Der französische Musikstreamingdienst Deezer hat eigenen Angaben zufolge ein Tool entwickelt, das komplett KI-generierte Songs erkennt. Wie Deezer am Freitag mitteilte, fallen darunter ungefähr 10.000 der täglich etwa 100.000 neu auf dem Dienst hochgeladenen Werke. Diese sollen Hörern perspektivisch nicht mehr vom Algorithmus vorgeschlagen werden können.
Zunächst sollen die Songs aber weiterhin Tantiemen einspielen können, heißt es von Deezer auf Anfrage der F.A.Z. Es werde derzeit geprüft, ob komplett KI-generierte Songs „komplett oder in Teilen“ vom Tantiemenpool ausgeschlossen werden sollen. In Planung ist auch ein System, um solche Inhalte für Hörer sichtbar zu kennzeichnen. Das Tool, welches Deezer mit zwei Patenten schützen lassen will, identifiziert laut Deezer Songs, die mit „einer Reihe von KI-Modellen“ geschaffen worden seien und beispielsweise von Suno oder Udio stammen. Es ist also unklar, ob mit der Neuerung tatsächlich sämtliche komplett KI-generierten Songs erfasst werden. Suno und Udio sind allerdings zwei sehr prominente Start-ups auf dem Gebiet.
Beide bieten die Möglichkeit, mittels KI komplette Songs zu erstellen. Gegen beide hat der US-Dachverband der Labels Mitte 2024 Klage wegen Urheberrechtsverletzungen eingereicht. In Europa klagt die Verwertungsgesellschaft GEMA gegen Suno. Hintergrund ist das unlizensierte und unautorisierte KI-Training mit geschützten Aufnahmen und Songs sowie die Erstellung von KI-Songs über die Tools, die dann mit den Originalen etwa auf Streamingdiensten um Gelder konkurrieren.
Neues Ausschüttungsmodell im Streaming
Deezer weist zwar darauf hin, dass die betreffenden Songs oft gar nicht oder nur sehr selten gestreamt werden, also nur geringe Ausschüttungen auf sich vereinen. Doch könnten sie etwa für Betrugsversuche genutzt werden. Das Risiko einer Verwässerung des Tantiemenpools der Streamingdienste durch Massen an KI-Songs ist seit längerem Thema in der Musikindustrie. So war Deezer im Herbst 2023 auch der erste Dienst, der Anpassungen am Ausschüttungsmodell vorgenommen hat, mit dem alle Dienste rund zwei Drittel ihrer Umsätze an die Rechteinhaber auf Seiten der Musikwelt ausschütten.
Das sogenannte „Artist Centric“-Modell, gemeinsam mit dem weltgrößten Musikkonzern Universal entwickelt, setzt auf dem seit mehr als zehn Jahren von allen Diensten genutzten „Pro Rata“-Modell auf. Unter diesem werden die Gelder grundsätzlich nach dem jeweiligen Marktanteil der Songs verteilt. Im “Artist Centric“-Modell werden Streams von Künstlern, die mindestens 1000 Streams im Monat von mindestens 500 monatlichen Hörern vorweisen können, in der Abrechnung doppelt gewichtet.
Ein Song, mit dem ein Hörer „aktiv agiert“ – etwa indem er ihn sucht –, wird ebenfalls (oder eben ein weiteres Mal) in diesem Maße besser gestellt. Zudem werden die Abrufe eines Nutzers nur mit einer Gewichtung von bis zu 1000 Streams eingerechnet, um Manipulationen durch willkürliches Dauerstreamen einzudämmen. Außerdem wird bloßes Rauschen und andere nicht von Künstlern stammende funktionale Musik von Deezer selbst gestellt. Streams dieser Songs sind nicht mehr Teil des Ausschüttungspools.
Das System wird zunächst nur in Frankreich angewandt und auch nur für die Ausschüttungen an jene Rechteinhaber, die der Änderung zugestimmt haben. Neben diversen Indies hatte sich unter anderem Warner Music – hinter Universal und Sony die Nummer Drei der Branche – hinter das System gestellt. Zuletzt kündigte Deezer an, ein solches Modell in Frankreich gemeinsam mit der Verwertungsgesellschaft Sacem auch für die Ausschüttungen an Verlage und Songwriter anwenden zu wollen. Marktführer Spotify hatte einige Zeit nach Deezer ebenfalls Anpassungen angekündigt, allerdings für alle Märkte. Unter anderem müssen Songs auf Spotify mittlerweile mindestens 1000 Streams innerhalb von 12 Monaten auf sich vereinen, um Tantiemen einzuspielen.
Deezer will 2025 profitabel sein
Deezer ist mit Stand Ende September vergangenen Jahres 9,9 Millionen Abonnenten weit entfernt von den großen Diensten Amazon, Apple, Youtube Music oder Branchenprimus Spotify. Der schwedische Dienst kam zuletzt auf 252 Millionen Abonnenten. Der Abo-Stamm von Deezer teilt sich zudem in direkte Abos und solche, die über Partnerschaften abgeschlossen werden, beispielsweise über die Integration in Diensten wie die Plattform RTL+. So zählte Deezer zuletzt 5,2 Millionen direkte Abonnenten (davon 3,4 Millionen in Frankreich) und 4,7 Millionen über Partnerschaften. Letztere sind mit durchschnittlichen Einnahmen je Abonnent in Höhe von 2,80 Euro deutlich weniger lukrativ als direkte. Hier beträgt der Wert 5,40 Euro je Nutzer.