Bonobo-Affen können sich in andere hineinversetzen

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Stand: 06.02.2025 15:16 Uhr

Können nur wir Menschen uns in andere hineinversetzen – oder machen das auch Tiere? In der Forschung ist das umstritten. Eine Studie mit Bonobo-Affen liefert nun einen neuen Hinweis.

Um zu verstehen, wie andere die Welt sehen, hilft es, uns in die Gedanken und Gefühle unseres Gegenübers hineinzuversetzen – ein wichtiger Grundstein unseres menschlichen Zusammenlebens. Es gibt Hinweise, dass diese Fähigkeit auch im Tierreich vertreten ist, vor allem bei unseren nächsten Verwandten: den Menschenaffen.

Das zu beweisen ist allerdings schwierig, denn Affen kommunizieren ganz anders als wir Menschen. Ein Forschungsteam der Johns-Hopkins-Universität in den USA hat jetzt einen neuen Versuch gestartet und konnte zeigen: Bonobo-Affen scheinen zu erkennen, wenn ihr Gegenüber etwas nicht weiß und passen ihr Verhalten entsprechend an.

Affen sollten in einem Spiel mit Menschen kooperieren

Der Versuchsaufbau war dabei so einfach wie möglich gehalten. In einem Video, das das Forschungsteam veröffentlicht hat, sitzt der Studienautor Luke Townrow einem 25 Jahre alten Bonobo-Männchen gegenüber. Zwischen den beiden stehen drei umgedrehte Becher auf einem Tisch, unter einem davon befindet sich eine Weintraube. Zuvor hatten die Affen gelernt, dass sie die Traube nur dann bekommen, wenn ihr menschlicher Spielpartner den richtigen Becher aufdeckt.

Nun testete das Forschungsteam zwei Szenarien: Im einen konnte der Spielpartner sehen, wo die Weintraube versteckt wurde, im anderen nicht. Am Verhalten der Affen ließ sich schließlich ablesen, ob ihnen bewusst war, was ihr Spielpartner über das Versteck der Weintraube wusste, beschreibt Townrow.

“Wenn Bonobos verstehen können, ob ich etwas weiß oder nicht, dann erwarten wir, dass sie ihre Kommunikation entsprechend anpassen”, erklärt der Kognitionsforscher. “Und genau das war das Ergebnis. Nämlich, dass sie häufiger und schneller auf das versteckte Essen zeigten, wenn ich nicht wusste, wo es sich befindet.” Wenn Townrow das Versteck der Weintraube sehen konnte, kooperierten die Affen dagegen weniger mit ihm.

Was Mensch und Affe unterscheidet

Bonobos zählen zu den nächsten lebenden Verwandten von uns Menschen. Das Ziel der Studie war unter anderem, zu untersuchen, welche Fähigkeiten uns Menschen einzigartig machen. Die Bonobo-Männchen Kanzi, Teco und Nyota konnten sich im Versuch gleich zwei Dinge merken: einmal, wo die Weintraube versteckt ist und ob ihr Spielpartner das Versteck sehen konnte oder nicht – ein Hinweis darauf, dass zumindest diese Fähigkeit nicht einzigartig menschlich ist.

Anders verhält sich das bei anderen, fortgeschritteneren Formen der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Diese wird in zwei verschiedene Stufen eingeteilt, erklärt Daniel Haun, Professor für vergleichende Kulturpsychologie an der Uni Leipzig. “Das eine ist ein Verständnis davon, was andere wissen oder nicht wissen. Das ist etwas einfacher”, so der Experte. “Etwas schwieriger wird es dann, wenn man verstehen soll, was andere glauben oder nicht glauben, also wenn sie möglicherweise fälschliche Annahmen über die Welt haben. Und dazu gehört auch, was andere vielleicht wollen oder nicht wollen.”

An dieser schwierigeren Stufe forscht Haun mit seinem Team am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Sie konnten in einem Versuch bereits zeigen: Kinder können die Vorliebe einer anderen Person für ein bestimmtes Nahrungsmittel erkennen und entsprechend handeln – Affen nicht.

Fähigkeiten von Tieren sind schwierig zu erforschen

In der Psychologie wird die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, als Theory of Mind bezeichnet. Sie bei Tieren zu erforschen, erfordert jedoch auch immer eine geeignete Versuchsanordnung. Dabei hat jedes Experiment eigene Stärken und Schwächen. Daniel Haun lobt an der neuen Studie den unkomplizierten Aufbau des Spiels, da es für die Affen einfach zu verstehen sei: “Es ist immer eine Herausforderung, die Frage, die einen interessiert, so zu stellen, dass sie für andere Lebewesen, in dem Fall Bonobos, intuitiv verständlich oder zugänglich ist.”

Ein Nachteil des Spiels sei dagegen, dass nur drei Affen untersucht werden konnten. Denn die Voraussetzung war, dass sie mit der Geste, auf etwas zu zeigen, vertraut sind. Bonobos in freier Wildbahn sind das nicht. Hier brauche es wieder andere Untersuchungsmethoden.

Ein anderes Studiendesign könnte jedoch auch zu einem anderen Ergebnis führen, da dieses durch die Versuchsbedingungen und die Zahl der untersuchten Tiere beeinflusst wird. So könnte die Frage, inwieweit Affen sich tatsächlich in andere Lebewesen hineinversetzen können, weiter ungeklärt bleiben. Das stört Luke Townrow aber nicht: “Das Hin und Her wird es immer geben. Für mich ist es das, was Wissenschaft so spannend macht und warum es die Mühe wert ist.”

Um sich ein möglichst vollständiges Bild davon zu verschaffen, was uns Menschen einzigartig macht, braucht es also noch weitere Studien. Was genau im Kopf der Bonobos vor sich geht, wird jedoch ihr Geheimnis bleiben.