PwC-Studie: Baubranche erstarrt im Umbruch

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Wie sehr der Hochbau in der Krise steckt, zeigt der Blick auf die Zahlen der Baugenehmigungen. In der Tabelle des statistischen Bundesamtes geht es länger nach unten, bis kein Minus mehr vor den Prozentzahlen steht. Zuletzt gab es im Dezember 2021 mehr Genehmigungen als im Vorjahresmonat – mit einem Anstieg um 6,4 Prozent. Im Jahr davor verordneten Regierungen Lockdowns und bremsten die Wirtschaft, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Da ist lange her. Seither werden immer weniger Baumaßnahmen genehmigt. Das hängt mit vielem zusammen: auch mit den gestiegenen Zinsen, den durcheinandergebrachten Lieferketten wegen der Corona-Lockdowns und des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sowie Nachfrageschwankungen wie im Bürobereich. Immerhin die Zinsen sinken seit Sommer vergangenen Jahres wieder und Schwierigkeiten mit Lieferketten scheinen sich zu lösen. Mehrere Male im vergangenen Jahr sanken die Baugenehmigungen nur noch im einstelligen Prozentbereich. Im November war es immer noch ein Rückgang um 5,4 Prozent.

Werden die Zeiten für die Baubranche nun besser? Eine neue Studie der Beratungsgesellschaft PwC Deutschland lässt wenig Raum für Hoffnung. Eher sehen die Autoren, dass sich die Schwierigkeiten verschärfen und die Herausforderungen nicht weniger werden. Von hundert befragten Bauunternehmen und Planungsbüros berichteten 69 Prozent von Umsatzeinbrüchen und verschobenen Projekten im vergangenen Jahr. Als größte Hürde beschreiben die Autoren den hohen Kostendruck auf die Branche. Gestiegene Zinsen, Inflation, konjunkturelle Schwäche, Fachkräftemangel: Bauen ist wegen all diesen Faktoren teurer geworden. Deswegen sie die Digitalisierung der größte Hebel, um die Kosten der Bauunternehmen zu senken.

Potential und Fähigkeiten klaffen auseinander

Rebekka Berbner, Partnerin der Beratungsgesellschaft und Mitautorin des Berichts, sieht allerdings, dass es diesen Hebel seit Jahren gebe, aber dieser kaum betätigt wird. „Wir sind jedes Mal, wenn wir die Ergebnisse der Befragung bekommen, erstaunt, wie die Lücke zwischen dem Potential und der Fähigkeit auseinandergeht, wie die Lücke zwischen dem Potential und der Fähigkeit auseinandergeht“, sagte sie im Gespräch mit der F.A.Z. Der Befragung zufolge sehen Bauunternehmen zunehmend Potential in digitalen Technologien wie zum Beispiel für die Simulation und Visualisierung sowie im Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).

Offenbar stagniert der Wille oder steigt zumindest nicht, die Technologien tatsächlich zu nutzen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das von Bauunternehmern wahrgenommene Potential in Simulationen und Visualisierungen um zehn Prozentpunkte. Die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten mit der Technologie als „stark“ stagnierte dagegen. Besonders groß ist der Unterschied im Falle von KI-Anwendungen: Das wahrgenommene Potential stieg um 18 Prozentpunkte, die Fähigkeiten um vier. „Auch die Nachfrage nach Digitalisierungslösungen in Ausschreibungen nimmt nicht zu“, sagt Berbner über Bauherren, die ebenso wenig Druck zur Innovation auf die Branche ausüben. Seit 2021 nahm die Nachfrage sogar ab. Waren es damals noch 32 Prozent der Ausschreibungen, die digitale Lösungen verlangten, waren es 2024 noch 17 Prozent.

Neuausrichtung im Rahmen der Möglichkeiten

In der Studie wird gemutmaßt, dass „Geld, Mut und Expertise“ für die nötigen Investitionen in digitale Lösungen fehlen. Gerade letzteres wird aber zunehmend schwieriger. Entweder muss das Wissen den eigenen Mitarbeitern antrainiert werden oder es braucht neue Fachkräfte. Zwar halten weniger Unternehmen die Suche nach Mitarbeitern mit Digitalkenntnissen für schwierig als noch 2022. In der aktuellen Befragung steht dies aber noch immer 82 Prozent an der Spitze der Probleme im Digitalbereich.

Der Fachkräftemangel über alle Tätigkeitsbereiche treibt 81 Prozent der Unternehmen um. Dabei erwarten sie in den kommenden Jahren, dass sie sich stark an neue Gegebenheiten anpassen müssen, wofür Fachkräfte eigentlich notwendig wären. 70 Prozent erwarten, dass sie bald neue Geschäftsmodelle finden müssen, immerhin 60 Prozent denken, dass es eine Neuausrichtung ihrer Unternehmen braucht.

Berbner sagt, dass diese Neuausrichtungen wohl im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten der Unternehmen stattfinden werden müssen: „Eine Hypothese ist, dass sich Marktteilnehmer nach dem Bereich ausrichten, der besser dasteht. Aber Unternehmen werden wahrscheinlich keine neuen Gewerke aufmachen, wenn sie nicht schon Expertise und Ressourcen in einem Bereich haben.“

Scheinbarer Widerspruch im Wunsch nach mehr Regeln bei gleichzeitig überbordender Bürokratie?

Seien schon Baumaschinen vorhanden und das Unternehmen ist vornehmlich im Hochbau aktiv, werde man sich ansehen, ob man nicht auch im Tiefbau oder für Infrastruktur damit arbeiten kann. Immerhin: Mit der Eliminierung bestehender Geschäftsmodelle rechnen nur 26 Prozent der Befragten.

Was die Unternehmen offenbar weniger umtreibt, ist die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards – zumindest aus dem Grund, um Treibhausgasemissionen zu mindern. Das nennen nur 41 Prozent als Antrieb. 70 Prozent der Unternehmen nennen als größten Antrieb zur Umsetzung gesetzliche Vorgaben. Stabile regulatorische Rahmenbedingungen in der Bundespolitik für diesen Bereich wünschen sich 73 Prozent. Gleichzeitig nennen 68 Prozent die Vorgaben als größtes Hindernis für die Umsetzung. Berbner sieht einen möglichen Widerspruch im Wunsch nach weniger Bürokratie und verlässlicheren Regeln für nachhaltiges Handeln. „Ich deute das so, dass die Industrie ihre Verantwortung annimmt und stabile Leitplanken wünscht, für die Umsetzung aber nicht die Bürokratie des deutschen Staates in ihrer vollen Gänze benötigt.“ Auch damit bleibt abzuwarten, wann die Zahl der Baugenehmigungen wieder steigt – und die Unternehmen wieder Aufwind bekommt.