch ein Kondom. Irgendwann ließen sie es weg. Seitdem setzen sie bei der Verhütung auf das richtige Timing. “Am Anfang hatten wir noch echt Schiss”, sagt Dana. “Vor allem Tobias hat gehadert. Ich war leichtsinniger.”
Dana und Tobias verhüten per Coitus Interruptus – so nennt man es, wenn der Mann beim Sex seinen Penis kurz vor dem Samenerguss aus der Vagina zieht. Übersetzt bedeutet der Begriff “unterbrochener Geschlechtsverkehr”. Dana und Tobias heißen eigentlich anders, wollen aber anonym bleiben. Das Paar ist mittlerweile routiniert. “Ich habe das Gefühl, dass ich es gut kontrollieren kann”, sagt Tobias. Lusttötend findet er es nicht.
Wie viele Menschen in Deutschland auf die Rauszieh-Methode setzen, ist schwer zu sagen, es gibt nur wenige Daten dazu. In einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gaben nur ein Prozent der befragten Erwachsenen an, Coitus interruptus als Verhütungsmethode zu nutzen. Die Befragung ist allerdings von 2003. In einer Befragung aus dem Jahr 2007 waren es unter ein Prozent, im Jahr 2011 etwa null.
Das meistverwendete Verhütungsmittel bei sexuell aktiven Erwachsenen und Jugendlichen ist jüngsten Umfragen der BZgA zufolge das Kondom, gefolgt von der Pille.
Die Frauenärztin Sabine Segerer geht davon aus, dass tatsächlich mindestens 5 Prozent der sexuell aktiven Erwachsenen in Deutschland Coitus interruptus anwenden, wahrscheinlich sogar deutlich mehr. “Die Dunkelziffer ist sehr hoch”, meint sie.
Die Ärztin ist eine der Autorinnen der Leitlinie für nicht-hormonelle Empfängnisverhütung, die die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) mit herausgegeben hat. Der Rat der Expertinnen ist eindeutig: “Coitus interruptus soll nicht als Verhütungsmethode empfohlen werden”, heißt es in der Leitlinie.
“Das Wichtigste an einer Verhütungsmethode ist natürlich die Sicherheit und da ist der Coitus interruptus das Schlechteste, was man machen kann”, sagt Segerer. Bei typischer Anwendung dieser Methode komme es bei etwa einem Fünftel der Frauen innerhalb eines Jahres zu einer ungewollten Schwangerschaft. Zum Vergleich: Bei der typischen Anwendung von Kondomen werden laut BZgA innerhalb eines Jahres 60 bis 130 von 1.000 Frauen schwanger, also zwischen 6 und 13 Prozent.
Außerdem gebe es beim Weglassen von Kondomen keinen Schutz vor Geschlechtskrankheiten, so Segerer. Als wesentliche Ursache für eine Schwangerschaft trotz Coitus interruptus werde oft der sogenannte Lusttropfen genannt, erklärt die Frauenärztin. Der Lusttropfen ist ein Sekret, das bei sexueller Erregung noch vor einem Samenerguss aus dem Penis austritt – und eigentlich keine beweglichen Spermien enthält.
In einigen Studien wurden trotzdem Spermien im Lusttropfen nachgewiesen, wie es in der Leitlinie heißt. Allerdings sei nicht überprüft worden, ob die Studienteilnehmer tatsächlich nur Flüssigkeit aus dem Lusttropfen abgaben und nicht doch auch schon Sperma dabei war.
Möglich sei auch, dass mit dem Lusttropfen Spermienreste herausgeschwemmt würden, die von einer zurückliegenden Ejakulation im Samengang liegenblieben. “Die Lebensdauer von Spermien kann bei fünf Tagen liegen”, erklärt Segerer. Eine andere Erklärung liegt ihr zufolge aber deutlich näher: “Ich denke eher, dass es an einer Ejakulation liegt, die dann doch schon stattfindet, und nicht an dem Lusttropfen.” Will heißen: Manchmal ziehen Männer den Penis nicht rechtzeitig vor dem Samenerguss raus.
“Mir war schon bewusst, dass es Risiken gibt”, erzählt Emma. Mit 22 Jahren reiste die heute 30-Jährige monatelang durch Asien und hatte mit mehreren Männern ungeschützten Sex. Sie verließ sich auf Coitus interruptus und dachte nicht groß über Geschlechtskrankheiten nach. “Ich habe die Seele baumeln lassen und ich hatte das Gefühl, mir kann nichts passieren.” Emma heißt eigentlich anders, auch sie möchte anonym bleiben.
In der damaligen Lebensphase sei es ihr einfach “scheißegal” gewesen. Sie habe zu der Zeit schon seit mehreren Jahren nicht mehr ihre Periode bekommen und sei überzeugt gewesen, nicht schwanger werden zu können. Keiner der Männer habe vorgeschlagen, zusätzlich mit Kondom zu verhüten. Heute würde sie das nicht mehr machen. “Glücklicherweise ist alles gut gegangen, ich würde es niemandem raten.”