Warum die FDP ums Überleben kämpft

3

Die FDP führt einen Mehrfrontenwahlkampf, und an allen Fronten läuft es schlecht. Stichwort Vergangenheitsbewältigung: Viele Wähler verübeln ihr immer noch, dass sie sich für die Ampel entschied, viele andere, auf welche Weise die Ampel zerbrach. Stichwort Zukunftsplanung: Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner wirbt hingebungsvoll um die Union („Liefern kann nur Schwarz-Gelb“), doch deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz korbt ihn kalt: „Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP.“ Eine weitere Front machte Merz vergangene Woche im Bundestag auf, in den Abstimmungen mit der AfD. Das hatte der FDP gerade noch gefehlt.

Denn einerseits konnte sie sich nicht raushalten. Die Sache ging alle an. Das Parlament brachte keine härtere Migrationspolitik auf den Weg, sondern eine Positionierung zu der Grundsatzfrage, welche Mittel dieser Zweck heilige. Andererseits konnte die FDP nicht gewinnen. Während die Fraktion sich einig war, dass jetzt der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine solche Debatte sei, herrschte Uneinigkeit darüber, wie man sich verhalten sollte. Diese Uneinigkeit wurde am Ende offensichtlich: Mehr als ein Viertel der FDP-Abgeordneten stimmte nicht für den Gesetzentwurf der Union.

Auf Applaus können, auf Mitleid wollen sie nicht hoffen

Es greift zu kurz, Lindner zu unterstellen, er habe seine Partei nicht im Griff. Schließlich hatte Merz selbst sein Vorgehen damit begründet, dass ihm sein Gewissen keine andere Wahl lasse. Warum sollten dann nicht auch andere ihrem Gewissen folgen? Keiner der 23 bei der Abstimmung abwesenden FDP-Abgeordneten steht im Verdacht, für eine laschere Migrationspolitik einzutreten. Im Gegenteil, auch die zum progressiven Flügel der Partei zählenden Leute wie Fraktionsvize Konstantin Kuhle und Parteivize Johannes Vogel hatten zuletzt keinen Zweifel daran gelassen, einen harten Kurs mitzutragen. Doch es ging ja nicht darum, wie hart, sondern zu welchem Preis.

Aber auch Schadensbegrenzung kostet. Ein Teil der Fraktion – angeführt von Lindner, Fraktionschef Christian Dürr, Parteivize Wolfgang Kubicki – war der Ansicht, es sei besser, beim Unionsmanöver mitzumachen als auf der Seite von SPD und Grünen zu stehen. Denn an dieser Front – Vergangenheitsbewältigung – sieht es wie gesagt auch nicht gut aus. Manche sahen schon die Schlagzeilen: Ampel vereint im Kampf gegen rechts! Eine Enthaltung wiederum hätte als Unentschlossenheit in der Migrationspolitik missverstanden werden können. Je kleiner die Partei, desto schärfer muss sie umrissen sein, damit überhaupt noch jemand sie sieht.

So versuchte die FDP, einen Sonderweg zu beschreiten: mit einem eigenen, harten Beschluss zur Migration – der aber im Bundestag unterging. Und mit einem Schlichtungsversuch, der den Gesetzentwurf der Union zurück in den Ausschuss manövrieren sollte. Das war eine gute Idee, nicht uneigennützig, aber im Sinne aller außer der AfD – dreieinhalb Stunden sah es so aus, als könnte sie aufgehen. Dass es anders kam, ließ alle schlecht aussehen. Ein dritter Vorstoß der FDP, der Aufruf zu einem „Migrationspakt der Mitte“, brachte ebenfalls nichts.

Die Gefechte der vergangenen zwei Wochen haben die Liberalen viel Kraft gekostet. Auf Applaus können, auf Mitleid wollen sie nicht hoffen. Sie kämpfen jetzt wieder ums Überleben. An allen Fronten.