Schon vor dem Ukrainekrieg haben Militärs eindringlich davor gewarnt, dass seit 1990 die Fähigkeit verloren gegangen sei, Truppen und Material schnell durch Europa zu verlegen. Bei Manövern blieben Panzer in Tunneln stecken. Konvois mussten riesige Umwege fahren, weil Straßen nicht für schweres Gerät zugelassen waren. Der damalige Kommandeur der US-Landstreitkräfte in Europa Ben Hodges forderte schon 2017 ein „militärisches Schengen“. Ein Jahr später schrieb die EU-Kommission einen ersten Aktionsplan, den sie 2022 aktualisierte. Inzwischen standen erstmals 1,7 Milliarden Euro im EU-Finanzrahmen für die Verbesserung der militärischen Mobilität zur Verfügung. Das Geld war schnell verplant – doch oft für die falschen Projekte.
Das zeigt ein neuer Bericht des EU-Rechnungshofs. Die Prüfer haben sieben Staaten unter die Lupe genommen: Deutschland, Estland, Griechenland, Litauen, die Niederlande, Polen und Portugal. Der Schwerpunkt lag, wie bei der Auswahl der Projekte, auf dem Korridor für die Verlegung von West nach Ost. Von Brüssel gefördert wurde Infrastruktur, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden kann. Allerdings entwickelte die EU-Kommission dafür ein Punktesystem, das die militärische Relevanz kaum berücksichtigte.
Deshalb seien Vorhaben „auf Einzelfallbasis“ und „ohne Blick auf die Gesamtlage“ ausgewählt worden, urteilt der Rechnungshof. Zum Beispiel sei der letzte Abschnitt einer der aus militärischer Sicht wichtigsten Straße die Förderung verwehrt worden, obwohl drei vorherige Abschnitte aus anderen Mitteln mitfinanziert worden waren. In einem anderen Fall könne schweres militärisches Gerät nicht auf eine Militärbasis in einem anderen Mitgliedstaat gebracht werden, weil eine Brücke nur für leichten Verkehr zugelassen sei.
Erst 2028 wird es einen neuen Finanzrahmen geben
Die Nachfrage nach EU-Unterstützung war groß – so groß, dass alle Mittel schon Ende 2023 vergeben waren. Ursprünglich hatte die EU-Kommission 5,8 Milliarden Euro für militärische Mobilität beantragt, doch strichen die Staaten das in ihren Finanzverhandlungen radikal zusammen. Die Folge: Vier Jahre lang steht nun überhaupt kein Geld mehr zur Verfügung, um diese politische Priorität zu untermauern. Erst 2028 wird es einen neuen Finanzrahmen geben, der noch ausgehandelt werden muss.
Im Aktionsplan von 2022 waren die Staaten auch aufgefordert worden, militärische Konvois an den Binnengrenzen in drei bis fünf Werktagen abzufertigen. Die Prüfer kamen zu dem Schluss, dass „nicht alle“ der geprüften Staaten den Zielwert erreicht hätten. Hier lägen „Probleme hinsichtlich des Fortschritts“ vor, heißt es etwas verklausuliert.
Einige Staaten hätten argumentiert, dass sie die Zielvorgabe ohnehin nur während des Ukrainekriegs für gültig hielten. Ein Staat verlange sogar, dass ihm grenzüberschreitende Bewegungen 45 Tage im Voraus angemeldet werden müssten, kann man in dem Bericht lesen. Keinerlei Fortschritte gebe es bei der seit Langem geplanten Digitalisierung des Vordrucks 302 für grenzüberschreitende Bewegungen militärischer Güter.