Das sozialistisch regierte Paris arbeitet weiter daran, das Autofahren in der französischen Hauptstadt noch unattraktiver zu machen. So sollen vom 3. März an verschärfte Nutzungsregeln für die fast durchgängig vierspurige Ringautobahn Boulevard Périphérique sowie Teile der Autobahnen A1 und A13 in der Metropolregion Île-de-France gelten.
Konkret geht es um den linken Fahrstreifen, der schon während der Olympischen Sommerspiele als Sonderspur diente. Künftig soll er dauerhaft zu Stoßzeiten Taxis, Bussen, Notfalldiensten, Fahrern mit Behindertenausweis und Autos mit mindestens zwei Insassen vorbehalten sein.
Als Stoßzeiten definiert das Rathaus die Zeiträume von montags bis freitags von sieben bis 10.20 Uhr sowie von 16 bis 20 Uhr. Eine „weiße Raute“ auf elektronischen Anzeigetafeln soll Verkehrsteilnehmer darauf hinweisen, dass die Sonderspur aktiviert ist. Die Überprüfung erfolgt mit Kameras, die neben Fahrzeugkategorie und Kennzeichen auch die Fahrgäste zählen können.
Verstöße werden vom 1. Mai an mit einem Bußgeld von 135 Euro geahndet. Zuvor soll es eine „pädagogische Phase“ unter Zuhilfenahme von Künstlicher Intelligenz geben: Erkennt diese, dass jemand allein hinterm Steuer sitzt, soll der Fahrer über die Anzeigetafeln zum Spurwechsel aufgefordert werden.
Die Stadt Paris begründet den neuen Vorstoß mit dem Schutz von Umwelt und Klima sowie dem Kampf gegen die Überlastung der Straßen. Durchschnittlich 80 Prozent aller Verkehrsteilnehmer säßen allein in ihrem Fahrzeug. Größere Anreize zur Bildung von Fahrgemeinschaften seien also von sehr großem Nutzen. Die Einführung der reservierten Fahrspur soll den 550.000 Anwohnern der Ringautobahn, den Parisern sowie den Bewohnern der umliegenden Departements ein besseres und gesünderes Leben ermöglichen, schreibt das Rathaus.
Ähnlich hatte es auch bei der Herabsetzung des Tempolimits von 70 auf 50 Kilometer je Stunde auf der Ringautobahn argumentiert. Erste Auswertungen seit der im Oktober in Kraft getretenen Maßnahme signalisieren eine kaum veränderte Luftverschmutzung, dafür aber gesunkene Lärmemissionen und einen Rückgang von Staus und Unfällen.
Wird Paris zu einer „Museumsstadt“?
Dem gegenüber steht der von vielen Pendlern, Handwerkern, Spediteuren und Taxifahrern beklagte Zeitverlust, zumal die elektronischen Anzeigetafeln eine flexible Geschwindigkeitssteuerung ermöglichten, etwa Tempo 70 zu verkehrsarmen Zeiten. Zudem droht sich der Verkehr bloß auf andere Strecken zu verlagern. So war es schon zu beobachten, als aus der Schnellstraße Voie Georges-Pompidou am rechten Pariser Seine-Ufer eine Fußgängerzone wurde.
Einwände wie diese fochten die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo in ihrem Kampf gegen den motorisierten Verkehr bislang nicht an. Einen Großteil der Pariser weiß sie damit hinter sich, doch der Frust vieler Gewerbetreibender wird immer größer. Nachdem das Rathaus im November die ersten vier Stadtbezirke zur verkehrsberuhigten Zonen deklariert hat, in denen künftig kein motorisierter Durchgangsverkehr mehr erlaubt ist, warnen Hoteliers, Gastwirte und Einzelhändler vor katastrophalen Folgen.
„Immer mehr kleine Unternehmen schließen ihre Türen mangels Kunden, weil die Leute nicht mehr nach Paris kommen. Aber da es eine hohe Fluktuation gibt, fällt das nicht auf“, sagte der Chef des Verbands der kleinen und mittleren Unternehmen CPME der Zeitung „Le Figaro“. Er befürchtet, dass Paris zu einer „Museumsstadt“ verkommt.