In der Krebsforschung verliert Deutschland an Gewicht

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Als Pharmastandort hat sich Deutschland bislang wenig Sorgen machen müssen. Kein Land exportiert so viel an Pharmaprodukten. Ausländische Unternehmen wie Eli Lilly aus den USA, Roche aus der Schweiz oder Sankyo aus Japan investieren in den Standort. Doch die Innovationskraft lässt nach. Darauf weist eine aktuelle Studie des Europäischen Patentamts (EPA) zur Krebsforschung hin, die am Montag, einen Tag vor dem Weltkrebstag, veröffentlicht wird.

Demnach führt Deutschland in Europa mit fast 5400 krebsbezogenen internationalen Patentfamilien, die zwischen 2010 und 2021 veröffentlicht wurden. Das sind gut fünf Prozent der weltweiten Gesamtzahl. Doch die EPA-Studie zeigt, dass Deutschland – und Europa als Ganzes – im Vergleich zu den USA und China Anteile an den Patentanmeldungen in den wachstumsstarken Bereichen der innovativen Krebsbekämpfung verlieren.

Fünf Prozentpunkte weniger

In den drei am schnellsten wachsenden Bereichen der Onkologie büßte Europa durchschnittlich fünf Prozentpunkte ein. Dazu zählt die zelluläre Immuntherapie mit einer Zunahme der Patentanmeldungen zwischen 2015 und 2021 von im Durchschnitt 37,5 Prozent im Jahr. Weitere Wachstumsbereiche sind die Gentherapie (plus 31 Prozent) und die Bildanalyse (plus 20 Prozent).

Positiv ist die Zahl der Start-ups in der Onkologie: Hier weist Europa rund 1500 junge Unternehmensgründungen auf im Vergleich zu 1325 in den USA. Trotz der höchsten Zahl an Start-ups ist EPA-Präsident António Campinos besorgt: „Vor dem Hintergrund des Berichts von Mario Draghi über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit sind die Ergebnisse dieser Studie ein Weckruf für das europäische Innovationssystem in der Onkologie.“

„Europa muss reagieren“

Da sich die Technologien zur Krebsbekämpfung rasch weiterentwickelten und teils unerwartete Richtungen einschlügen, müsse Europa reagieren, um seinen Wettbewerbsvorteil bei Innovationen im Gesundheitswesen zu wahren. „Europas dynamische Onkologie-Start-ups sind zwar ein Lichtblick, aber sie brauchen Investitionen und Unterstützung, um ihre Erfindungen zu skalieren“, fordert Campinos. Deutschland kommt mit 208 krebsbezogenen Start-ups auf den dritten Platz in Europa, hinter Großbritannien mit 290 und Frankreich mit 246.

Deutsche Start-ups stehen der EPA-Studie zufolge vor erheblichen Herausforderungen in der Skalierung ihrer Geschäftstätigkeit: Nur ein Viertel erreiche die späte Wachstumsphase, während sich rund 40 Prozent in der sehr frühen Wachstumsphase und 35 Prozent in der Zwischenphase (Seed Phase) befänden.

Die EPA-Studie stellt hier einen starken Kontrast fest: Während Europa über viele junge Unternehmen in den frühen Wachstumsphasen verfüge, überträfen die USA Europa deutlich, wenn es um die Skalierung in die späte Wachstumsphase gehe. Fast 40 Prozent erreichten dort das fortgeschrittene Stadium.

Öffentliche Forschungseinrichtungen tragen laut der Studie in Deutschland fast 40 Prozent zu den krebsbezogenen Innovationen bei. Damit belegt Deutschland den zweiten Platz in Europa. Zu den führenden deutschen Einrichtungen zählen die Max-Planck-Gesellschaft, die mit 154 Patentfamilien auf dem sechsten Platz liegt.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) fogt mit 152 Patenten auf Platz sieben sowie die Universität Heidelberg mit 137 auf Platz zwölf. Auf EU-Ebene stammte fast die Hälfte aller zwischen 2010 und 2021 eingereichten Patente von Universitäten, öffentlichen Forschungseinrichtungen oder Krankenhäusern.

Auch bei den Chemie- und Pharma-Patenten insgesamt verliert Deutschland an Gewicht: Nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) kamen im Chemie- und Pharmabereich 2022 gut sieben Prozent der weltweiten Patente aus Deutschland. Doch der deutsche Anteil geht seit Jahren zurück. Vor zehn Jahren lag Deutschland mit einem Anteil von 12,5 Prozent noch hinter USA und Japan auf dem dritten Platz. Inzwischen sind China und Südkorea vorbeigezogen. Aus den USA kamen im Jahr 2022 fast 30 Prozent der Patente, aus Japan knapp 18 Prozent, aus China 17,5 Prozent und aus Südkorea 7,6 Prozent.