China verpflichtet seine Firmen zu weitgehender Kooperation mit dem Staat. Und Deepseek sammelt sehr viele Daten über seine Nutzer. Ideale Zutaten dafür, dass Deepseek dasselbe Schicksal droht wie Tiktok oder Huawei.

Sammelt Deepseek Daten über westliche Nutzer, im Dienste der Kommunistischen Partei?
Der globale Wissenstransfer verlief bis vor wenigen Jahren vor allem von Westen nach Osten: Westliche Erfindungen halfen China bei der wirtschaftlichen Entwicklung. China kopierte sie, verkaufte eine billige Version zurück in den Westen, und inzwischen verbessern chinesische Firmen die ursprüngliche Entwicklung auch noch. Das zeigt Deepseek, der KI-Chatbot des chinesischen Unternehmers Liang Wenfeng.
Deepseek ist eine Open-Source-Software, die ähnlich funktioniert wie Chat-GPT. Mit ausreichend technischem Wissen lässt sich Deepseek auch auf einen leistungsstarken Laptop herunterladen. Dort läuft der Chatbot lokal und braucht keinen Internetzugang. Das dürfte Firmen in aller Welt Zugang zu einer KI-Technologie verschaffen, deren Nutzung bisher zu teuer oder zu aufwendig war.
Einfacher lässt sich Deepseek über die App oder in der Desktop-Version nutzen. Wer das tut, gibt Deepseek und damit China persönliche Informationen preis.
China liest mit
Laut den Nutzungsbedingungen darf Deepseek Tracking-Cookies verwenden, um den Weg des Nutzers im Internet nachzuverfolgen, und analysiert den genauen Standort der angemeldeten Geräte. Selbst die Geschwindigkeit, mit der eine Person auf der Tastatur tippt, misst Deepseek. Da sich die meisten Nutzer mit ihrer E-Mail-Adresse, ihrer Telefonnummer oder den jeweiligen Apple- oder Google-Konten registrieren dürften, erhält Deepseek einen tiefen Einblick in das Verhalten seiner Nutzer im Internet. Und damit in deren Leben.
Deepseek nimmt sich explizit das Recht heraus, persönliche Daten an Drittparteien weiterzugeben. Laut einer Recherche von Wired werden die Daten zur Werbeanalyse an den Internetriesen Baidu geschickt. Den chinesischen Staat nennt Deepseek nicht namentlich als möglichen Empfänger.
Antonia Hmaidi, China-Expertin beim Mercator-Institut für China-Studien, zählt auf Anfrage allerdings mehrere Mechanismen auf, wie der chinesische Staat Firmen zur Kooperation zwingen kann. Per Gesetz sichern sich die Behörden Zugriff auf alle in China gespeicherten Daten. Und verpflichten Firmen zur Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden.
Weiter, so Hmaidi, müssten Unternehmen Algorithmen registrieren, bevor sie Online-Dienstleistungen anbieten dürften. Ausserdem kann die Regierung, wie sie es schon beim Tiktok-Konzern Bytedance gemacht hat, eine sogenannte «goldene Aktie» aufnehmen. Damit installiert die Regierung einen Parteivertreter im Verwaltungsrat einer Firma und kann so auf deren strategische Ausrichtung Einfluss nehmen.
Hinweise darauf, dass eine Analyse von Deepseek-Nutzerdaten durch chinesische Regierungsstellen tatsächlich stattfindet, gibt es keine. Hmaidi bezweifelt, dass der chinesische Geheimdienst alle Deepseek-Chats mitliest: «Wahrscheinlicher ist, dass der Geheimdienst nur Daten von speziellen Zielpersonen oder Daten von besonderem Interesse liest.»
Deepseek antwortete nicht auf eine Medienanfrage.
Droht Deepseek ein Schicksal wie Tiktok und Huawei?
Chinesische Unternehmen stehen im Westen teilweise unter Spionageverdacht. Die Datenfülle auf chinesischen Servern und Zugriff der chinesischen Regierung bewogen westliche Länder bereits, Tiktok auf Handys von Regierungsbeamten zu verbieten. Die USA haben ein Gesetz erlassen, das den Mutterkonzern Bytedance dazu zwingt, das amerikanische Tiktok in die USA zu verkaufen. Auch Komponenten für den Ausbau der Infrastruktur des chinesischen Mobilfunkherstellers Huawei dürfen wegen Sicherheitsbedenken nicht mehr in den USA verbaut werden.
Deepseek könnte ein ähnliches Schicksal drohen. Die KI wurde längst politisch instrumentalisiert.
Die Zensur ist streng auf chinesischer Linie. Deepseek antwortet auf politische Fragen, die für die chinesische Regierung heikel sind, mit: «Lass uns über etwas anderes reden.» Fragen zur Unabhängigkeit von Taiwan, zur uigurischen Minderheit in Xinjiang, zu Xi Jinping, zum Tiananmen-Massaker oder zu Protestbewegungen in China lehnt Deepseek ab, oder es antwortet mit beschönigender oder irreführender Propaganda.
Das passiert, wenn die #KI aus der Volksrepublik China kommt. #DeepSeek pic.twitter.com/QyoARvPCxv
— Carsten Grötzinger (@c_groetzinger) January 27, 2025
Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Version Deepseek R1 wirkt politisch gewählt. Das Tool wurde am 20. Januar publiziert, also just an dem Tag, an dem Präsident Donald Trump vereidigt wurde. Keine Woche später löste Deepseek einen Medienhype und einen Einbruch der Börsen aus und liess das kurz davor angekündigte «Stargate», das amerikanische 500-Milliarden-Projekt zur Förderung neuer KI-Rechenzentren, alt aussehen. Die China-Expertin Hmaidi schreibt dazu: «Der Zeitpunkt [der Veröffentlichung] war sicherlich gut gewählt.»
In den vergangenen Tagen wurde deutlich, dass hohe chinesische Amtsträger direkten Kontakt mit Deepseek suchten. Laut Reuters und anderen Nachrichtenagenturen lud der chinesische Ministerpräsident Li Qiang, der zweitoberste Parteifunktionär, den Deepseek-Gründer Liang zu einem Symposium hinter geschlossenen Türen ein. Stattgefunden hat dieses Treffen genau an dem Tag, an dem Deepseek R1 publiziert wurde.
Geschäftsmodell: Datenkrake
Politischer Einfluss hin oder her, es bleibt die Frage, welches Geschäftsmodell Deepseek verfolgt. Schliesslich verdient die Firma kaum Geld mit ihrem Tool. Sie stellte den Code hinter der KI gratis zum Download zur Verfügung. Für Dienste, die auf dem Deepseek-Server laufen, verrechnet die Firma nur 5 Prozent von dem Preis, den Open AI für eine vergleichbare Leistung in Chat-GPT verlangt.
So liegt die Vermutung nahe, dass Liang ein anderes Ziel verfolgt mit Deepseek: nämlich möglichst viele Daten zu sammeln. Daten, die zum Training neuer KI verwendet werden können. Daten, die China nützen. Und Daten, die auch der Hedge-Fund High-Flyer, der hinter Deepseek steht, für sich beanspruchen kann. Das alles spielt unter Umständen auch Chinas Regierung in die Hände. Sie verfügt dann über eine weitere grosse Datensammlung auf ihrem Territorium, die sie nach Bedarf anzapfen kann.
Marc Benioff, CEO von Salesforce, schreibt auf X: Der wahre Schatz der KI liege in den Daten und Metadaten, «dem Sauerstoff, der das Potenzial der KI antreibt. Der Reichtum der Zukunft? Er liegt in unseren Daten. Daten sind unser neues Gold.»
AI’s true gold isn’t in the UI or model—they’re both commodities. What breathes life into AI is the data & metadata that describes the data to the model—just like oxygen for us. The future’s fortune lies in our data. Yes, Data is the new gold! 💖 https://t.co/sUA25rnYNn
— Marc Benioff (@Benioff) March 4, 2024
Sollte Deepseek also wirklich hinter unseren Daten her sein, wäre es eine clevere Strategie, das Tool möglichst günstig zu verbreiten und sich so einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.
Immerhin, wer Deepseek herunterlädt und auf dem eigenen Rechner betreibt, schickt laut aktuellem Wissensstand der Open-Source-Community keine Daten nach China.
Deepseek als App mag gratis sein, es ist aber nicht kostenlos. Wer die KI nutzt, bezahlt mit persönlichen Daten und hält an der alten Tradition fest: einem Wissenstransfer von Westen nach Osten.