Nukleus für einen europäischen Panzerchampion

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Kurz nach Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus kommen Deutschland und Frankreich bei einem ihrer größten Rüstungsprojekte voran, dem Landkampfsystem MGCS. Der dadurch entwickelte Kampfpanzer soll von 2040 an die aktuellen Modelle Leopard 2 und Leclerc ersetzen. Geplant ist eine rollende Gefechtszentrale in einem hochtech­no­logischen Verbundsystem. Bundesver­teidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach am Donnerstag in Paris von einem „ganz wichtigen, großen Fortschritt“.

Konkret ist es Pistorius und seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu gelungen, die für die MGCS-Entwicklung designierten Industriepartner KNDS Deutschland und Rheinmetall sowie KNDS Frankreich und Thales zur Unterzeichnung eines „Shareholders Agreement“ zu bewegen. Auf dieser Basis sollen die vier Konzerne nun eine Projektgesellschaft gründen.

Das klingt trivialer, als es ist. Noch Anfang dieser Woche war unklar, ob wegen divergierender In­dus­trieinteressen eine Einigung bis Donnerstag gelingt, ehe politischer Druck den Durchbruch brachte. Auch die Militärs hatten sich in der Vergangenheit ein Hauen und Stechen über die Anfor­derungen an den Superpanzer geliefert, ehe im April 2024 eine Absichtserklärung der Minister, inklusive Verteilung der indus­triellen Verantwortlichkeiten, stand.

Gewachsener französischer Einfluss

Technisch soll die Projektgesellschaft als Generalunternehmer fungieren. So will die Politik verhindern, nicht in jeder Arbeitsphase einzeln mit den Industrieunternehmen verhandeln zu müssen. Das gilt auch als Lehre aus den zuletzt schwierigen Verhandlungen um das Luftkampfsystem FCAS, das zweite große deutsch-französische Rüstungsprojekt. Dort gibt es keinen Generalunternehmer und prallten die Interessen der Hauptauftragnehmer Airbus und Dassault Aviation wiederholt aufeinander.

Die MGCS Project Company GmbH soll in Köln sitzen, und die künftigen Vertragsverhandlungen sollen mit dem deutschen Beschaffungsamt in Koblenz stattfinden. Letzteres unterstreicht Deutschlands politische Federführung beim Kampfpanzerprojekt, während bei FCAS Frankreich den Hut aufhat.

Was die Kosten und Arbeitsanteile angeht, sieht die MGCS-Einigung von April gleichwohl eine 50-50-Aufteilung zwischen den beiden Nationen vor. Für Paris war dies die Bedingung, um in den jahrelang auf der Stelle tretenden Verhandlungen voranzukommen.

Deutliches Zeichen für den gewachsenen französischen Einfluss auf MGCS ist die Hinzunahme des Technologiekonzerns Thales. Zuvor hatten die 2015 in der KNDS-Holding aufgegangenen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann und Nexter den neuen Superpanzer entwickeln sollen, auf deutsches Drängen später ergänzt durch Rhein­metall. Die im April festgezurrte Projektstruktur mit acht Entwicklungssäulen folgt der Arbeitsweise der französischen Generaldirektion für Rüstung.

Mühsam, wenn es konkret wird

Früher als 2040 dürfte die hochkomplexe und langwierige Entwicklung des neuen Kampfpanzers auch mit Gründung einer Projektgesellschaft nicht abgeschlossen werden. Das stellt vor allem Frankreich vor schwierige Entscheidungen: Der Leclerc-Kampfpanzer wird wie der Leopard 2 zwar aktuell noch modernisiert, anders als dieser aber nicht mehr produziert.

Doch allein die nun anstehende kartellrechtliche Prüfung der Projektgesellschaft macht deutlich, dass diese theoretisch den Nukleus für einen europäischen Panzerchampion bilden könnte. Damit wären eine noch viel weitreichendere Zusammenarbeit bei Landkampfsystemen und etwa auch der Bau von kleineren Panzern für den Übergang zu MGCS denkbar, heißt es aus Fachkreisen – so wie es Rheinmetall aktuell mit Leonardo in Italien plant.

Öffentlich halten sich Politik und Industrie zu solchen Erwägungen bedeckt. Nicht nur die bisherigen MGCS-Verhandlungen haben gezeigt, wie mühsam die immer wieder geforderte Konsolidierung in der europäischen Rüstungsindustrie ist, wenn es konkret wird. So waren vor dem Schulterschluss zwischen Rheinmetall und Leonardo Verhandlungen zwischen KNDS und den Italienern an unterschiedlichen Vorstellungen über Arbeitsanteile gescheitert.

Gerade von deutscher Industrieseite wird mit Sorge beobachtet, dass die wachsenden Wehretats die Europäisierung gar zu behindern drohen und in Ländern wie Italien, Spanien oder Po­len politische Ambitionen für die Schaffung nationaler Champions verstärken.

Demonstratorentwicklung ab 2026

Läuft alles nach Plan, soll die MGCS-Projektgesellschaft im Frühjahr stehen. Nach erfolgreichen Vertragsverhandlungen und der Mittelfreigabe durch den Haushaltsausschuss im Bundestag wird der Start der ersten Arbeitsphase in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Der Start der weiteren Arbeitsphasen folgte dann sukzessive.

Dieses inkrementelle Vorgehen ermöglicht den späteren Projektbeitritt anderer Nationen, wodurch sich die Entwicklungskosten teilen ließen. Auch behält die Politik so eine größere Flexibilität bei der Wahl der Systemkomponenten wie der Kanone, bei der Franzosen und Deutsche bislang unterschiedliche Vorstellungen haben.

In der ersten MGCS-Arbeitsphase geht man von einer dreistelligen Millionensumme aus. Auch FCAS wird inkrementell entwickelt, wobei der Programmstart hier schon 2020 erfolgte. Im Mai 2026 endet in den letzten Entwicklungssäulen die Arbeitsphase 1B. In dieser werden Technologien für einen Kampfjetdemonstrator getestet und entwickelt.

Pistorius und Lecornu bekräftigen am Donnerstag ih­ren Willen, auch bei FCAS in diesem Jahr voranzukommen. Damit gemeint sind die Verhandlungen über die Arbeitsphase 2, in der von möglichst Anfang 2026 an der Demonstrator dann entwickelt werden soll. Dass Deutschland nun schon im Fe­bruar wählt, werten Projektbeteiligte als Vorteil, da dies eine frühere Mittelfrei­gabe in Berlin ermöglicht.

Verkompliziert werden könnten die FCAS-Verhandlungen dadurch, dass nach Spanien nun auch Belgien in das Programm drängt. Auch wird verstärkt diskutiert, ob die veränderte sicherheitspoli­tische Lage nicht eine Neubewertung von Komponenten wie Drohnen erfordert – und nicht eine Annäherung an das britisch-italienisch-japanische Konkurrenzprojekt GCAP geboten ist, auch aus Kostengründen.

Hinzu kommen bedingt kongruente Industrieinteressen: Beim Kampfjet ist es wiederum Frankreich, dessen Hersteller Dassault seine Rafale mit wachsendem Erfolg exportiert und weniger Druck als die deutsche Airbus-Seite mit ihrem Eurofighter verspürt, ein Nachfolgemodell zu entwickeln. Mit der jüngsten Mittelfreigabe für eine Rafale-Kampfdrohne beschreitet Frankreich zudem eigene nationale Wege.