Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen direkt nach dem Duell von Olaf Scholz und Friedrich Merz zeigt: Scholz sehen 37 Prozent der Befragten vorne, 34 Prozent denken, dass Merz besser abgeschnitten hat. Die Forscher titelten darauf, Scholz habe das Duell gewonnen. Doch das sehen die Kommentatoren der großen Zeitungen nicht unbedingt so.
Die Süddeutsche Zeitung findet, Olaf Scholz habe aus seiner schlechten Lage das Beste gemacht. „In der Summe: Merz ist während des Duells das Kunststück gelungen, noch etwas überheblicher zu wirken als Scholz, aber er hat auch nicht entscheidend gepatzt. So konnte Scholz, der Underdog, allenfalls ein wenig Boden gut machen. Für eine Überraschung am Wahltag müsste es deutlich mehr werden.“
Die „Zeit“ lobte den Ton der Debatte als „hinreichend seriös“. Scholz habe angreifen müssen, und er habe die Chance genutzt. Merz habe dagegen keine Fehler machen und nicht provozieren wollen, auch das sei ihm gelungen. Auch den „Charaktertest“ rund um die Abstimmung mit Stimmen der AfD besteht Merz nach Ansicht der „Zeit“. Scholz liefere einen „souveränen, kämpferischen Auftritt ab, mit dem er vielleicht auch deshalb punktet, weil man so etwas schon fast nicht mehr erwartet hätte“. Allerdings sei das „zu wenig“.
Die Zukunft bleibt außen vor
Der Spiegel kritisiert, dass sich Scholz und Merz kaum zur Zukunft des Landes äußern. „Die großen Fragen, mit denen es die Deutschen in den kommenden Jahren zu tun haben, die ihnen viel abverlangen werden, kamen zu kurz.“ Die Folgen von Trumps nationalistischer Politik seien nur gestreift, der Klimawandel kaum angesprochen worden. „Auch beim zweiten großen Thema dieses Wahlkampfs, der Stärkung der Wirtschaft, geht der Blick nicht weit genug nach vorn in die Zukunft, sondern verharrt im Hier und Jetzt.“ Das nüchterne Herunterrattern von Fakten reiche nicht mehr, konstatiert der Spiegel. „Nötig ist Leidenschaft. Das, wonach sich viele Menschen in solch rauen, umwälzenden Zeiten sehnen, sind Wärme, Empathie, das Gefühl, dass die Politik sie und ihre Alltagsnöte versteht. Scholz und Merz hinterlassen jedoch eine emotionale Leerstelle.“
Das Handelsblatt zeigt sich erschüttert, angesichts der „Ideenlosigkeit zur Sicherung unseres Wohlstands“. „Warum Merz und Scholz von sich aus nicht über Bildung, Innovation, Künstliche Intelligenz (KI) und Forschung sprachen, bleibt ein Rätsel.“ Während die Vereinigten Staaten und China den Wahlstand der Zukunft gerade neu verteilten, stehe Europa nur am Rand. Vor allem, dass Scholz und Merz KI nicht erwähnen, ärgert das Handelsblatt:: „Während Trump KI zur Chefsache macht, ist es Merz und Scholz in einer so wichtigen Debatte kein Wort wert.“
Merz liegt vorn
Die taz stellt fest, dass Grüne und SPD dem rechten Zeitgeist hinterher rennen. „Scholz rühmte sich seiner Verdienste als Abschiebekanzler – noch nie habe es schärfere Gesetze gegeben als unter seiner Ägide, und die wirksamsten Zuzugsbeschränkungen – mit Asyllagern an Europas Außengrenzen – würden ja schon nächstes Jahr in Kraft treten. Bravo!“ Merz wiederum habe den Eindruck vermittelt, „als hätte er sich gedanklich bereits auf die SPD als Juniorpartnerin eingestellt“. In dieser Neuauflage der Großen Koalition gebe die Union die großen Linien vor und die SPD wäre für „soziale Korrekturen und das Kleingedruckte zuständig“, meint die taz. „Leider ist zu befürchten, dass die Sozialdemokraten genau diesen Weg einschlagen werden, man hofft nur, dass sie sich nicht zu billig verkaufen.“
Die „Welt“ kommentiert: „Ein glattes Unentschieden, also hat der Kanzler verloren“. Er habe trotz seiner eigentlich besseren Ausgangslage als amtierender Regierungschef aufgrund der Umfragewerte und seiner sinkenden Beliebtheit angreifen müssen. Merz gab sich dagegen eher staatsmännisch. Beide Kandidaten hätten sich aber angestrengt, das Duell sowohl mit Zahlen und ihrer Rhetorik zu gewinnen.
Die Neue Züricher Zeitung findet die Debatte war „hart“, doch „meistens fair“. Merz habe seine Botschaft „glaubhaft auf den Punkt“ gebracht: „Wer keine Steuererhöhungen möchte, die illegale Migration leid ist und den übergroßen Sozialstaat ablehnt, der hat in Merz und der CDU/CSU eine solide Option für die Wahl am 23. Februar.“ Scholz habe es dagegen schwieriger gehabt. „Konfrontiert mit der Deindustrialisierung und dem außer Kontrolle geratenen Asylsystem, kämpfte er fast den ganzen Abend bergauf, schlug sich aber den Umständen entsprechend passabel.“