Der ungewöhnlich starke und auch zerstörerische Wintersturm, der sich Ende vergangener Woche mit Rekordwinden von 180 Kilometern pro Stunde vor Irland und Großbritannien austobte und hinunter bis nach Nordspanien und in der Bretagne für Stromausfälle sorgte, ist von Klimaforschern mit der Erderwärmung in Verbindung gebracht worden, genauer: mit der Aufheizung der Ozeane. Die Kurzformel könnte lauten: Mit dem Klimawandel kommt mehr Druck in den Kessel.
Im Falle von Éowyn war es der seit gut anderthalb Jahren außergewöhnlich warme Nordatlantik, der ursächlich eine Rolle spielen soll. Das besagen jedenfalls die Auswertungen mit dem sogenannten „Climate Shift Index“ (CSI) – ein datengetriebenes Werkzeug zur Analyse ungewöhnlicher Temperaturabweichungen und dem Einfluss der Erderwärmung. Der Klimawandel hat den Anstieg der Oberflächentemperturen des Nordatlantik demzufolge vierzig- bis hundertmal so wahrscheinlich gemacht. Durch den Zusammenstoß dieser außergewöhnlich warmen Luftmassen über dem Meer und der angrenzenden Kaltluft hat sich ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet und damit der Sturm über dem Meer gebildet. Bomobogenese nennen Meteorologen die Bildung solcher außertropischer Wirbelstürme, wenn sich das Tiefdruckgebiet explosionsartig ausbildet und der Luftdruck im Kern um mindestens Millibar innerhalb eines Tages abfällt. Tatsächlich erreichte das Tief vor Irland Ende vergangener Woche Rekord-Tiefdruckwerte.
Anders aber als bei klassischen tropischen Wirbelstürmen, die sich um ein Tiefdruckgebiet drehen und allein von der Energie des aufgeheizten tropischen Ozeanwassers angetrieben wird, handelte es sich bei Éowyn um ein besonderes Frontensystem außerhalb der Tropen: einem Shapiro-Keyser-Zyklon. Grundsätzlich sind die nicht ungewöhnlich, allerdings werden solche Phänomene durch extreme Temperaturunterschiede noch zusätzlich angefacht.
Dabei werden die Shapiro-Keyer-Zyklone von den Starkwinden in der höher liegenden Atmosphäre, der Stratosphäre stark geprägt. Dieser Jetstream mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 386 Kilometern pro Stunde hat dazu beigetragen, dass das Tief Éowyn, der an der US-Golfküste von Florida für Schneefall sorgte und dann bis in den Nordatlantik transportiert wurde. Durch den Einschub – das „Einfalten“ – der extrem trockenen Stratosphärenluft – in tiefere Luftschichten, die quasi durch den Tiefdruckkern eingesogen werden, kommt es zu einem Warmluftschlauch, der sich um die Kaltluft windet. Schließlich bildet sich ein als “Stachel“ bekannten Starkwindkorridor, ein „Sting Jet“, der dazu führt, dass die sehr starken Winde aus höheren Schichten in Orkanstärke bis an die Oberfläche transportiert werden.
Ozean-Erwärmung hat sich schnell vervierfacht
Grundsätzlich erwarten Klimaforscher mit der globalen Erwärmung nicht unbedingt mehr Starkstürme, sondern immer mehr intensivere Winde. Die Treibhausgase füttern das System gewissermaßen mit Energie. Wie stark die Temperaturkontraste in den Ozeanen und der darüberliegenden Atmosphäre durch den Klimawandel inzwischen geprägt sind, haben Forscher um Chris Merchant, von der britischen University of Reading soeben in den “Environmental Research Letters“ deutlich gemacht. Ihren Daten zufolge hat sich die Erwärmung der Ozeane seit den achtziger Jahren im Schnitt vervierfacht: von 0,06 Grad Erwärmung pro Jahrzehnt auf mittlerweile plus 0,27 Grad pro Jahrzehnt. Die regionalen Unterschiede sind dabei beträchtlich. Die Ursache: Immer mehr Energie, die von der Sonne die Erdoberfläche erreicht, wird durch die Ozeane und Atmosphäre absorbiert.
Die Energieaufnahme der Erde hat sich allein seit 2010 gegenüber der Energieabgabe in den Weltraum verdoppelt, so die Forscher. Ursache ist dafür einerseits die Anreicherung mit Treibhausgasen – vor allem Kohlendioxid und Methan – in der Atmosphäre, aber auch die Abnahme der Albedo – es wird wegen abnehmender Eisflächen weniger Sonnenstrahlung ins All zurück reflektiert. An der der jüngsten Rekorderwärmung der Meere sei auch das Klimaphänomen El Niño als Treiber beteiligt, schreiben die Autoren der Studie, gut 44 Prozent jedoch wird allein der stärkeren Energieaufnahme des Planeten zugeschrieben.