Das Oberhaupt der muslimischen Ismailiten, Aga Khan, ist nach Angaben der Glaubensgemeinschaft sowie der von ihm gegründeten Einrichtung „Aga Khan Development Network“ im Alter von 88 Jahren verstorben. Karim Al Husseini, wie der Aga Khan mit bürgerlichem Namen hieß, starb demnach am Dienstag in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon im Kreise seiner Familie. Wer ihm als geistlicher Führer nachfolgt, soll demnach noch verkündet werden. Die Nachfolge bestimmt das Testament des Verstorbenen.
Al Husseini war der vierte Aga Khan. Er hatte Führung der Glaubensgemeinschaft 1957 übernommen, als er im Alter von zwanzig Jahren die Nachfolge seines Großvaters antrat. Er war Bürger von Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Portugal. 1964 nahm er für die iranische Mannschaft an den Olympischen Winterspielen in Innsbruck im Skilauf teil. Zudem galt er als einer der reichsten Männer der Welt, war bekannt für einen luxuriösen Lebensstil und seine Vorliebe für Rennpferde. Ein französisches Gericht schätzte sein Vermögen in einem Rechtsstreit über die Abfindung seiner geschiedenen deutschen Frau vor rund 13 Jahren auf „mindestens zehn Milliarden Euro“.
Ismailiten werden oft angefeindet
Der Aga Khan gilt bei den Ismailiten als direkter Nachkomme des Propheten Mohammed. Als liberale Strömung des schiitischen Islams ist die ismailitische Religionsgemeinschaft weltweit verbreitet. Ihre Anhänger leben vor allem in Asien, Afrika und dem Mittleren Osten, aber auch in Europa, Nordamerika und Australien. Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker gibt es etwa 18 Millionen Ismailiten. Da ihre Glaubenslehre beträchtlich vom orthodoxen Islam abweicht, sehen sie sich bis heute Anfeindungen anderer islamischer Gruppierungen ausgesetzt.
Die Glaubensgemeinschaft ist gut organisiert und wirtschaftlich erfolgreich: Erträge kommen zum großen Teil Bildungs- und Entwicklungseinrichtungen zugute. Sie sollen die Ismailiten mit den politischen Ideen der westlichen Welt und deren technischen Entwicklungen vertraut machen und zur wirtschaftlichen Entwicklung in Asien und Afrika beitragen. Der Aga Khan gründete die Entwicklungshilfeorganisation „Aga Khan Development Network“ mit Sitz in Genf. Sie hat eigenen Angaben zufolge 96.000 Mitarbeiter; das Jahresbudget soll gut eine Milliarde Dollar betragen. Ihre Arbeit umfasst verschiedene wohltätige Einrichtungen, etwa im Gesundheits-, Bildungs- und Architekturbereich.
So ist die Aga-Khan-Stiftung seit Jahrzehnten auch in Zentralasien tätig. Mit ihrer Unterstützung wurde zum Beispiel die University of Central Asia gegründet. In Tadschikistan widersetzten sich Anhänger des Aga Khans im Bürgerkrieg Regierungstruppen. Von den dortigen Behörden werden die Ismailiten regelmäßig unter Druck gesetzt: Grundstücke des Aga Khans wurden beschlagnahmt, Einrichtungen der Stiftung verstaatlicht, Anhängern wird das gemeinsame Gebet zu Hause untersagt.