Nach einer neuen EU-Verordnung dürfen jetzt Mehlwürmer mit erhöhtem Vitamin-D-Gehalt in Lebensmitteln enthalten sein. Welche Produkte sind betroffen? Und wie sinnvoll ist das Ganze?
In bestimmten Lebensmitteln wie Brot oder Käse dürfen nach neuer EU-Verordnung jetzt auch bis zu vier Prozent Mehlwurmpulver enthalten sein. Mehlwürmer und andere Insekten sind zwar schon seit mehr als drei Jahren (Mai 2021) für Lebensmittel zugelassen. Neu ist nun, dass das neue Produkt aufgrund einer besonderen UV-Behandlung mehr Vitamin D enthält.
Mit diesem Zusatz an Insektenmehl sollen Produkte gezielt mit wertvollen Nährstoffen angereichert werden, die Verbraucherinnen und Verbraucher sonst nur oder vor allem aus weniger nachhaltigen Lebensmitteln wie Fleisch oder Milchprodukten bekommen.
“Wir wissen, dass es eben eine gute Proteinquelle ist, dass auch weitere wichtige Nährstoffe in den Speiseinsekten enthalten sind, zum Beispiel Omega-3-Fettsäuren, die für uns auch ganz wichtig sind, auch B-Vitamine, Mineralstoffe”, erklärt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im SWR.
Mehr Nährstoffe durch Insektenmehl?
Eine Methode, um Lebensmittel billig zu strecken, sei Insektenmehl nicht, beruhigt die Expertin. Im Gegenteil: Insektenmehl sei sogar teurer als herkömmliches Mehl, die entsprechenden Produkte auch. “Und es ist ja so, dass diese Produkte speziell dafür entwickelt wurden”, so Holzäpfel. “Das heißt, sie haben auch im Namen meistens den Hinweis auf Insekten, sie haben entsprechende Bilder drauf. Also es ist nicht so, dass das irgendwie heimlich untergemischt wird, da braucht sich niemand Sorgen machen.”
Zudem schreibt die EU vor, dass Insektenmehl in der Liste der Inhaltsstoffe und als Allergiehinweis auf der Verpackung stehen muss. Denn Menschen, die eine Allergie gegen Krebstiere oder Hausstaubmilben haben, können auch auf das Mehlwurmpulver allergisch reagieren.
Die Behandlung mit UV-Strahlung für mehr Vitamin D ist zwar den meisten nicht bekannt, aber in der Lebensmittelindustrie kein neues Verfahren, wie die Ernährungsexpertin Holzäpfel erklärt. Bekannt sei die UV-Behandlung mehr aus der Haltbarmachung, um Keime abzutöten.
“Diese Behandlung mit UV-Licht, um den Vitamin-D-Gehalt zu erhöhen, das ist neuartig in dem Sinn, dass es noch keine lange Tradition hat”, sagt die Verbraucherschützerin. “Gleichzeitig gibt es auch da schon Zulassungen für andere Lebensmittel – nämlich für Pilze, Bäckerhefe und auch für Milch, sodass es jetzt auch in diesem Fall nicht ganz neu ist.” Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die das Produkt geprüft hat, stuft das Verfahren als sicher ein.
Vitamin D besser durch Sonne aufnehmen
Nach der industriellen Züchtung und Trocknung der Larven werden die Mehlwürmer mit UV-Licht bestrahlt. Durch diesen Prozess wird der Gehalt an Vitamin D3 im Mehlwurmpulver erhöht. Solch ein Verfahren zur Anreicherung mit Vitamin D wird bereits teilweise bei Speisepilzen angewandt. Gerade in den jetzigen Wintermonaten könnten Verbraucherinnen und Verbraucher von einem erhöhten Vitamin-D-Gehalt profitieren, so scheint es. Bei Erwachsenen kann ein Vitamin-D-Mangel zu brüchigen Knochen und zur Muskelschwäche führen. Auch unser Immunsystem kann unter einem Vitamin-D-Mangel leiden.
Doch ein wirkliches Verkaufsargument für die mit Vitamin D angereicherten Mehlwürmer ist das nicht. Zwar deckt die in vier Gramm Mehlwurmpulver enthaltene Menge an Vitamin D ein Sechstel des Tagesbedarfs, doch viel wichtiger sei die körpereigene Bildung durch einstrahlende Sonne, stellt Holzäpfel klar: “Das ist eigentlich auch der größere Anteil und auch der wichtigere, um den man sich auch gerne ein bisschen kümmern darf. Niemandem schadet es, bei frischer Luft und gutem Wetter draußen spazieren zu gehen, das hat gleich mehrere positive Effekte.”
Man dürfe sich davon nicht erhoffen, dass Mehlwurmpulver extrem viel Vitamin D liefert, so Holzäpfel. Es könne einen Beitrag leisten, sei jedoch nicht entscheidend.
Keine Überdosis-Gefahr beim Mehlwurmpulver
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft warnt zudem ausdrücklich vor der Gefahr einer möglichen Überdosierung von Vitamin D durch die langfristige Einnahme hoher Dosen des Vitamins. Es bestehe dadurch beispielsweise die Gefahr eines akuten Nierenversagens. Zu viel Vitamin D kann den Kalziumspiegel erhöhen, was langfristig etwa zu Nierensteinen, Magen-Darm-Beschwerden und Gefäßerkrankungen führen kann.
Eine konkrete Gefahr der Überdosis geht vom neuen Mehlwurmpulver wohl nicht aus. Durch die UV-Behandlung steigt der Vitamin-D-Gehalt im Präparat lediglich auf ein mit anderen Lebensmitteln vergleichbares Maß.
Insektenpulver bleibt erstmal Nischenprodukt
Wer aus Nachhaltigkeitsgründen Produkte mit Insektenmehl kauft, kann sich also in Zukunft überlegen, mit dem Mehlwurmpulver des französischen Herstellers Nutri’Earth eine etwas nährstoffreichere Alternative zu wählen – einen großen Effekt hat das nach Einschätzung von Sabine Holzäpfel aber nicht.
Bislang ist das französische Unternehmen auch das einzige, das die Zulassung für ein entsprechendes Produkt hat – ein Kritikpunkt, da es damit zunächst einen Vorteil gegenüber anderen Herstellern hat. Weil sich der Verkauf nicht wirklich lohnt, sind Produkte mit Insektenmehl allerdings ohnehin nur selten in Supermarktregalen zu finden. UV-behandeltes Mehlwurmpulver bleibt zunächst also eine eher exotische Zutat.