Gerechnet hatte man bei der Anmeldung mit ein paar Hundert Demonstranten, gekommen sind am Samstag nach Hannover 24.000 Menschen. Bereits vor der Kundgebung hatte es Kontroversen gegeben. Denn die Organisatoren von den „Omas gegen Rechts“ hatten CDU und FDP von der schon länger geplanten Demonstration gegen Rechtsextremismus wieder ausgeladen, weil beide Parteien im Bundestag gemeinsam mit der AfD für eine verschärfte Migrationspolitik gestimmt haben. CDU und FDP zeigten sich empört über die Entscheidung, die in der niedersächsischen Landeshauptstadt zu vielen Diskussionen führt.
Uta Saenger von den „Omas gegen Rechts“ berichtet der F.A.Z. am Freitagabend, dass man sich auch innerhalb ihrer Gruppe nicht ganz einig gewesen sei. Aber Saenger steht zu der Entscheidung. Das Verhalten von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sei ein „beispielloser Tabubruch von historischer Tragweite“. Und kein Politiker von CDU oder FDP aus der Region Hannover habe sich dazu kritisch geäußert. „Und wer die Brandmauer gegen die AfD nicht schützt, kann in diesem Moment nicht auf der Bühne stehen“, sagt Saenger, die sich mit den „Omas gegen Rechts“ seit Oktober 2023 jeden Freitag vor der liberalen Synagoge in der niedersächsischen Landeshauptstadt zu einer Solidaritätskundgebung mit den Opfern des Hamas-Terrors versammelt.
![Gut besucht: Der Platz vor dem Opernhaus Hannover ist voll. Gut besucht: Der Platz vor dem Opernhaus Hannover ist voll.](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2025/02/Fur-die-Brandmauer-ohne-die-CDU.jpg)
Und so findet die Demonstration am Samstagmittag ohne CDU und FDP statt. Der Zuspruch ist groß. In der Menge sind die Banner von Gewerkschaften und Kirchen zu sehen sowie zahlreiche selbstgebastelte Plakate, die in ihrer Mehrzahl gegen die AfD gemünzt sind. Unter den 24.000 Teilnehmern sind alle Generationen gleichmäßig vertreten. Ein Teil der Besucher ist linksalternativ gefärbt, die Mehrheit wirkt bürgerlich-mittig.
Der bekannteste Name auf der – sehr langen – Rednerliste ist Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der im Stadtsüden als Direktkandidat für die SPD antritt. „Liebe Beschützer der Demokratie“, grüßt Pistorius das Publikum. Das Abstimmungsverhalten der CDU im Bundestag sei ein „Tabubruch“, sagt er dann. Denn der neue Kurs von Friedrich Merz werde „in den ostdeutschen Landesverbänden der CDU als Freifahrtsschein verstanden“, mit der AfD künftig „noch ein bisschen mehr zu machen“.
![Im Wahlkampf: Boris Pistorius tritt im Süden Hannovers an. Im Wahlkampf: Boris Pistorius tritt im Süden Hannovers an.](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2025/02/1739030503_933_Fur-die-Brandmauer-ohne-die-CDU.jpg)
Der SPD-Direktkandidat für den Stadtnorden, Adis Ahmetović, ruft, er werde das Abstimmungsverhalten der CDU nicht verzeihen. Deutschland brauche einen „Politiker mit Anstand“ als Kanzler, fordert Ahmetović. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen, die im Stadtsüden gegen Pistorius antritt, spricht sich für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus. Timon Dzienus, der im Stadtnorden für die Grünen kandidiert, fordert: Statt über die Migrationspolitik müsse man „über die richtigen Probleme im Land wieder reden, das sind nämlich die sozialen Probleme“.
Die Zuhörer applaudieren nach jeder Rede freundlich und skandieren von Zeit zu Zeit „Alle / zusammen / gegen den Faschismus“. Irgendwann wird eine Rednerin von den „Psychologists/Psychotherapists for Future“ angekündigt. „Was es nicht alles gibt“, sagt eine Teilnehmerin erstaunt zu ihren Nachbarn.
![Die Polizei muss einen Wahlkampfstand der AfD schützen. Die Polizei muss einen Wahlkampfstand der AfD schützen.](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2025/02/1739030503_97_Fur-die-Brandmauer-ohne-die-CDU.jpg)
Ganz vorne bei den Organisatoren und Rednern steht der niedersächsische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Gerhard Wegner, und schaut nachdenklich. Der Theologe und Sozialdemokrat bezeichnet den Ausschluss von CDU und FDP als „katastrophal“. Es sei ein Fehler gewesen, die beiden Parteien auszuschließen. Die Redner auf der Bühne gehen in ihren Beiträgen jedoch fast gar nicht auf die umstrittene Entscheidung ein.
Hundert Meter weiter ist die Stimmung aufgeheizt. Dort umringen der schwarze Block immer enger einen Wahlkampfstand der AfD. Es kommt zu ersten Rangeleien zwischen den linken Aktivisten und vermummten Polizisten. Der AfD-Kandidat Jörn König beklagt, dass Wahlkampfmaterial vom Stand genommen und dann auf den Boden geworfen werde.
![Muss erklären: Fabian Becker ist CDU-Direktkandidat in Hannover. Muss erklären: Fabian Becker ist CDU-Direktkandidat in Hannover.](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2025/02/1739030504_754_Fur-die-Brandmauer-ohne-die-CDU.jpg)
Einige Meter weiter hat auch die CDU einen Wahlkampfstand aufgebaut. Er wird vom schwarzen Block in Ruhe gelassen. Erst später, nachdem die AfD ihren Stand abgebaut hat, wird der schwarze Block auch die CDU umlagern. Noch aber herrscht Ruhe. Der CDU-Kandidat Fabian Becker führt gerade ein Gespräch mit einem Mann, der seine kleine Tochter auf den Schultern trägt. Sie hat ein Schuld mit der Aufschrift „CDbUuuh“ in der Hand. Der Mann sagt zu Becker, dass er die Ausladung der CDU als Signal richtig findet. „Aber beim nächsten Mal stehen dann wir wieder zusammen da.“ Becker nickt.
Die CDU in der Stadt hat aufreibende Tage hinter sich. Nach der Abstimmung im Bundestag hatten linke Aktivisten zunächst den Balkon des CDU-Kreisverbands besetzt. Das habe den Mitarbeitern Angst gemacht, beklagt Becker. Dann unterbrachen SPD und Grüne im Rathaus eine Sitzung des Rates, um an einer Demonstration gegen die CDU teilzunehmen. Und nun folgte die Ausladung von der großen Kundgebung. Das werde „Spuren hinterlassen“, sagt der Direktkandidat.
Der 30 Jahre Notarzt hält das Vorgehen seines Parteichefs Friedrich Merz prinzipiell für richtig. „Die Frage ist natürlich, ob es zu diesem Zeitpunkt notwendig war“, denn dadurch sei nur wenig über politische Inhalte gesprochen worden. „Ich bin eher ein Freund der Sachpolitik“, sagt Becker. Auf die Frage, ob er künftig wieder an den großen Kundgebungen gegen Rechtsextremismus teilnehmen werde, sagt Becker nur ein Wort: „Natürlich“. Auch für Ute Saenger von den „Omas gegen Rechts“ war der Ausschluss von CDU und FDP eine einmalige Entscheidung. „Wir laden die CDU und die FDP wieder ein.“