Elon Musk zeigt Wirkung. Die Reichweite der AfD ist auf der Kurznachrichtenplattform X des US-Milliardärs geradezu explodiert, seitdem Musk die AfD offen unterstützt. Rund 60 Millionen „Impressions“ hat die Partei mit ihren Kurznachrichten allein in den vergangenen zwei Wochen erreicht – und damit deutlich mehr als alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Das zeigen Daten der „Bundesdatenschau“. Dahinter verbirgt sich ein Datenprojekt von drei Datenwissenschaftlern, das die Tweets von Bundestagsabgeordneten analysiert. Die Zahl der Impressions beschreibt, wie häufig ein Beitrag angezeigt wurde.
Dabei ist die AfD keineswegs die aktivste Partei auf der Plattform X. Während ihre Abgeordneten in den vergangenen zwei Wochen etwa 1100 Tweets absetzten, kam die FDP auf mehr als 1800 Mitteilungen. Diese generierten allerdings nur 17 Millionen Impressions. Damit wurden die Liberalen von den Grünen und der AfD überholt. Besonders imposant ist die Zahl der „Likes“, bei denen die AfD (rund 2 Millionen) die Grünen (460.000) und die FDP (360.000) klar übertrifft.
Ziemlich deutlich zeigt sich damit, was Elon Musk, der selbst 214 Millionen Follower auf der Plattform hat, mit seiner Werbung für die AfD erreicht. Schon im Dezember warb er auf der Plattform X für die AfD („Nur die AfD kann Deutschland retten“), dann folgte Ende Dezember ein umstrittener Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“, und schließlich lud Musk Weidel zu einem X-Talk ein.
Drei Postings mit größter Reichweite kommen von Weidel
Die aktuelle Rangliste der Impressions führte am Freitagmittag mit großem Abstand die Ko-Vorsitzende und AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel an, mitunter belegt sie mit ihren Tweets die ersten drei Plätze gleichzeitig. Eine besondere Reichweite erreichte Weidel zum Beispiel mit einem Angriff auf die CDU, den sie schon am 15. Januar absetzte: „Nun möchte die CDU gegen ‚ungefilterte Meinungen‘ vorgehen mithilfe des willfährigen Geheimdienstes/Verfassungsschutzes. Die Blockparteien zeigen immer mehr ihr wahres Gesicht. Das ist Zensur der Meinungsfreiheit.“
Die Reaktion bezog sich auf eine Ankündigung des hessischen Innenministers Roman Poseck für eine temporäre Sonderauswertungseinheit im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, die Erkenntnisse aus den Bereichen Spionageabwehr und Extremismus im Zusammenhang mit der Bundestagsauswahl bündelt.
Verglichen mit dem gesamten vergangenen Jahr zeigen die Daten für die von vielen Multiplikatoren genutzte Plattform einen enormen Zuwachs für die AfD. Zwischen Januar 2024 und 2025 führten noch besonders aktive Grünen-Abgeordnete die Rangliste mit rund 380 Millionen Impressions an, gefolgt von der SPD mit rund 330 Millionen. Die AfD lag da noch auf Platz drei mit knapp 300 Millionen Impressions.
Künstlich hergestellte Reichweite erhöht Aufmerksamkeit
Das wirft Fragen auf, wie dieser Schub zu erklären ist. Schon lange kursieren Mutmaßungen, dass die Sichtbarkeit der Nachrichten durch Algorithmen manipuliert wird. Aber das könnte nicht die einzige Erklärung sein. „Wir beobachten hier keine versteckte Einmischungstaktik, wie wir das im Fall von Cambridge Analytica oder den russischen Desinformationskampagnen gesehen haben“, sagt der Kommunikationswissenschaftler Curd Knüpfer. Er vermutet eher, dass der enorme Zuwachs nicht nur mit der Reichweite des X-Eigentümers Musk zusammenhängt, sondern außerdem mit einem konzertierten „Boosten“ von Inhalten durch AfD-Anhänger.
Ähnlich sieht es die Medienforscherin Katja Muñoz, Research Fellow im Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Wir reden hier über künstlich hergestellte Reichweite. Viele kleine Steine schlagen auch viele Wellen.“ Es müsse nicht immer nur der eine große Stein sein. Diese Entwicklung nehme auch der Algorithmus auf, der die Inhalte wiederum bestimmten Personengruppen vorschlage. „So geraten die Inhalte in den Kreis von Menschen, die damit gar nichts zu tun haben.“
Muñoz stellte klar, dass es nicht darum gehe, ob diese Inhalte illegal seien. „Unsere Aufgabe ist es, eine Manipulation durch eine künstlich erschaffene Infrastruktur offenzulegen“, sagt Muñoz. „Dazu müssen wir ein Frühwarnsystem entwickeln. Das ist keine Zensur, sondern es geht darum, eine künstlich geschaffene Visibilität und Reichweite aufzuhalten.“
Daran schließt sich die Frage an, welchen Einfluss diese Nachrichtenflut auf das Wahlverhalten hat. „Der direkte Effekt dieses Boostens ist sehr schwer zu beurteilen“, sagt Knüpfer. Schließlich sei auch der genaue Effekt von Wahlkampfplakaten unbekannt. „Aber es hat schon Signalwirkung. Hier kommt der reichste Mann der Welt, kauft sich die öffentlich genutzte Arena der Deliberation und unterstützt eine nachweislich in Teilen rechtsextreme Partei. Dann muss man sich als System fragen, ob man das hinnimmt.“
Bleibt also die Frage, ob und wie man vorgeht gegen eine solche „künstlich geschaffene Infrastruktur“, wie die DGAP-Forscherin Muñoz das nennt. Sie erinnert daran, dass solche groß angelegten strategischen Kampagnen in einer Grauzone auf Plattformen agierten. Während Suchmaschinenoptimierung oder Post-Timing erlaubt seien, verböten die meisten Nutzungsbedingungen die Verwendung von Bots, falschen Konten und einem manipulierten und koordinierten Verhalten.