Wie verstrickt sie bei Geld, Ideen und Personal sind

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Die Vorarlberger FPÖ hat sich beeilt zu erklären, dass die Millionenspende an die AfD nicht von ihr stammte. Wohl aber kommt der Spender aus ihren Reihen. Gerhard Dingler war bis vor einigen Jahren Landesgeschäftsführer der FPÖ im Vorarlberg, Mitglied der rechten Partei in Österreich ist er noch immer.

Eine Sachspende im Wert von rund 2,35 Millionen Euro hat er der AfD geleistet, investiert werden soll das Geld in 6400 Plakate für den Bundestagswahlkampf. Als Motiv für seine großzügige Gabe, angeblich aus seinem Privatvermögen, gab er in einer Erklärung an, die AfD sei die einzige Partei in Deutschland, die sich glaubhaft für Frieden einsetze.

Ideologisch stehen sich die FPÖ und die AfD in vielen Fragen nahe. Das gilt für die Ablehnung europäischer Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg, für die Kritik an den EU-Sanktionen gegen Russland und generell für die Gegnerschaft zur EU in ihrer gegenwärtigen Form. Auch in den Forderungen nach radikaler Einschränkung von Migration, möglichst ihrer Rückabwicklung, gibt es Gemeinsamkeiten. Wobei die FPÖ hier im Unterschied zur AfD von Anfang an keine Scheu vor dem Begriff der „Remigration“ gezeigt hat.

Die Nazi-Vergangenheit der FPÖ störte lange niemand

So ähnlich die beiden Parteien sich ideologisch sind, so unterschiedlich ist ihre Verankerung im politischen Gefüge der jeweiligen Länder. Die AfD ist gut ein Jahrzehnt alt, hat auf keiner Ebene Regierungserfahrung und wird nach wie vor von allen anderen Parteien gemieden.

Ganz anders bei der FPÖ. Seit 1956 gibt es sie, Berührungsängste hatten die anderen Parteien praktisch von Anfang an nicht; dabei wurde die FPÖ bis 1978 von schwer belasteten früheren Nationalsozialisten geführt. SPÖ und ÖVP koalierten mit den Freiheitlichen als Juniorpartner. Jetzt verhandeln ÖVP und FPÖ über eine dritte gemeinsame Regierung. Diesmal aber soll die FPÖ mit ihrem Vorsitzenden Herbert Kickl die Kanzlerpartei sein.

AfD und FPÖ sitzen auch nicht in einer Fraktion im Europäischen Parlament. Das liegt allerdings nicht an den beiden, sondern daran, dass Marine Le Pens Rassemblement National die AfD aus der Fraktion der „Patrioten“ rausgeworfen hat. Die FPÖ habe sich als Fürsprecher der AfD dagegen einsetzt, heißt es. Gereicht hat es am Ende nicht.

Die Zusammenarbeit ist trotzdem eng: Die Abgeordneten tauschten sich über Sachfragen aus, träfen sich auf einen Kaffee. So erzählt es Daniel Tapp. Er ist der Sprecher der AfD-Ko-Vorsitzenden und Kanzlerkandidatin Alice Weidel, einer ihrer engeren Vertrauten und selbst eng mit Österreich verbunden. Er hat viele Jahre dort gelebt, vor seiner Anstellung bei Weidel 2017 hat er für die frühere FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz gearbeitet.

Zum Büro von Kickl pflegt er gute Verbindungen: „Bei den größeren Linien ist man im regelmäßigen Austausch“, sagt Tapp. Jede Woche mindestens habe er Kontakt zur FPÖ. Das beschränke sich nicht auf PR-Termine, der Austausch finde auch auf einer Arbeitsebene statt.

Kickl und Weidel suchen Nähe wie Petry und Strache

PR ist aber auch nicht ganz unwichtig, zumal die AfD im Wahlkampf ist und auf Veranstaltungen gern ihre internationale Bedeutung herausstellt. Für den Wahlkampfauftakt der AfD in Halle Ende Januar schickte Kickl an Weidel ein Grußwort, in dem er ihre „Kämpfernatur“ pries: „Du bist in jeder Hinsicht allen Deinen Gegenspielern haushoch überlegen.“

Freundliche Worte gibt es auch andersherum: „Die FPÖ ist ein Vorbild für die AfD“, sagt Daniel Tapp. So sehe es auch die Basis seiner Partei. Die Kontakte seien „reichhaltig“. Mitarbeiter und Landtagsabgeordnete redeten regelmäßig miteinander. „Jeder Abgeordnete von der AfD kennt auch jemanden von der FPÖ.“

Die damaligen Chefs von AfD und FPÖ, Frauke Petry und Heinz-Christian Strache, im Juni 2016 beim Biertrinken auf der Zugspitze
Die damaligen Chefs von AfD und FPÖ, Frauke Petry und Heinz-Christian Strache, im Juni 2016 beim Biertrinken auf der Zugspitzedpa

So harmonisch scheint es auch auf der Führungsebene zu sein. Kickl und Weidel pflegen ein gutes Einvernehmen. „Die beiden verstehen sich auch auf persönlicher Ebene gut“, sagt Tapp. Schon frühere AfD-Vorsitzende hatten den Kontakt nach Österreich gepflegt: Frauke Petry traf etwa den früheren Vorsitzenden Hans-Christian Strache auf der Zugspitze, um sich mit Weißbier fotografieren zu lassen.

Doch nicht nur die Parteispitzen sind einander zugetan. Gerade auf den unteren Ebenen, bei den jüngeren Mitgliedern und im jeweiligen parteinahen Vorfeld, gibt es ein reges Miteinander. Das sind bei der FPÖ inzwischen Aktivisten in und rund um die Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ).

Kopf und Stimme der Identitären ist Martin Sellner, obwohl er sich vor einiger Zeit offiziell aus der Führung der IBÖ zurückgezogen hat. Der Wiener wurde in Deutschland weithin bekannt durch seine Rede zur „Remigration“ auf einem Treffen in Potsdam im vergangenen Jahr. Die Empörung in Deutschland war groß. Auch Weidel distanzierte sich damals und trennte sich von einem Mitarbeiter, der in Potsdam dabei war.

Kickl stellte sich hingegen ausdrücklich hinter das Konzept. Unter ihm hat die FPÖ ihre frühere „Distanziererei“ zu den Identitären offen aufgegeben. Kickl nennt sie eine „NGO von rechts“ und vergleicht sie mit Bewegungen wie Greenpeace.

Ein AfD-Mann spendet an die Identitäre Bewegung

Die AfD sieht das (noch) anders: Es liegt ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Identitären Bewegung (IB) vor. Dennoch haben einige AfD-Politiker Kontakte, etwa über die bisherige Jugendorganisation Junge Alternative, das „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda von Götz Kubitschek oder Mitarbeiter in ihren Bundestagsbüros. So beschäftigt etwa der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt mit Mario Müller einen der führenden Köpfe der IB Deutschland, der wiederum eng mit Sellner vernetzt ist. Schmidt hat zudem ein Sommerlager der IB finanziell unterstützt, wie er der F.A.Z. gegenüber sagte.

Auch Sellner selbst pflegt Kontakte zur AfD. Im Sommer 2023 traf er sich in Berlin in der Wohnung des ehemaligen CDU-Politikers und Finanzsenators Peter Kurth mit rechten „Vordenkern“ wie Kubitschek sowie AfD-Politikern wie Maximilian Krah, Matthias Helferich und Kristin Brinker.

Umgekehrt hat der AfD-Politiker Schmidt 2022 eine Spende von über 5000 Euro an ein IBÖ-Projekt gegeben, ein Tagungshaus in Steyregg bei Salzburg. Dort hielt Schmidt 2021 auch einen Vortrag. Diese Informationen finden sich mit entsprechenden Belegen in einer kürzlich veröffentlichten, von der bisherigen österreichischen Regierung aus ÖVP und Grünen beauftragten Studie des „Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands“, einer öffentlich geförderten, erklärt antifaschistischen Institution.

Nun sind die Identitären nicht Teil der FPÖ. Aber insbesondere bei der Parteijugend gibt es zunehmend eine „inhaltliche und operative“ Verschmelzung, wie es im DÖW-Bericht heißt. Die wichtigste gemeinsame personelle Rekrutierungsquelle sind studentische Korporationen: deutschnationale Burschenschaften und ähnliche Gruppen. Wie die Partei und die IBÖ zueinanderstehen, geht aus einer Bemerkung Sellners in seinem Newsletter hervor, in dem er über eine Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen im Januar 2021 räsoniert. Seine Bewegung verfüge in der FPÖ über einen „oppositionsgeübten parlamentarischen Arm, der Kundgebungen anmelden, Anfragen stellen und Rechtsberatung organisieren kann“.

„Alternative“ Medien bieten beiden Parteien Plattform

Wichtige Knotenpunkte im gemeinsamen Netzwerk von AfD und FPÖ sind auch die „alternativen“ Medien, welche die österreichische Partei in ihrem Vorfeld etablieren konnte. Gerald Fleischmann, der frühere Kommunikationsberater des damaligen ÖVP-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Sebastian Kurz, beschreibt solche Verbindungen in einem dieser Tage erscheinenden Buch über „Die Codes der Extremisten“.

Fleischmann ist als ÖVP-Mann nicht neutral, kann seine Angaben aber nachvollziehbar belegen. „Die FPÖ ist per se keine rechtsextreme, sondern eine rechtspopulistische Partei,“ sagt Fleischmann. „Es gibt aber definitiv Verbindungen zu den rechtsextremen Identitären und zur AfD. Vor allem im Bereich der so genannten Alternativen Medien sowie auf Social Media.“

Ein Beispiel ist der TV-Sender AUF1 („Alternatives unabhängiges Fernsehen“). Dessen Gründer Stefan Magnet, einst Mitglied einer Neonazi-Gruppierung, ist der FPÖ seit geraumer Zeit eng verbunden. So war er Teil jener Delegation, die 2016 in Moskau einen Freundschaftsvertrag mit der Präsidentenpartei Wladimir Putins abschloss.

AUF1 bietet nicht nur FPÖ-Leuten, sondern auch AfD-Politikern eine Plattform, auf der sie ohne kritische Fragen ihre Positionen ausbreiten können. Vom Wahlkampfauftakt der AfD in Halle berichtete AUF1. Kickl und Weidel gaben dem Sender nach einem Besuch der AfD-Chefin in Wien 2023 ein gemeinsames Interview. Eine wichtige Einnahmequelle des Senders seien wiederum Werbeschaltungen der AfD, so Fleischmann. Ein anderes Beispiel sei das Magazin „Freilich“ eines der FPÖ nahestehenden Akademikerverbands, dessen leitender Mitarbeiter Mitglied der Identitären sei. Es werbe auf den Kanälen deutscher Influencer, die auch von einem AfD-Politiker gesponsert werden.

Weidel übernimmt Kickls Rede von der „Remigration“

In den Sozialen Medien sind Aktivisten aus Deutschland und Österreich ebenso eng vernetzt. So waren etwa Sellner, der thüringische AfD-Chef Björn Höcke, der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah und der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Gast im Podcast eines Influencers aus der rechten Szene. Dieser ist auch Kolumnist des Magazins „Krautzone“, das wieder auf Veranstaltungen der AfD vertreten ist. Derzeit soll er sich Medienberichten zufolge in Haft befinden. Im vergangenen Jahr hat er nach einer Recherche von „Correctiv“ jedoch noch an AfD-Werbevideos auf Tiktok mitgewirkt.

Wie blickt die AfD auf dieses Netzwerk? Bei den Gesprächen von Daniel Tapp mit seinen Freunden bei der FPÖ gehe es schon auch mal darum, „zu wem man lieber Abstand wahren will“. Noch immer versucht die AfD, offiziell Distanz zu den Identitären zu zeigen, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bestrebung eingestuft sind und beobachtet werden. Die AfD steht als Verdachtsfall selbst im Fokus der Behörde. In Österreich war die FPÖ lange unterhalb des Radars der Verfassungsschützer. Im Verfassungsschutzbericht 2023 tauchten die Freiheitlichen, vor allem wegen ihrer Vernetzung mit den IBÖ, erstmals auf.

Das hindert sie nicht daran, womöglich den nächsten Kanzler in Österreich zu stellen. Die AfD wartet freudig darauf, erhofft sich einen Effekt auch für die Brandmauer in Deutschland, die sie gern eingerissen sähe. Dass mit Kickl ein Politiker Bundeskanzler würde, der in seiner Radikalität mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verglichen wird, stört sie nicht. Es passt vielmehr zur nun zur Schau gestellten Ausrichtung der AfD, in der auch Weidel offen über „Remigration“ spricht.