China exportiert immer mehr grüne Tech in den Globalen Süden

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Während die EU den Zugang zu ihren Märkten für Elektroautos, Solaranlagen und Windturbinen aus China erschwert, finden immer mehr dieser Produkte ihre Käufer im Globalen Süden.

Kein Land baut mehr Anlagen für erneuerbare Energie als China.

Kein Land baut mehr Anlagen für erneuerbare Energie als China.

Reuters

Die USA liefern sich seit dem Wochenende einen neuen Handelskrieg mit Peking. Die EU versucht mithilfe von Zöllen, die heimische Industrie vor günstigeren chinesischen Elektroautos zu schützen. Und China? Die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt exportiert immer mehr Elektroautos, Windturbinen und Solaranlagen in die Schwellen- und Entwicklungsländer.

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Rund die Hälfte aller chinesischen Exporte von Solar- und Windenergieanlagen und Elektrofahrzeugen geht laut einer neuen Analyse von internationalen Handelsdaten inzwischen in Schwellen- und Entwicklungsländer. Mehr noch, diese «haben den grössten Teil des jüngsten Exportwachstums getragen», schreibt Lauri Myllyvirta von der Denkfabrik Center for Research on Energy and Clean Air. Myllyvirta beobachtet Entwicklungen rund um die Energiewende und Emissionen in China seit Jahren.

Grüne Technologieexporte gelten grundsätzlich als ein Wachstumstreiber für China. In einer Analyse aus dem vergangenen Jahr schrieb die Grossbank Citi, dass sich bei Chinas Exporten ein deutlicher Wandel vollzogen habe.

So seien die «alten drei» Güter, Haushaltsgeräte, Möbel und Kleidung, den «neuen drei», Elektrofahrzeugen, Lithium-Ionen-Batterien und Solarzellen, gewichen. Der Anteil dieser Produkte an den Gesamtexporten sei bis 2023 auf 4,5 Prozent gestiegen. Das mag als wenig erscheinen. Aber: Im Vergleich zu 1,5 Prozent im Jahr 2020 stellt das eine deutliche Steigerung dar, so die Analysten.

Der Westen macht Druck auf China

Diese Verschiebung hat auch industriepolitische Implikationen. So schrieb Myllyvirta, dass sich zwar die Aufmerksamkeit der Medien und Entscheidungsträger auf mögliche amerikanische und europäische Strafzölle konzentriere, die dem Autosektor und der erneuerbaren Energiebranche einen schweren Schlag versetzen könnten. Chinas Cleantech-Exporte seien jedoch weit weniger von den westlichen Märkten, insbesondere den USA, abhängig als Chinas Exportindustrien insgesamt.

Für Chinas grüne Technologieprodukte sind die USA ein Nischenmarkt. Zölle bremsen deren Einfuhr seit Jahren. Nur 4 Prozent der Exporte von Solar- und Windenergieanlagen sowie Elektrofahrzeugen gehen in die USA, so Myllyvirta.

Mit Blick auf Europa ist eine Entwicklung des vergangenen Jahres derweil besonders interessant. Denn China exportierte 2024 mehr Elektroautos in Schwellen- und Entwicklungsländer als in die EU, bis anhin Chinas grösster Exportmarkt für die Fahrzeuge. Der globale Vormarsch der Elektromobilität hat gleichzeitig dabei geholfen, China zum grössten Automobilexporteur der Welt zu machen, vor Deutschland und Japan.

China hat in Europa jedoch mit industriepolitischen Barrieren zu kämpfen. Im vergangenen Oktober erhob die EU Strafzölle auf die «in unfairer Weise subventionierten» Elektrofahrzeuge aus China, mit dem Ziel, die eigene Produktion und die Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Autohersteller zu schützen. Brüssel untersucht zurzeit weiter, ob es ähnliche Schritte gegenüber chinesischen Windturbinen einführen soll.

«Für chinesische Cleantech-Hersteller wird es schwieriger werden, in den europäischen Markt einzutreten», sagt Byford Tsang vom European Council on Foreign Relations. Denn die EU möchte sich von China unabhängiger machen. Dafür nutzt sie ihre handels- und industriepolitische Macht. Im Brüsseler Politikjargon heisst das «de-risking». Das schaffe natürlich Unsicherheiten für chinesische Exporteure, so Tsang.

Neue Zukunftsmärkte im globalen Süden

Die Märkte in den Schwellen- und Entwicklungsländern sind dagegen eine Chance für China. Nicht nur, um seine Politik des exportgetriebenen Wachstums in den kommenden Jahren weiter zu stützen. Sondern auch, chinesischen Herstellern neue Verkaufsmöglichkeiten zu eröffnen, die sich im heimischen Markt einen harten Wettbewerb liefern.

Entwicklungs- und Schwellenländer zählen dabei schon seit 2015 zu den grössten Importeuren von Solar- und Windenergieanlagen aus China, so Myllyvirta. Im Jahr 2023 vergrösserte sich der Abstand zur EU und zu den USA jedoch noch zusätzlich. Dass jetzt fast 50 Prozent der chinesischen Exporte von Elektroautos, Solar- und Windanlagen in Schwellen- und Entwicklungsländer gingen, stelle einen Rekord dar, sagt Myllyvirta.

Die Exportentwicklung unterstützt zugleich ein zentrales Narrativ von Chinas Klimapolitik auf der Weltbühne. «China stellt den Entwicklungsländern viel mehr Ressourcen zur Verfügung, indem es die Preise für Solarpanels und die Kosten für Elektrofahrzeuge massiv senkt», sagte der brasilianische Diplomat André Aranha Corrêa do Lago erst neulich vor internationalen Journalisten.

Do Lago wird die kommende Klimakonferenz in Brasilien leiten. Seine Worte deuten schon jetzt darauf hin, dass die Frage der finanziellen Unterstützung für die globale Energiewende im Mittelpunkt stehen wird. Und China in dieser Frage einen Vorteil gegenüber dem Westen hat. Solche Investitionen für ärmere Länder seien viel bedeutsamer, als wenn China «nur einen symbolischen Beitrag leisten würde», sagte er laut Medienberichten. Das ist ein deutlicher Seitenhieb gegen die Industriestaaten, die in den Augen der meisten Schwellen- und Entwicklungsländer zwar viel fordern, aber wenig finanziellen Vorschub leisten.

«China sieht den Handel mit sauberen Technologien mit dem globalen Süden als Teil seiner Klimadiplomatie an», sagt auch Tsang vom European Council on Foreign Relations. «China möchte als Verfechter des internationalen Klimaschutzes gesehen werden und als Anbieter globaler öffentlicher Güter, unter anderem von sauberen Technologien.»

Ein Blick auf die Zusammenarbeit mit Regierungen in Entwicklungsländern zeigt, wie China hier vorgeht. Das Land konzentriert sich auf konkrete Energieabkommen, finanziert Solar- und Windenergieprojekte oder baut Anlagen direkt selbst. Gleichzeitig kann man seit einigen Jahren beobachten, dass die sogenannte Belt-and-Road-Initiative (BRI) grüner wird. Das Programm fördert Infrastrukturinvestitionen im Ausland. Das ziele auch darauf ab, die Nachfrage für grüne Produkte in Entwicklungs- und Schwellenländern zu steigern, so Tsang.

Die Energiewende spiegelt industriepolitische Interessen und Allianzen

Dabei zeigt ein Blick auf die Hit-Liste der chinesischen Exporte, wo die internationale Energiewende weltweit vorangeht und wer sie antreibt – abseits der politisierten Kulturkämpfe um den Klimawandel.

Südafrika, Ägypten, Chile, Brasilien und Usbekistan waren laut der Uno-Daten im vergangenen Jahr die fünf grössten Importeure von Windenergie-Technik aus China. Saudiarabien, Pakistan, Usbekistan, Indonesien und Indien importierten derweil die meisten Solarpanels. Brasilien und Thailand gehörten zu den Top fünf der Importeure von Elektroautos.

Für Myllyvirta steht dabei fest: «Der sprunghafte Anstieg der Exporte von Solarstromanlagen nach Afrika war die auffälligste Entwicklung im Jahr 2024». Er erwähnt insbesondere die Länder Burkina Faso, Tansania, Moçambique, Südafrika und Nigeria als grosse Abnehmer. Darüber hinaus stachen auch Saudiarabien und Pakistan hervor.

Die Popularität der chinesischen Solarpanels hat offensichtliche ökonomische Gründe. «Im Bereich der Solarenergie ist China der einzige Anbieter», sagt Myllyvirta. Ausser, man sei bereit wie die USA, einen Aufpreis für nichtchinesisches Equipment zu zahlen. Auch bei Elektroautos spielt der Preis eine grosse Rolle für die Verbraucher: Die chinesischen Angebote sind billiger als die ihrer Wettbewerber. Gleichzeitig hätten chinesische Unternehmen jedoch auch stark in den Aufbau einer lokalen Präsenz in wichtigen Schwellenländern investiert.

Was bedeutet das alles für Europa? «Der EU-Markt für Solar- und Elektroautos wird in absoluten Zahlen zumindest seine Grösse beibehalten», so Myllyvirta. Aber die relative Bedeutung der EU werde wohl weiter abnehmen.

Das hat einerseits Folgen für die Energiewende in der EU. Denn man setzt nun zwar aus politischen Gründen darauf, eine heimische grüne Industrie zu fördern (wenn nicht erst aus dem Boden zu stampfen). Aber es besteht die Sorge, dass die Wende ohne die Solarpanels, Windturbinen und Elektroautos aus China teurer und langsamer umzusetzen sein wird.

Andererseits wird es Folgen für die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der EU haben. Denn die Tatsache, dass chinesische Unternehmen in Schwellen- und Entwicklungsländern auf dem Vormarsch sind, sollte der EU Anlass zur Sorge geben. «Es bedeutet weniger Chancen für europäische Hersteller», fasst es Tsang knapp zusammen. «So werden europäische Unternehmen verdrängt.»