Bei der von deutlichen amerikanischen Einmischungen begleiteten Parlamentswahl im Kosovo hat die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Albin Kurti die meisten Stimmen erhalten. Sie musste aber deutliche Verluste im Vergleich zu ihrem Ergebnis von vor vier Jahren hinnehmen. „Wir haben gewonnen, und wir werden die nächste Regierung bilden“, verkündete Kurti kurz nach Mitternacht in Prishtina. Anders als 2021, als seine Partei „Vetevendosje“ (Selbstbestimmung) mehr als 50 Prozent der Stimmen erhielt, wird er dazu aber Koalitionspartner benötigen. Dass er sie findet, ist nicht ausgemacht.
Laut den vorläufigen, noch nicht offiziellen Resultaten erhielt Vetevendosje am Sonntag um die 40 Prozent der Stimmen und bleibt damit in jedem Fall die mit Abstand stärkste politische Kraft im Kosovo. Die Demokratische Partei, die von dem als Kriegsverbrecher angeklagten ehemaligen Freischärlerführer Hashim Thaci gegründet wurde, kam auf etwa 22 Prozent. Die konservative Demokratische Liga erhielt um 18, die Regionalpartei Allianz für die Zukunft etwa sieben Prozent der Stimmen. Zudem sind 20 der 120 Sitze im kosovarischen Parlament für ethnische Minderheiten reserviert, davon die Hälfte für Serben.
Der Wahlkampf im Kosovo war von mehrfachen direkten Einmischungen durch Donald Trumps Sondergesandten Richard Grenell gekennzeichnet. Grenell war in Trumps erster Amtszeit amerikanischer Botschafter in Deutschland sowie Sonderbeauftragter des Präsidenten für „Friedensverhandlungen“ zwischen dem Kosovo und Serbien.
Kurti verweigerte einen Deal
Damals stellte sich Kurti, der gerade seine erste Amtszeit als kosovarischer Regierungschef begonnen hatte, Grenells Versuchen entgegen, im Hauruckverfahren eine „historische Einigung“ zwischen Belgrad und Prishtina vorzubereiten. Sie sollte Trump als triumphalen Wegbereiter eines Durchbruchs erscheinen lassen, an dem die EU mit ihren eigenen Vermittlungsbemühungen jahrelang gescheitert war.
Dass Kurti sich einem eilig zusammengezimmerten und wenig belastbaren Deal verweigerte, hat Grenell ihm nie verziehen. Damals trieb er erfolgreich dessen Sturz voran, indem er eine Koalitionspartei mit Drohungen dazu brachte, die Kooperation mit Kurti aufzukündigen.
Bis heute verfolgt Grenell den seinerseits eigensinnigen kosovarischen Politiker mit tiefer Abneigung und andauerndem Argwohn, was auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint. Kurti besuchte demonstrativ den Nominierungsparteitag der amerikanischen Demokraten im August in Chicago, was ihm den Umgang mit Trumps Team nun nicht leichter macht. Kurz vor der Wahl hatte Grenell Kurti in mehreren über die Plattform X verbreiteten Aussagen bezichtigt, für Washington nicht vertrauenswürdig und seit jeher anti-amerikanisch zu sein. Sowohl die USA als auch die NATO seien gegen Kurti, so Grenell.
„Lasst euch nicht an der Nase herumführen“
Kurti trage für einen Tiefpunkt in den amerikanisch-kosovarischen Beziehungen die Verantwortung. Er sei auch der Grund dafür, dass amerikanische Unternehmen nicht im Kosovo investierten. Den traditionell pro-amerikanisch eingestellten kosovarischen Wählern riet Grenell: „Lasst euch nicht an der Nase herumführen.“
Als Kurti dazu öffentlich Stellung nahm und wahrheitswidrig behauptete, die Beziehungen zwischen dem Kosovo und seiner wichtigsten Schutzmacht seien besser denn je, reagierte Grenell zwei Tage vor der Wahl abermals und nannte die Äußerungen des kosovarischen Ministerpräsidenten „wahnhaft“. Tatsächlich seien die Beziehungen noch nie schlechter gewesen, stellte Grenell richtig.
Über den möglichen Verlauf der nun anstehenden Koalitionsverhandlungen im Kosovo lassen sich keine seriösen Voraussagen treffen, da zu viele Kombinationen möglich sind. Dazu gehört auch die Bildung einer Koalition der bisherigen Oppositionsparteien unter Ausschluss Kurtis.
Ob Grenell als Trumps Sondergesandter seine alte Idee eines „Landtauschs“ zwischen dem Kosovo und Serbien wieder aufnehmen wird, sollte in Prishtina eine ihm genehme Regierung entstehen, ist noch ungewiss. Doch selbst wenn in den kommenden Wochen eine Regierung im Kosovo gebildet wird – ob mit oder ohne Kurti – könnte diese von überschaubarer Lebenszeit sein.
Anfang 2025 muss das Parlament in Prishtina ein neues Staatsoberhaupt wählen, weil das Mandat der kosovarischen Präsidentin Vjosa Osmani ausläuft. Für die Wahl gibt es drei Versuche. Scheitert auch der dritte Anlauf – entweder an einer fehlenden Mehrheit oder aufgrund einer mangelnden Mindestzahl an anwesenden Abgeordneten – wird das Parlament für Neuwahlen aufgelöst. Die politischen Kräfte, die in den kommenden Wochen in die Opposition gedrängt werden, könnten schon in einem Jahr versuchen, eine solche Situation herbeizuführen.