Seit der Einführung des Green Deal durch die Europäische Kommission im November 2019 haben sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen gravierend verändert. Politik und Unternehmen müssen angesichts der schrumpfenden Wirtschaft und der wachsenden globalen Konflikte neue Prioritäten setzen.
Melanie Sack, Vorstandssprecherin des Wirtschaftsprüferinstituts IDW, plädiert dafür, die Nachhaltigkeit trotzdem nicht zu vernachlässigen. „Klimawandel und Extremwetter stellen jetzt und in Zukunft große Gefahren dar“, sagt die Wirtschaftsprüferin. „Die Regeln für die Berichterstattung über Nachhaltigkeit dürfen gleichwohl nicht überzogen sein.“
Die EU-Richtlinie CSRD oder die Taxonomieverordnung seien zu kleinteilig und komplex. Darunter habe vor allem Deutschland mit seiner mittelständischen Unternehmensstruktur zu leiden. „Wir sehen die Notwendigkeit für Vereinfachungen“, sagt Sack. „Ein Review wäre wichtig auch für die Akzeptanz von Europa.“ Im Dezember hatten sich vier Bundesminister für eine Vereinfachung der CSRD-Regeln eingesetzt, um die Belastung für Unternehmen zu reduzieren.
Nachhaltigkeitsrichtlinie soll im Omnibusverfahren auf den Prüfstand
Die EU-Kommission hat den Ruf aus Unternehmen und Verbänden vernommen und im November 2024 ein Omnibusverfahren eingeleitet, um die Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD zu überarbeiten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat das Ziel vorgegeben, den Umfang der Berichtsregeln für Unternehmen um 25 Prozent zu reduzieren. Der Berichtsaufwand für kleinere und mittlere Unternehmen soll sogar um 35 Prozent sinken.
Die Einführung der Berichtspflichten soll laut Sack in Wellen erfolgen: Zuerst an der Reihe sind große Unternehmen von öffentlicher Bedeutung. Einige von ihnen werden bereits in diesem Jahr Nachhaltigkeitsberichte über das Jahr 2024 vorlegen, was in Kürze der Fall sein wird. Ein Jahr später kommen in Deutschland etwa 13.000 mittlere Unternehmen hinzu. Das Wirtschaftsprüferinstitut setzt sich dafür ein, die zweite Welle um ein Jahr zu verschieben, damit Unternehmen mehr Zeit bekommen, sich darauf vorzubereiten. Bei vielen davon handelt es sich um Firmen, die, anders als die großen aus der ersten Welle, noch keine Praxiserfahrung mit Nachhaltigkeitsberichten gesammelt haben.
Zudem schlägt das IDW zwecks Vereinfachung der Berichte vor, Kosten-Nutzen-Erwägungen stärker in den europäischen Berichtsstandards zu verankern. Zudem sollten Unternehmen lediglich verpflichtet werden, die CO2-Emissionen ihrer direkten Lieferanten und Abnehmer zu berichten, statt die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Endverbraucher aufzurollen. Auch seien die EU-Vorschriften zur maschinellen Lesbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte technisch veraltet und sollten auf den neuesten Stand gebracht werden.
Deutschland gehört übrigens zu den Ländern, die die CSRD-Richtlinie immer noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben. Damit ist auch die vorgesehene Prüfpflicht der Nachhaltigkeitsberichte noch nicht in Kraft getreten. Einige Großunternehmen wie Henkel oder die Deutsche Bank lassen ihre Nachhaltigkeitsberichte trotzdem schon freiwillig prüfen.
Krise bedeutet viel Arbeit für Wirtschaftsprüfer
Ohnehin haben die Wirtschaftsprüfer angesichts der wirtschaftlichen Krise genug Schwerpunkte neben den Nachhaltigkeitsthemen. So werden bestandsgefährdende Risiken für Unternehmen zu einem Aspekt, dem die Prüfer laut Sack zunehmend Aufmerksamkeit schenken müssen. Es sei allerdings nicht Aufgabe der Wirtschaftsprüfer, zu beurteilen, ob das geprüfte Unternehmen verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag zu stellen. Sie müssten stattdessen beurteilen, ob die von der Geschäftsleitung erwartete Fortführung des Unternehmens für die kommenden zwölf Monate realistisch ist.
Wegen der sinkenden Nachfrage und der Insolvenzwelle rücken in der Bilanz etwa die Wertansätze für Unternehmensbeteiligungen und die Werthaltigkeit von Forderungen in den Blick. „Die wirtschaftliche Krise hat einen starken Einfluss auf die Jahresabschlüsse der Unternehmen“, sagt Sack. Auch sei zu prüfen, wie sich hohe Finanzierungskosten auf die Unternehmen auswirken.