Probleme bei VW spielen keine Rolle

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Vor wenigen Wochen haben sie sich noch bis aufs Messer bekämpft. Jetzt demonstrieren Betriebsrat und Management des Volkswagen-Konzerns in Wolfsburg wieder Einigkeit. Seit’ an Seit’ gaben Betriebsratschefin Daniela Cavallo und VW-Vorstand Thomas Schäfer in dieser Woche erste Ausblicke auf das Einstiegs-Elektroauto für 20.000 Euro und versprachen, eine elektrische Version des kompakten Stadtgeländewagens T-Roc an den Stammsitz zu bringen. Wolfsburg, so das Signal, kehrt zur Normalität zurück. Es dürfte nur ein Scheinfrieden sein.

35.000 Stellen sollen über sechs Jahre sozialverträglich abgebaut werden, und kein Werk soll geschlossen werden. So sieht es die vor Weihnachten eilig beschlossene Einigung mit der IG Metall vor, auf die sich die Vorstände auch deshalb einließen, weil sie VW schnell aus den Schlagzeilen im Wahlkampf herausnehmen wollten.

Kampf um Wettbewerbsfähigkeit

Eigentlich hielten die Hardliner im Management härtere Einschnitte für nötig. Doch sie fürchteten ganz offensichtlich einen weiter eskalierenden Arbeitskampf, der kurz vor der Bundestagswahl jede Lösung mit der IG Metall erschwert hätte. Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident in Niedersachsen und Mitglied des Aufsichtsrats, drängte auf eine schnelle Einigung. Das Ergebnis: ein Formelkompromiss. Der Kampf um die Wettbewerbsfähigkeit geht weiter, nicht nur in der Stammmarke VW.

Der globale Automarkt stagniert, und der Wettbewerb verschärft sich, auch mit Rivalen aus China, die nach Europa drängen. In Amerika legt Trumps Protektionismus die Schwächen des Zwölf-Marken-Konzerns VW schonungslos offen. Während BMW und Mercedes früh eigene Werke vor Ort gebaut haben und von dort auch nach Europa exportierten, rang VW sich erst vor rund einem Jahrzehnt zu einer eigenen Produktion in Chattanooga, Tennessee durch. Noch immer kommen die meisten VW-Autos für Amerika aus Mexiko und Deutschland. Zieht Trump die Zollmauer hoch, könnte selbst ein gefragter Luxus-Stadtgeländewagen wie der in Bratislava gebaute Porsche Cayenne zum Problemfall werden.

Ohnehin kämpft Porsche mit vielen Schwierigkeiten. Zuerst brachen die Geschäfte in China ein. Dort verkauft sich der elektrische Sportwagen Taycan nicht annähernd so gut wie erhofft. Jetzt wird die globale Elektrostrategie kassiert und viel Geld in neue Verbrenner- und Plug-in-Hybrid-Modelle investiert. In diesem Jahr wird sich Porsche so noch weiter von dem Ziel einer Umsatzrendite um 20 Prozent entfernen, das Finanzvorstand Lutz Meschke dem Kapitalmarkt zum Börsengang versprochen hatte.

Meschke muss nun gehen, ebenso Vertriebschef Detlev von Platen. Auch Oliver Blume, der Porsche und den Mutterkonzern VW parallel führt, muss sich die Frage gefallen lassen, wie die Sportwagenmarke unter seiner Ägide derart in die Bredouille geraten konnte. Eine weitere Großbaustelle ist die Ingolstädter Marke Audi. Auch dort droht der Belegschaft ein Sparprogramm.

Scholz zieht andere Krisenbranchen vor

Im Wahlkampf konzentriert sich SPD-Kanzler Olaf Scholz lieber auf andere Brennpunkte, um Kernwähler aus der gewerkschaftlich organisierten Industriearbeiterschaft zu mobilisieren. Im Arbeitskittel zieht er über das Betriebsgelände von Thyssenkrupp in Duisburg und gibt dort den Kämpfer für Belegschaftsinteressen. Ginge es ihm wirklich um bessere Rahmenbedingungen für die Indus­trie, müsste er quer durch das Land ziehen. Mittelständler in der Provinz leiden unter steigenden Kosten. Selbst ein Großkonzern wie BASF hält am Stammsitz in Ludwigshafen nur 80 Prozent seiner Anlagen für dauerhaft wettbewerbsfähig.

Mit ihrem Sofortprogramm versucht die CDU, das Thema Wirtschaft zurück auf die Agenda zu bringen. Anreize für längeres Arbeiten, niedrigere Strompreise, weniger Bürokratie: Solche Erkenntnisse reifen zu langsam. Für die krisengeplagte Automobilbranche kommen sie womöglich zu spät. Sie verlagert weiter Produktion ins Ausland, wie ganz aktuell das Beispiel des VW Golf zeigt. Das langjährige Erfolgsmodell soll bald in Mexiko vom Band laufen.

Auch die Unternehmen müssen ihre Probleme lösen. Die Luxusstrategie von Mercedes ist gescheitert, und selbst der viel gelobte Wettbewerber BMW kämpft mit Schwierigkeiten wie dem teuren Rückruf wegen Mängeln an einer Bremse des Zulieferers Continental. Porsche und Audi müssen die Kosten senken. Auch die Stammmarke VW steht erst am Anfang ihrer Restrukturierung. Nichts wäre schlimmer, als wenn sich nach den Kämpfen der vergangenen Monate in Wolfsburg wieder die übliche Kohabitation von Betriebsrat und Management breitmacht.