Was Donald Trumps Gesundheitsstrategie für Pandemien bedeutet

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Sie erforschen seit Jahren, wie es dazu kommt, dass Tierviren auf Menschen überspringen – und sich dann entweder totlaufen oder aber zu einer Epidemie oder gar Pandemie führen können. Wie gefährlich ist die Situation, die wir gerade bei der Vogelgrippe sehen?

Das Virus H5N1 ist sehr gefährlich für Vögel, viele sind in den vergangenen Jahren verendet. Es hat zudem das Potential, auf Säugetiere überzuspringen. Wir haben es bei Füchsen, Mardern, Seehunden, aber auch bei Nutz- und Haustieren wie Nerzen und Katzen beobachtet. Katzen sind sehr empfindlich und sterben schnell daran. Zuletzt kam es außerdem zu massiven Ausbrüchen bei Rindern in den USA. Das ist neu, in Experimenten waren Rinder zuvor nie für Grippeviren empfänglich gewesen. Neu ist auch, dass es wohl Übertragungen zwischen den Säugetieren gab, bei den Nerzen ist das gesichert, und bei Seelöwen in Patagonien scheint das ebenfalls passiert zu sein.

Die USA wurden von Experten stark für ihr schlechtes Management kritisiert. Zunächst wurde die Milch gar nicht, dann nur lückenhaft getestet. Farmmitarbeiter wurden weder mit Schutzausrüstung versorgt noch standardisiert auf das Virus getestet. Mittlerweile ist H5N1 in Rinderhaltungen in praktisch allen Bundesstaaten nachgewiesen – hätte man das verhindern können?

Wie anfangs mit H5N1 in den USA umgegangen wurde, entspricht überhaupt nicht dem, wie man sich in Europa und Deutschland verhalten hätte bei so einem Fund. Veterinärbehörden und Amtstierärzte haben in den USA viel weniger Möglichkeiten, durchzugreifen. In Europa kann man nachvollziehen, wo, in welchen Betrieben ein einzelnes Tier im Laufe seines Lebens war, es hat eine Erkennungsnummer. In den USA ist das nicht so einfach. Zudem stehen die Rechte des Farmbesitzers über denen der Veterinärbehörden. Da sich das Virus offenbar ausschließlich im Euter vermehrt und über die Milch verbreitet, hätte man das Virus anfangs vermutlich in den Ställen eindämmen können. Inzwischen ist es so weit verbreitet, dass es dazu zu spät ist. Es wurde auch gehofft, dass das Virus von selbst ausbrennen würde – aber es kommen ja immer neue, junge Milchkühe hinzu. Eindämmen oder die Hoffnung auf ein Ausbrennen funktionieren nicht mehr.

Sind die Milchkühe denn überhaupt ein Problem? Die Infektionen, die nach dem Kontakt mit Milch bekannt geworden sind, sind sehr mild verlaufen.

Bisher ist bei 40 infizierten Menschen eine Verbindung zu Rindern dokumentiert. Allerdings ist die Dunkelziffer wegen der Milde der Symptome wahrscheinlich viel höher. In einer Studie bei Arbeitern auf Milchfarmen hat man sogar bei sieben Prozent Antikörper im Blut nachgewiesen, das ist viel. Und jetzt darf die amerikanische Seuchenbehörde CDC nichts mehr veröffentlichen – die USA werden zu einer Blackbox.

Aber wenn die Kuhvariante doch niemanden ernsthaft krank macht …

… dann ist das Risiko nicht gebannt. Dieses Virus müsste zwar erst noch einige Hürden nehmen, um zu einem pandemischen Virus zu werden. Aber je ungehemmter sich das Virus verbreiten kann, umso größer ist die Gefahr, dass es sich zu unseren Ungunsten verändert. Die beobachteten milden Verläufe bei den Fällen von den Farmen passen zudem überhaupt nicht zu den historischen Daten: Für H5N1 ist eigentlich eine Fallsterblichkeit von 50 Prozent beschrieben.

Zeit ist ein kritischer Faktor in einer Pandemie.
Zeit ist ein kritischer Faktor in einer Pandemie.Picture Alliance

Sie beziehen sich auf Daten vor allem aus China und Südostasien, wo in der Vergangenheit etwa die Hälfte der infizierten Menschen schwer erkrankte und starb.

Ja. Im aktuellen Geschehen in Nordamerika sind nur zwei Personen schwer erkrankt, eine davon ist gestorben. Bei beiden wurde die Viruslinie gefunden, die in Wildvögeln kursiert, nicht die aus den Kühen. Bei einem der beiden Fälle gab es nachgewiesenen Kontakt zu erkranktem Geflügel – also das typische Szenario, wie wir Infektionen mit H5N1 schon seit Jahrzehnten kennen. Aber der zweite Fall ist schwierig einzuordnen. Denn der Infektionsweg bei einer jungen Patientin in Kanada ist nicht nachvollziehbar. Das Mädchen kann sich nicht erinnern, Kontakt zu Vögeln gehabt zu haben.

Bei den Infektionen im Zusammenhang mit Rindern scheint der Infektionsweg eine wichtige Rolle zu spielen.

Vor Kurzem haben Forscher in den USA Infektionsversuche an Makaken mit dem Rindervirus durchgeführt. Die, die das Virus oral verabreicht bekommen haben, haben Antikörper entwickelt, sind aber nicht krank geworden. Die, die es über die Nase aufgenommen haben, haben eine milde Infektion bekommen. Und die, die es über die Luftröhre aufgenommen haben, wurden schwer krank – ganz so, wie man es von den historischen Fallberichten zu H5N1 eigentlich kennt. Diese Laborversuche sind für mich ein wichtiger Hinweis dafür, dass die Viruslinie, die bei Rindern vorkommt, nicht per se harmlos ist. Es gibt also keinen Grund, aufzuatmen.

Die Eintrittspforte für das Virus kann also entscheidend sein?

Genau. Und natürlich ist auch wichtig, wer sich infiziert. Wenn das Virus über die Milch tendenziell junge, gesunde Farmmitarbeiter infiziert, wird es vielleicht milder erscheinen, als wenn es jemanden mit Vorerkrankungen erwischt.

Vogelgrippe in Mutzschen: Sobald das Virus in Beständen nachgewiesen wird, wird das Geflügel gekeult.
Vogelgrippe in Mutzschen: Sobald das Virus in Beständen nachgewiesen wird, wird das Geflügel gekeult.Picture-Alliance

Experten konnten nachweisen, dass sich das Virus in den schwer erkrankten Patienten in den USA und Kanada vermehrt hat. Was bedeutet das?

Es zeigt, dass der Mensch ein potentieller Wirt ist, das Virus aber noch nicht fit genug ist, um weiter übertragen zu werden. Es ist im Moment nicht in der Lage, von Mensch zu Mensch übertragen zu werden.

Ist es ein Problem, dass Präsident Donald Trump die Erhebung und Weitergabe von Gesundheitsdaten untersagt hat?

Ich glaube, dass dieser Datenstopp eine große Gefahr darstellt. Gerade läuft eine heftige Influenzawelle in den USA, Viren vom Typ H1N1 und H3N2 kursieren. Und wahrscheinlich gibt es gleichzeitig weiterhin unentdeckte Infektionen mit H5N1 beim Menschen. Wir wissen, dass Influenzaviren häufig Gensequenzen untereinander austauschen. Wenn nun in einer Zelle zwei Influenzatypen zusammentreffen, können Linien mit neuen Eigenschaften entstehen. Ein solcher Genmix war in der Vergangenheit der entscheidende Schritt für den Beginn von Influenzapandemien. Wir müssen es also genau überwachen und schnell bemerken, wenn so was passiert.

H5N1 kursiert nun bald ein Jahr in Rindern in den USA, und bislang ist kein Pandemievirus entstanden …

Das stimmt, aber dennoch haben wir aktuell eine neue Situation: Das Virus wurde im März 2024 erstmals in Rindern nachgewiesen – zu diesem Zeitpunkt war die saisonale Grippe in den Vereinigten Staaten bereits abgeflaut. In diesem Jahr aber kommt es zum Aufeinandertreffen der saisonalen Influenza und wahrscheinlich unerkannten menschlichen Fällen von Vogelgrippe. Die Anzahl der Möglichkeiten für einen Mix ist in diesem Jahr also wesentlich höher.

Wie gut ist die Welt auf eine H5N1-Pandemie vorbereitet?

Wenn H5N1 wirklich den Sprung schafft, sich leicht von Mensch zu Mensch zu verbreiten, gibt es möglicherweise sehr schnell eine Notfallsituation – und im Moment ist es wahrscheinlich, dass sie von den USA ausgeht. Kritisch ist, dass wir von dort nun wahrscheinlich kein frühes Signal erwarten können, also beispielsweise den Bericht über einen Cluster an Infektionen oder die Beschreibung einer Infektionskette innerhalb einer Familie. Solche Fallbeschreibungen sind aber wichtig, da sie der Welt einen Zeitvorsprung verschaffen. Wir könnten schnell Testprotokolle in den Laboren ausrollen, die das Virus nachweisen. Wir könnten Schnelltests entwickeln, für Einreisende, Patienten, Klinikmitarbeiter. Wir könnten die Diagnostik hochfahren, bevor sich das Virus in der ganzen Welt verbreitet. Doch wenn in den USA keine Daten mehr erhoben werden oder sie nicht mehr weitergegeben werden dürfen, dann geht wertvolle Zeit verloren.

Die amerikanische Seuchenbehörde CDC darf nach dem Regierungswechsel auch nicht mehr mit der Weltgesundheitsorganisation kommunizieren.

Das ist ein weiteres großes Problem. In der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig es ist, dass internationale Experten ihre Kompetenz zusammenwerfen und sich austauschen. Bei den CDC arbeiten extrem gute Wissenschaftler, fällt ihre Expertise weg, ist das für die ganze Welt ein Problem. Wir haben im April ein Symposium geplant, zu dem auch Kollegen aus den USA eingeladen sind – aber niemand weiß, ob sie kommen können. Dass sie zu den Treffen der WHO nicht mehr kommen dürfen, ist absehbar.

Vogelgrippeexperten blicken derzeit gebannt nach Nordamerika. Aber könnten die entscheidenden Veränderungen des Virus nicht genauso gut in Europa oder in Asien passieren?

Ja, theoretisch könnte es überall passieren. Der Unterschied zu den USA ist aber, dass H5N1 in Asien und Europa schon länger bekannt ist und es über Jahrzehnte nur wenig Veränderung in der Ausbreitungsdynamik gab. In Nordamerika ist das anders, da kam H5N1 bis vor wenigen Jahren nicht vor, weder bei Vögeln oder einheimischen Säugetieren noch bei Menschen. Und mit den Rindern hat das Virus zudem eine völlig neue Wirtspopulation erreicht. Was das bedeutet, verdeutlichen die Infektionszahlen aus dem vergangenen Jahr: In 2024 gab es außerhalb der USA 14 Vogelgrippeinfektionen bei Menschen: in Kambodscha, Vietnam, China, Australien und Kanada. In den USA waren es 66 dokumentierte Infektionen im selben Zeitraum.

Die USA sind also gerade der Hotspot der Virusevolution?

Ja, es scheint, alles, was an Neuem, Unbekanntem mit diesem Virus passiert, passiert gerade dort. Und dass dort etwas passiert, wurde vor wenigen Tagen erneut gezeigt: Man hat nun auch H5N9, ein weiteres Vogelgrippevirus, auf einer Geflügelfarm gefunden. Auch dieses Virus hat erst mal kein pandemisches Potential – aber es wurde spekuliert, dass es durch den Austausch von H5N1-Erbgut mit anderen Viren entstanden ist.

Wie gut sind die Überwachungsstrukturen in Europa und Asien?

Rinder und ihre Milch werden gut überwacht, das ist auch im Interesse der Milchbauern – denn mit Vogelgrippe infizierte Kühe geben deutlich weniger Milch. Handel mit lebenden Milchkühen aus den USA gibt es in Europa nicht. Übersehen würden wir Infektionen bei heimischen Kühen wohl nicht – und mit großer Wahrscheinlichkeit würde man sofort handeln und einen solchen Ausbruch zum Erliegen bringen.

Wie sieht es mit Infektionen bei Menschen aus?

Es gibt eine recht gut funktionierende Influenzaüberwachung für die saisonale Grippe in Deutschland und auch hier in der Schweiz. Proben aus Sentinelpraxen werden regelmäßig auf 15 verschiedene respiratorische Viren hin untersucht. Und wenn man ein Influenza-A-Virus findet, das nicht zu den beiden saisonalen Typen H1 oder H3 gehört, kann man weitere Spezialdiagnostik durchführen.

Wird das normalerweise gemacht?

Nicht alle Diagnostiktests unterscheiden zwischen H1 und H3, manche zeigen auch nur an, dass es Influenza A ist. Dann würde man ein Virus, das nicht zu der saisonalen Grippe gehört, erst mal gar nicht erkennen. Da H5N1 aber nicht im Menschen zirkuliert und das Risiko für die allgemeine Bevölkerung weiterhin gering ist, ist das gerade in Europa unkritisch. Das würde sich aber schlagartig ändern, wenn wir plötzlich Mensch-zu-Mensch-Ansteckung beobachten würden. Dann bräuchte es sofort spezifische H5N1-Diagnostik, die aber aktuell in Routine-Laboren nicht etabliert ist.

Hilft das Abwassermonitoring?

Das ist in vielen Ländern eine der Errungenschaften der Pandemie – aber um humane H5N1-Zirkulation im Abwasser nachzuweisen, müsste das Virus schon deutlich in der Bevölkerung kursieren. Einzelne Fälle wird man hier nicht entdecken, dafür braucht es die gute Überwachung in den Kliniken.

Müssten wir die Impfstoffentwicklung verstärken?

Im Fall von Influenza gibt es ja Impfstoffe, die im Fall einer Pandemie angepasst werden können. Da sie auf Hühnereiern basieren, kostet das aber Zeit. Man würde aber wohl auch versuchen, andere Impfstoffplattformen aufzubauen, also beispielsweise für mRNA-Vakzine.

Müssten die Länder nicht, wie es Großbritannien bereits tut, Impfstoffdosen einlagern?

Das ist ein Weg, aber niemand weiß, ob und wann man diese Impfstoffe brauchen wird. Im Moment ist H5N1 noch weit weg davon, pandemisch zu werden. Es ist schon gut, sich vorzubereiten, aber es ist auch gut möglich, dass man den Impfstoff im Falle einer Pandemie an das dann zirkulierende Virus weiter anpassen muss. Auch die gerechte globale Verteilung von Impfstoffen ist hier ein Aspekt, den man nicht vergessen sollte.

Wie nah stehen wir vor einer Influenza-Pandemie?

Das Virus kann in einem Monat die Eigenschaft erworben haben, sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten – es kann aber auch noch zwei oder zehn Jahre dauern. Vielleicht passiert es nie, das kann niemand vorhersagen.

Anders als im Fall von SARS-CoV-2, dem Virus, das praktisch aus dem Nichts in die Welt kam, beobachten Experten H5N1 seit Jahren. Wie gut sind wir vorbereitet?

Wir sind nicht gut vorbereitet, und mit dem Ausscheiden der USA aus der WHO noch einmal schlechter. Und man sollte nicht vergessen, dass das auch für die anderen gefährlichen Viren gilt: Ebola, Marburg, Mpox. Die politische Weltlage hat die globale Virengefahr erhöht. Und die starke Zunahme von Misinformationen wird eine globale Koordination umso mehr erschweren. Um besser gewappnet zu sein, muss weltweit, auch in Ländern wie Deutschland und der Schweiz, der One-Health-Ansatz verbessert werden: Die Gesundheit von Tieren und unserer Umwelt ist der Schlüssel zur Risikoreduktion neuer Viren.

Isabella Eckerle ist Virologin und Ko-Leiterin des Zentrums für Neuartige Viruserkrankungen in Genf. Sie beschäftigt sich dort unter anderem mit der Risikobewertung neuartiger Viren.