FDP-Fraktionschef Dürr verspricht: Geld zurück für Krankenversicherte

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Zwei Wochen vor der Bundestagswahl präsentiert die FDP einen Reformvorschlag, der Millionen Krankenversicherte in Deutschland finanziell entlasten soll. „Wenn jemand in einem Quartal nicht zum Arzt geht oder seine Rechnung dort selbst zahlt, soll er einen Teil seines Beitrags erstattet bekommen“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr der F.A.Z. während eines Redaktionsbesuchs in Frankfurt. So solle die Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt werden und die Arztpraxen von unnötigen Terminen entlastet werden.

In der privaten Krankenversicherung gibt es bereits einen ähnlichen Mechanismus. Den will die FDP nun ausweiten. „Von einer solcher Reform erhoffe ich mir mehr als von einem Karenztag, an dem Krankgeschriebene keinen Lohn erhalten“, sagte Dürr.

Hintergrund ist der Anstieg der Krankenkassenbeiträge zu Jahresbeginn mit der Folge, dass sich für viele Arbeitnehmer die Abzüge vom Brutto auf der Lohnabrechnung für Januar erhöht haben. Angesichts der auch im internationalen Vergleich hohen deutschen Gesundheitskosten hat dies eine Debatte über Wege zu Ent­las­tun­gen der Zahler entfacht. Die FDP liegt in den Umfragen seit Monaten bei vier Prozent und hofft nun, mit Wirtschaftsthemen stärker Wähler zu mobilisieren, um den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr kämpft um den Wiedereinzug seiner Partei in den Bundestag.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr kämpft um den Wiedereinzug seiner Partei in den Bundestag.Frank Röth

Geschlossenheit vor dem Parteitag

Dürrs Vorschlag kommt kurz vor dem FDP-Parteitag am Sonntag in Potsdam und steht in diametralem Widerspruch zu Plänen von Widersacher Robert Habeck. Der Grünen-Spitzenkandidat hatte im Wahlkampf gefordert, die Erträge aus Kapitalanlagen für die Finanzierung der Krankenkassen heranzuziehen. Damit war er auf großen Widerspruch gestoßen. Mit diesem Vorschlag befinde sich Habeck im „Wolkenkuckucksheim“, kritisierte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Vorschlag sei „entweder eine Gefahr für Kleinsparer oder absehbar verfassungswidrig“.

Die Abgrenzung zu den Grünen und eine Warnung vor einer möglichen schwarz-grünen Koalition steht dabei im Fokus der Strategie. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte diese Woche gesagt, „vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP“ und Stimmen für die Liberalen als möglicherweise verschenkt gebrandmarkt. Zugleich hatte er eine Koalition mit den Grünen nicht ausgeschlossen. Dass die Grünen Merz nun als erster Koalitionspartner einfallen, bezeichnete Dürr als bedenklich. „Wir stehen an einem Kipppunkt der deutschen Volkswirtschaft“, sagte der Fraktionsvorsitzende. In einer Merz-Habeck-Koalition sei absehbar, dass die Wirtschaft „klimapolitisch weiter stranguliert“ werde und nicht vorrangig auf effiziente Instrumente wie den Emissionshandel gesetzt werde.

Die FDP setzt sich in ihrem Wahlprogramm dafür ein, das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland von 2045 auf das europäische Zieljahr 2050 zu verschieben. Zur Bedingung für eine Koalitionsbildung machte Dürr außerdem einen stärkeren Einsatz für die Autoindustrie: „Die nächste Bundesregierung muss das Verbrenner-Aus kippen, das führt in die wirtschaftliche Katastrophe.“ Die Grünen stünden dem im Weg. Er erneuerte zudem die Forderung, das Umweltbundesamt abzuschaffen. „Wir haben es einst gegründet, heute ist das ein ideologischer Laden, der für Stillstand sorgt“, so Dürr.

Und die Migration?

Der radikalen Vorgehensweise Donald Trumps in Amerika, der die Absicht bekundet hat, die Behörde für Entwicklungspolitik (USAID) abzuschaffen und erste Schritte dafür eingeleitet hat, wollte sich Dürr aber nicht anschließen. Doch auch in Deutschland müsse die Entwicklungshilfe strategischer ausgerichtet werden, ohne jedoch die humanitäre Hilfe zu beenden.

Der seit zwei Jahren andauernden Stagnation und sogar Schrumpfung der deutschen Volkswirtschaft will die FDP ein neues Staatsverständnis entgegensetzen. „Der Staat muss funktionieren wie eine Banking-App“, sagte Dürr. Es dürfe nicht sein, dass 16 Bundesländer mit eigener Regulierung und eigener Software und dann noch einmal die Kommunen zum Beispiel Genehmigungsverfahren verzögern. „Damit die Digitalisierung des Staates gelingt, brauchen wir mehr top down“, sagte er. Bei Genehmigungsverfahren müsse es künftig so laufen, dass nachdem ein Antrag vollständig eingereicht wurde, eine Dreimonatsfrist läuft. „Wenn in drei Monaten keine Genehmigung da ist, springt meine App auf grün und ich darf loslegen.“

Neben der Wirtschaftspolitik wird auf dem Parteitag das Thema Migration die zentrale Rolle spielen. 23 ihrer Abgeordneten hatten vergangene Woche dem „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union im Bundestag nicht zugestimmt und so dazu beigetragen, dass das auch von der AfD unterstützte Gesetz scheiterte. Einer davon war Parteivize Vogel. „Für mich überwog, dass eine Mehrheit aus dem Spektrum der demokratischen Mitte die unzweifelhaft nötige Wende in der Migrationspolitik erreichen muss“, begründete er sein von der Fraktionsführung abweichendes Verhalten. In der Sache stellte er sich aber die Seite von FDP-Chef Christian Lindner. „Wir alle wollen eine grundlegend andere Migrationspolitik.“ betonte Vogel. „Jemand, der kein Recht hat, hier im Land zu sein, darf nicht mehr kommen, einfach bleiben und gar noch schwere Straftaten begehen.“

Von dem außerordentlichen Parteitag soll nun in dieser Frage ein Zeichen der Geschlossenheit ausgehen. „Der Parteitag hat die Chancen, die Position bei der Migration noch mal hart zu unterstreichen und die Wirtschaft wieder ins Spiel zu bringen“, sagte Dürr. Die Leute fragten sich doch: „Wer hat die Macht und die Mehrheit Dinge umzusetzen? Und dann sehen Sie, dass Merz auf eine schwarz-grüne Regierung zusteuert, und werden skeptisch.“ In den aktuellsten Umfragen hat sich das Abstimmungsverhalten in der Migrationsfrage weder positiv noch negativ bemerkbar gemacht.