Die FDP will ein Bollwerk gegen Schwarz-Grün sein

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Vor einigen Tagen hat die FDP ein neues Werkzeug vorgestellt: den „KI-Programmcheck“. Der Wähler tippt Fragen zu den Liberalen ein, die Künstliche Intelligenz antwortet. „Ich bin nicht perfekt und mache nicht immer alles richtig“, verrät sie gleich zu Beginn. Das stimmt, so nennt sie auf die Frage danach, wer der zweitwichtigste FDP-Politiker sei, neben Vizeparteichef Wolfgang Kubicki auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der eine „bedeutende Rolle“ spiele. Wissing ist allerdings aus der FDP ausgetreten, nachdem die Regierung zerbrochen war. Aber damals waren nicht nur künstliche, sondern auch menschliche Intelligenzen zeitweise überfordert von den Ereignissen und ihren Hintergründen. In inhaltlichen Fragen ist die KI jedenfalls à jour. Zum Beispiel, wenn es um die Grünen geht.

Eine abermalige Zusammenarbeit mit den Grünen werde „als ausgeschlossen betrachtet“, heißt es da. Diese Aussage steht auch im Zentrum des Bundesparteitags der FDP an diesem Sonntag in Potsdam. Die Tagesordnung ist kurz, kein Wunder, zwei Wochen vor der Bundestagswahl sind so ziemlich alle Weichen gestellt. Wie weit die Fahrt führt, ist offen. In den Umfragen steckt die FDP seit Wochen bei vier Prozent fest, egal, wie sehr sie aufs Gaspedal drückt. Und so ist das Hauptereignis des Parteitags die Rede des Parteivorsitzenden Christian Lindner. Und der Applaus für ihn. Das Signal nach draußen: Wir halten zusammen, jetzt erst recht.

Handeln, bevor es die AfD tun kann

Zuletzt waren Zweifel daran aufgekommen, dass die FDP ganz geschlossen sei. Im Bundestag war mehr als ein Viertel der Abgeordneten nicht der Empfehlung Lindners gefolgt, für den Gesetzentwurf der Union zu stimmen – zusammen mit der AfD. Vielen Liberalen, die zustimmten, war mulmig. Das Merz-Manöver drückte sie zwischen Baum und Borke. Doch das soll vergessen sein. Lindner hatte sich vorgenommen, drei Dinge zu betonen: erstens den Wert der FDP als einer liberalen Partei im Parlament, zweitens politische Ziele, die sie von anderen unterscheidbar macht, und drittens ihre roten Linien in Koalitionsfragen. Dazu zählt: kein Bündnis mit grüner Beteiligung.

Das begründet die FDP auf mehreren Ebenen. Inhaltlich, aber auch taktisch. Inhaltlich etwa so: Mit den Grünen gebe es kaum Gemeinsamkeiten in den derzeit wichtigsten Fragen, also Wirtschaftspolitik und Migration. Eine Regierung, an der die Grünen beteiligt seien, könne keine Migrationswende bringen. Lange Tabellen mit Erfahrungswerten aus drei Jahren Ampel wurden geschrieben. Fazit: Ständig hätten die Grünen gebremst, egal, ob es um Abschiebungen, die ­Bezahlkarte für Asylbewerber oder die GEAS-Reform gegangen sei. Wo überhaupt etwas gelungen sei in der Migrationspolitik, sei das nicht wegen, sondern trotz der Grünen passiert.

Das habe die AfD erstarken lassen. „Ändern wir jetzt die Politik, bevor es 2029 die Falschen tun“, hat die FDP in riesigen Buchstaben an die Wand der Potsdamer Metropolis-Halle geschrieben. Soll heißen: Jetzt handeln, bevor es die AfD bald tun kann. Auch mit ihr schließt die FDP ein Bündnis aus, so wie jede Zusammenarbeit.

Er bekam minutenlangen Applaus: Lindner am Sonntag bei seiner Rede
Er bekam minutenlangen Applaus: Lindner am Sonntag bei seiner RedeOmer Messinger

Lindner arbeitet in seiner Rede heraus, dass die FDP zwar unterscheide zwischen den Grünen und jenen Parteien, mit denen die FDP ganz grundsätzlich nichts zu tun haben will, also AfD, BSW und Linke. Die Grünen seien ein demokratischer Mitbewerber, mit dem prinzipiell eine Zusammenarbeit denkbar sei. Auf Landesebene habe es schon funktioniert. Aber nach dieser Bundestagswahl werde die FDP keine Regierung mit den Grünen bilden.

Lindner bietet einen Perspektivwechsel an: Merz werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Kanzler. Es gehe bei der Wahl also nicht mehr um die Frage, wer an der Spitze der kommenden Regierung stehe – sondern darum, wer da mit ihm stehe. Es gehe um „Wachstum oder Stagnation“, um „Lindner oder Habeck im Kabinett“. Den Delegierten auf dem Parteitag fällt die Wahl da nicht schwer. Sie applaudieren heftig.

Spottworte für die einstigen Partner

Zuvor hatten schon andere auf der Bühne für diese Sichtweise geworben. Kubicki kritisierte Merz in seiner Eröffnungsrede dafür, mit Schwarz-Grün zu flirten. Dessen „Bettelei“ um die Stimmen FDP-geneigter Wähler sei unangemessen. Merz gehe es offenbar um sein Ego, er wolle nicht schlechter abschneiden als die frühere CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017. „Aber es geht nicht um sein Ego, sondern ums Land.“ Die FDP sei das „Bollwerk gegen Schwarz-Grün“.

SonntagsfrageWie stehen die Umfragen vor der Bundestagswahl?

Wie um das zu unterstreichen, betrat bald darauf die frühere CDU-Familienministerin Kristina Schröder die Bühne, um ein Grußwort zu sprechen, das Schwarz-Gelb oder jedenfalls die Zusammenarbeit von Schwarzen und Gelben in einer Regierung in leuchtenden Farben ausmalte.

Lindner geht naturgemäß weiter; er attackiert den Kanzlerkandidaten der Union zum Amüsement des Parteitags als jemanden, der als Bundeskanzler künftig ein Fall fürs „betreute Regieren“ sei. Merz’ Entscheidung, kurz vor der Wahl über Anträge zur Migrationspolitik abstimmen zu lassen, habe dafür gesorgt, dass das Thema Wirtschaftswende in den Hintergrund getreten sei. Es habe Roten und Grünen ermöglicht, Wahlkampf über die Brandmauer zu führen, und das Land gespalten.

Die Lage des Landes zeichnet Lindner ernst, aber nicht finster. Deutschland sei ein starkes Land und habe alles, um wieder wirtschaftlich erfolgreich zu werden. Dabei vermeidet er abermalige Musk-Milei-Überdreher; vielmehr weist er darauf hin, dass die FDP sich, anders als Trump, ans Pariser Klimaabkommen gebunden fühle. „Die Bekämpfung der Erderwärmung ist eine Überlebensfrage der Menschheit.“ Allerdings dürfe dabei nicht die Lage der Wirtschaft aus den Augen verloren werden.

Für seine früheren Koalitionspartner findet Lindner Spottworte: Der Kanzler verteile das Geld wie ein Karnevalsprinz nach der „Methode Kamelle“. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck wiederum sei „die größte Wachstumsbremse in unserem Land“. Mit Habeck wachse nur der Frust, nicht das Land. Schließlich hat Lindner noch aufbauende Worte für die geschundene Liberalenseele bereit. Man wolle keine „Leihstimmen“, sondern Bekenntnisstimmen. „Wer uns gut findet, soll uns wählen.“ Dafür erntet er minutenlangen Applaus.

Der Parteitag nimmt anschließend den Wahlaufruf – inklusive Absage an die Grünen – einstimmig, ohne Enthaltung, an.