Mehr als ein Dutzend Karrierebeamter im Justizministerium hat kürzlich ein Schreiben des kommissarischen Justizministers erhalten. Die Betreffzeile lautet: „Mitteilung über die Entfernung aus dem Dienst“. James McHenry ist Donald Trumps Mann im „Department of Justice“ bis zur Bestätigung Pam Bondis, seiner Kandidatin für den Ministerposten, durch den Senat. In der Mitteilung kommt McHenry ohne Umschweife aus: „In diesem Schreiben wird Ihnen offiziell mitgeteilt, dass Sie von ihrer Stelle im Justizministerium entfernt werden – mit sofortiger Wirkung.“
Weiter heißt es in dem Schreiben, das die Beamten zu Wochenbeginn erhielten, Präsident Trump habe erklärt, dass das amerikanische Volk Zeuge geworden sei, wie die vorherige Regierung in einer systematischen Kampagne gegen jene Leute vorgegangen sei, die sie als ihre Gegner betrachtet und die Macht mehrerer Strafverfolgungsbehörden als politische Waffe eingesetzt habe. Nirgendwo hätten die Anstrengungen so hervorgestochen wie im Justizministerium, das Präsident Trump selbst energisch verfolgt habe.
Sodann: „Sie haben eine bedeutende Rolle dabei gespielt, Präsident Trump zu verfolgen.“ Das ordnungsgemäße Funktionieren des Staates hänge davon ab, dass Vorgesetzte ihren Untergebenen vertrauten. „Angesichts Ihrer bedeutenden Rolle in der Strafverfolgung von Präsident Trump, glaube ich nicht, dass die Führung des Ministeriums Ihnen trauen kann, bei der getreulichen Umsetzung der Agenda des Präsidenten zu helfen.“ Der Entlassene wird schließlich darüber belehrt, dass er binnen 30 Tagen Widerspruch einlegen könne.
Trump bedient sich beim „Project 2025“
Eines muss man McHenry lassen: Er sucht nicht nach Vorwänden. Die Betroffenen sind frühere Mitarbeiter Jack Smiths, den der damalige Justizminister eingesetzt hatte, um die Ermittlungen gegen Trump wegen Wahlverschwörung im Zusammenhang mit dem 6. Januar 2021 und in der sogenannten Dokumentenaffäre zu leiten. Die Entlassenen sind keine politischen Beamten. Derer gibt es etwa 4000 in jeder Administration. Neue Präsidenten, insbesondere anderer politischer Couleur, können diese austauschen. Das gilt aber nicht für Karrierebeamte.
Trump hatte am Ende seiner ersten Amtszeit versucht, die Zahl der politischen Beamten per Erlass erheblich zu erhöhen, um gegen Regierungsvertreter, die seine Leute als illoyal ausgemacht hatten, vorgehen zu können. Biden hatte die sogenannten „Schedule F“-Posten zu Beginn seiner Amtszeit sogleich wieder abgeschafft. Russell Vought, Trumps Kandidat für den Direktorenposten des „Office of Management and Budget“, der zentralen Haushaltsstelle des Weißen Hauses, hatte aber schon vor Beginn der zweiten Amtszeit Trumps angedeutet, dass er gewillt ist, diese Beamtenklasse wieder einzuführen.
Der Präsident macht damit wahr, was im sogenannten „Project 2025“, an dem Vought beteiligt war, angekündigt worden war. Unter Federführung der erzkonservativen Heritage Foundation war ein Plan erstellt worden, der sicherstellen sollte, dass Trump diesmal gelingt, woran er damals gescheitert war: die Zerschlagung des Verwaltungsstaates, den Trump den „tiefen Staat“ nennt. Nachdem das Projekt im Wahlkampf Gegenwind für die Republikaner erzeugte, distanzierte Trump sich von diesem. Nun werden Teile davon doch als Vorlage für die ersten 100 Amtstage benutzt.
„Was haben sie erwartet?“
Die Operation Vergeltung beschränkt sich nicht auf die Entfernung von unliebsamen Beamten. Trump entzog auch früheren Mitarbeitern, die ihm zwischenzeitlich die Gefolgschaft aufgekündigt hatten, den Personenschutz. Betroffen sind der frühere Generalstabschef Mark Milley, John Bolton, Trumps damaliger Nationaler Sicherheitsberater, und Mike Pompeo, sein zeitweiliger CIA-Direktor und Außenminister. In diesen Fällen liegen den amerikanischen Nachrichtendiensten Erkenntnisse vor, dass sie vom iranischen Regime bedroht werden. Auch ein früherer Mitarbeiter Pompeos verliert seinen Personenschutz. Schließlich muss auch der Mediziner Anthony Fauci, der frühere Präsidentenberater, der wegen seiner Pandemiepolitik von Teilen der Trump-Basis angefeindet wird, ohne Secret-Service-Leute auskommen.
Sodann feuerte Trump dieser Tage auch mehrere Ombudsleute in Bundesbehörden. Die Kontrolleure, die für die Aufdeckung von Verschwendung, Betrug und Missbrauch zuständig sind, wurden per E-Mail vom Direktor für Personalangelegenheiten des Präsidenten benachrichtigt, dass sie mit sofortiger Wirkung entlassen worden seien. Zwar hat der Präsident das Recht, sich von Ombudsleuten zu trennen, die Regierung muss dies aber schriftlich begründen und den Kongress vorher unterrichten – die Frist beträgt 30 Tage. Das geschah nicht. Trump verteidigte sein Vorgehen: Es sei ein sehr üblicher Vorgang, sagte er.
Einer der wenigen „Inspector Generals“, der nicht gefeuert wurde, war jener des Justizministeriums. Ombudsmann Michael Horowitz war nämlich der Verfasser eines Berichts über den früheren FBI-Direktor James Comey, den Trump 2017 gefeuert hatte. In diesem Bericht war die Überwachung von Trumps Wahlkampfteam 2016 aufgrund der Vorwürfe möglicher geheimer Absprachen mit Russland kritisiert worden. Horowitz behalte man, sagte Trump. Der habe seinerzeit einen sehr guten Bericht verfasst.
Der Republikaner Lindsey Graham, Senator aus South Carolina und wichtige Stütze Trumps im Kongress, wurde kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass Trump mit seinem Vorgehen gegen die Ombudsleute gegen das Recht verstoßen habe. „Ja“, sagte Graham, der Präsident hätte den Kongress informieren sollen. Aber er habe die Wahl gewonnen. Was habe man erwartet? Dass er alle Leute auf ihren Posten belässt? Beim nächsten Mal sollte man das Gesetz befolgen.
Denunziation ist offizielle Regierungspolitik
Trump kann sich jedoch nicht aller unliebsamen Personen entledigen. Und so will er diejenigen, die im System verbleiben, mit Druck und Drohungen auf Linie bringen und einem Loyalitätstest unterziehen. Das gilt besonders für die seiner Meinung nach aufgeblähte Verwaltung. Es reichte Trump vergangene Woche nicht, das Ende aller Diversitätsprogramme (DEI) in Bundesbehörden bekanntzugeben. Er verlangte von den Angestellten auch, Kollegen zu melden, sollten diese weiterhin DEI-Angelegenheiten bearbeiten. Wer das nicht tue, müsse mit „nachteiligen Folgen“ rechnen, hieß es in einem Brief der Bundespersonalbehörde, der an Zehntausende Mitarbeiter ging. Man dulde nicht, dass Diversitätsprogramme „durch verschlüsselte oder ungenaue Sprache“ verschleiert oder entsprechende Jobs umgedeutet würden.
Einige Ministerien gingen noch weiter. Im Schreiben des Heimatschutzministeriums etwa hieß es nicht, es könne, sondern „es wird“ Konsequenzen haben, wenn diese Informationen nicht gemeldet würden. Die Angestellten haben insgesamt zehn Tage Zeit, um ihre Beobachtungen an eine spezielle E-Mail-Adresse zu schicken. Kritiker dieses Aufrufs versuchten laut amerikanischen Medien in den vergangenen Tagen, die Adresse etwa durch die massenhafte Anmeldung für Newsletter lahmzulegen.
Einen ähnlichen Protest gab es, als die Trump-Regierung 2018 eine Hotline einrichtete, bei der Amerikaner Migranten ohne Aufenthaltsstatus melden sollten. Doch es dürfte vom Erfolg des Denunziationsaufrufs abhängen, ob die Trump-Regierung sich Ende dieser Woche dazu äußert, wie viele Hinweise tatsächlich eingegangen sind.
Es ist neu, dass diese Form der sozialen Kontrolle nun offizielle Regierungspolitik ist. Doch sie war in den vergangenen Jahren schon populär an der Trump-Basis, gerade im sogenannten Kulturkampf. Schulausschussmitglieder riefen Eltern dazu auf, „verdächtige“ Bücher und Lehrinhalte zu melden, nach dem Ende des allgemeinen Rechts auf Abtreibung gingen Websites online, auf denen „Whistleblower“ illegale Schwangerschaftsabbrüche melden sollten. Und Trump selbst hatte nach seiner Wahlniederlage 2020 eine Hotline aufgesetzt, um Hinweise auf den angeblichen Wahlbetrug zu sammeln.
Drohungen gegen demokratisch regierte Bundesstaaten
Als Präsident dient Trump der Aufruf zur Denunziation in DEI-Angelegenheiten zur Zurschaustellung seines „sofortigen, harten“ Durchgreifens, das er den Amerikanern im Wahlkampf versprochen hatte. Den einen soll es Ausweis seiner Tatkraft, den anderen eine Warnung sein. Ähnlich ist es im Fall der Razzien gegen Migranten ohne Papiere. Auf den Social-Media-Kanälen des Heimatschutzministeriums und der Einwanderungspolizei werden Fotos und Videos von Festnahmen verbreitet: mit Blaulicht, Beamten in schwerer Montur und Festgenommenen in Handschellen. Wie der Sender CNN berichtete, sind die an Razzien beteiligten Behörden dazu aufgerufen, dass die Mitarbeiter ihre Zugehörigkeit für Kameras sichtbar zur Schau tragen. Selbst wenn sie nicht unmittelbar am Zugriff beteiligt sind. Bilder der neuen Heimatschutzministerin Kristi Noem vom Dienstag zeigen sie vor einem Saal von Sicherheitsbeamten in einer Schutzweste der Einwanderungspolizei.
Ungehorsam hat Trump auch im Falle des Vorgehens gegen illegale Migration schon vorgebaut. Am zweiten Tag seiner Präsidentschaft wies die Regierung alle Staatsanwaltschaften des Landes an, gegen jene Beamte zu ermitteln und möglicherweise Anklage zu erheben, die sich nicht an den Massenabschiebungen beteiligen wollen. „Bundesstaatliche und lokale Akteure“ seien dazu verpflichtet, „die Initiativen der Exekutive zur Durchsetzung der Einwanderungsgesetze“ zu unterstützen. Sollten sie dies nicht tun, wird ihnen in dem Memo mit Strafen gedroht, die im Höchstfall mehrere Jahre Freiheitsentzug nach sich zögen.
Diese Drohung richtet sich vor allem gegen von Demokraten regierte Bundesstaaten, Städte und Gemeinden, von denen viele zu verstehen gegeben haben, dass sie sich dem Druck aus Washington nicht beugen werden. In Städten wie Chicago und Los Angeles etwa, die sich zu „Zufluchtsstätten“ für Migranten erklärt haben, dürfen Ressourcen oder Beamte der Stadt nicht bei Einwanderungsmaßnahmen der Bundesregierung eingesetzt werden. Der Polizeichef von Minneapolis warnte jüngst außerdem vor den Folgen für die öffentliche Sicherheit, sollten die Bürgern künftig zögern, die Polizei zu rufen – aus Angst, man werde ihnen die Einwanderungsbehörde auf den Hals hetzen.