Unternehmen meiden neue Einwegplastikabgabe

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Vermüllte Parks, Straßen und Plätze sind ein Ärgernis. „Besonders Einwegverpackungen aus Kunststoff haben die Müllmenge in den Städten weiter steigen lassen und verbrauchen unnötig viele Ressourcen“, beklagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, gegenüber der F.A.Z. Abhilfe soll ein neuartiger Einwegkunststofffonds schaffen. Durch eine Sonderabgabe, die Hersteller bestimmter Einwegkunststoffe leisten müssen, sollen nach Prognosen des Umweltbundesamtes (UBA), welches den Topf verwaltet, rund 430 Millionen Euro im Jahr zusammenkommen. Gezahlt werden muss unter anderem für Behälter von Speisen und Getränken zum Mitnehmen, für Snackverpackungen wie Chips- und Kekstüten, aber auch für Feuchttücher, Luftballons oder Tabakwaren mit Filtern. Von 2026 an wird die Zahlungspflicht noch auf Feuerwerkskörper ausgedehnt.

Die Sonderabgabe auf diese Produkte soll vor allem die Kommunen von Müllkosten entlasten und zugleich die Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung durch Einwegplastik eindämmen. Für dieses Frühjahr ist der Start der Ein- und Auszahlungen geplant. Insgesamt rechnet das UBA mit 6400 Städten, Gemeinden und anderen Anspruchsberechtigten wie Autobahnmeistereien, die Geld aus dem Topf beantragen können. Doch bislang sieht es nicht danach aus, als ob der Fonds ein Erfolg wird, weder für die Kommunen noch für die Umwelt.

Einzahlungspflichtig sind nach Schätzungen des Umweltbundesamts rund 56.000 Unternehmen – Produzenten, Befüller, Verkäufer oder Importeure bestimmter Plastikartikel. Doch bislang haben sich nur rund 3800 Unternehmen in das öffentliche einsehbare Register des UBA eintragen lassen. Dabei ist die Registrierpflicht schon Ende 2024 abgelaufen. Ein Blick ins Register zeigt, dass sich zahlreiche Aldi-, Edeka- und Kaufland-Märkte sowie Bäckereien, Süßwarenhersteller, Ballongeschäfte ebenso wie verschiedenste asiatische Anbieter angemeldet haben. Ihre Zahl reicht aber bei Weitem nicht an die Zahl der Unternehmen heran, welche die erhofften Einnahmen von 430 Millionen Euro bringen sollen.

Zuversicht beim Umweltfonds

Diese Lücke sieht man auch beim Umweltbundesamt. Solange die Zahl der tatsächlichen Herstellerregistrierungen deutlich hinter den Schätzungen zurückbleibe, „ist nicht davon auszugehen, dass das jährlich geschätzte Fondsvolumen von 430 Millionen Euro in der Anfangsphase erreicht werden kann“, sagte Juliane Rode, zuständig für den Aufbau des Fonds, der F.A.Z. Man sei aber zuversichtlich, dass „die Registrierungen weiter zunehmen werden“. Das UBA setzt dabei auch auf den Druck hoher Bußgelder, die säumigen Unternehmen drohen. Außerdem müssen Betreiber von Onlineplattformen jenen Unternehmen, die sich nicht pflichtgemäß für den Fonds registrieren, seit dem Jahreswechsel Verkaufsangebote auf ihren Onlinemarktplätzen untersagen.

Unternehmen können also in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, wenn sie nicht mitziehen. Die Rechtslage zum Einwegkunststofffonds ist jedoch unübersichtlich. Darauf weist unter anderem der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hin. Unsicherheiten gebe es zu der Frage, was überhaupt ein abgabepflichtiges Einwegkunststoffprodukt sei und welche Unternehmen die Abgabe leisten müssten, erläuterte ein VKU-Sprecher.

Unternehmensverbände kritisieren, das UBA ziehe die Abgabenpflicht zu weit. Für Unmut sorgt unter anderem, dass die Behörde bestimmte industrielle Vorprodukte einbezieht, etwa leere Becher ohne Deckel, die für Abfüller von Fruchtjoghurt und Ayran bestimmt sind. Das UBA beruft sich dabei unter anderem auf die EU-Einwegkunststoffrichtlinie, deren Definition für derartige Getränkebecher keine Befüllung voraussetze. Dementsprechend fielen diese Becher insbesondere auch als Leerprodukte – also marktreife Erzeugnisse, die keiner weiteren Verarbeitung bedürften – unter die Regelungen des Einwegkunststofffondgesetzes. Die Fachkommission, die das Umweltbundesamt bei der Einstufung berät, hatte sich allerdings einstimmig gegen die Anwendung der Fondsregeln auf solche Vorprodukte ausgesprochen. Die Entscheidung führe letztlich nur zu Mehrkosten an der Ladenkasse, eine Verbesserung des Umweltschutzes sei hingegen „nicht einmal im Ansatz erkennbar“, kritisiert Karin Monke vom Milchindustrie-Verband, mit Hinweis darauf, dass solche Vorprodukte nicht als Müll in der Umwelt landeten.

Unverständnis bei Kunststoffherstellern

Auf Unverständnis stößt bei Wirtschaftsvertretern auch, dass das UBA einen Ein-Liter-Milchkarton als abgabepflichtig bewertet, wiederum gegen die Empfehlung der Einwegkunststoffkommission. Die Portionsgröße sei zu groß für den unmittelbaren Verzehr, hatte die Kommission eingewandt.

Die Kunststoffhersteller haben den Verdacht, das UBA dehne die Abgabenpflicht auf die umstrittenen Produkte aus, um doch noch genügend Geld in den Fonds zu bekommen. „Offenbar wächst die Nervosität beim UBA, dass die geplanten Einnahmen in Höhe von über 400 Millionen Euro weit verfehlt werden, weil sich bisher erheblich weniger Unternehmen registriert haben als erwartet“, sagt Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK – Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Die Behörde weist die Vorwürfe zurück. Man entscheide unter Prüfung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen.

Gegen die umstrittenen Produkteinstufungen haben Wirtschaftsverbände Widerspruch eingelegt. Anders als das Umweltbundesamt meine, reiche es nach dem Gesetz nicht schon, dass ein bestimmtes Produkt zum Sofortverzehr „geeignet“ sei. Gesetzlich erfasst würden nur solche Behälter für Lebensmittel, „die zum unmittelbaren Verzehr nach dem Kauf konzipiert und vorgesehen sind“, skizziert Verbandsvertreter Engelmann die Rechtsauffassung der Verbände. Ziehe man den Anwendungsbereich hingegen so weit wie das UBA, sei zu befürchten, dass sämtliche verzehrfertigen Lebensmittel im Supermarkt, etwa auch Feinkostsalate, Mozzarella oder Wurstwaren, künftig sonderabgabenpflichtig und damit unnötig teuer würden, kritisiert Engelmann.

Doch nicht nur die Produkteinstufungen des UBA sind umstritten. Die Kritik der Wirtschaft richtet sich schon gegen die gesetzliche Grundlage für den Einwegkunststofffonds. Mehrere betroffene Unternehmen haben Verfassungsbeschwerde gegen das Einwegkunststoffgesetz erhoben. Man wende sich nicht gegen die EU-rechtlich vorgegebene finanzielle Inanspruchnahme als solche, versichern die Verbände. Aber nach Überzeugung der Unternehmen hat die Ampelregierung die EU-Vorgaben nicht verfassungskonform umgesetzt, indem sie sich für das Finanzierungsinstrument der Sonderabgabe und einen staatlichen Fonds entschied.

Weniger belastend wäre ein privatwirtschaftlich finanziertes Fondsmodell, welches den betroffenen Unternehmen weitergehende Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten lasse, zusätzliche Bürokratie vermeide und transparenter sei. Außerdem erfülle die neue Abgabe nicht die strengen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Erhebung nichtsteuerlicher Geldleistungspflichten stelle. Das Umweltministerium teilte dazu auf Anfrage mit, der Vorschlag eines privatwirtschaftlichen Fondsmodells sei „mit negativem Ergebnis geprüft worden“. In der Gesetzesbegründung werden dazu zahlreiche rechtliche und praktische Schwierigkeiten aufgelistet. Wann das Bundesverfassungsgericht sich zu dem Streit über den Einwegkunststofffonds äußern wird, ist noch nicht bekannt.