„Öffnen Sie die Wahllokale, die Stimmzettel sind gedruckt, die Rumänen wollen wählen“, sagte Călin Georgescu am Sonntag. Dass die zweite Runde der Präsidentenwahl abgesagt worden war, hinderte den rechtsradikalen Überraschungssieger der annullierten ersten Runde Ende November nicht daran, trotzdem zum Wahllokal zu gehen. Zusammen mit Dutzenden Anhängern verlangte er in einem Vorort der Hauptstadt Bukarest Einlass.
Das rumänische Verfassungsgericht hatte am Freitag die komplette Wahl annulliert, weil eine mutmaßlich von Russland orchestrierte Cyberkampagne zugunsten Georgescus den Wahlprozess auf verbotene Weise beeinflusst haben soll. Georgescu erhob seinerseits schwere Vorwürfe. „Sie hatten Informationen, dass ich in der Diaspora über 80 Prozent habe. Deshalb haben sie die zweite Runde gestoppt“, behauptete Georgescu am Sonntag ohne Belege. Zuvor bezichtigte er gegenüber dem britischen Sender Sky News eine Gruppe von EU- und NATO-Staaten, Druck ausgeübt zu haben. „Sie brauchen den Krieg“, behauptete der Politiker, der sich gegen die Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Überfall ausgesprochen hat und auch die ukrainischen Getreideexporte über Rumänien stoppen will.
Auch George Simion, der Vorsitzende der in der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag zu zweitstärksten Kraft aufgestiegenen Rechtsaußenpartei AUR, erschien am Sonntag mit Anhängern vor einem Wahllokal. Wie Georgescu sprach er von einem „Staatsstreich“ und kündigte rechtliche Schritte an. Simion bezichtigte den bisherigen Präsidenten Klaus Johannis, die Macht an sich reißen zu wollen. Das Verfassungsgericht hatte die Wahl annulliert, nachdem Johannis auf Forderung mehrerer Nichtregierungsorganisationen Geheimdienstdokumente hatte veröffentlichen lassen. Diese waren dem Präsidenten in seiner Funktion als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrats schon zwischen der ersten Präsidentenwahlrunde und der Parlamentswahl vorgelegt worden.
Durchsuchungen bei einem Unternehmer
Die proeuropäische Antikorruptionskandidatin Elena Lasconi, die nach dem Ergebnis der ersten Wahlrunde ebenfalls in die Stichwahl gekommen wäre, kritisierte die Entscheidung des Gerichts ebenso. Sie sprach in einem Facebook-Beitrag am Samstagabend von einer „willkürlichen Entscheidung“, rief ihre Anhänger aber dazu auf, am Sonntag nicht zu den Wahllokalen zu strömen.
Positiv zur Annullierung äußerten sich hingegen Ministerpräsident Marcel Ciolacu von der postkommunistischen sozialdemokratischen Partei PSD, der selbst den Einzug in die Stichwahl verpasst hatte, sowie der liberalkonservative Koalitionspartner PNL, dessen Vorsitzender Johannis vor seiner Wahl zum Präsidenten war. Seit Jahren werden in Rumänien allerdings Vorwürfe laut, die PSD übe auf das Verfassungsgericht großen Einfluss aus. Auch liberale Kreise kritisierten den schon vor der ersten Wahlrunde erfolgten Ausschluss der extrem rechten fraktionslosen EU-Abgeordneten Diana Șoșoacă.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Georgescu-Kampagne fanden am Wochenende Durchsuchungen statt. Im siebenbürgischen Brașov nahmen Ermittler den Unternehmer Bogdan Peşchir ins Visier. Er soll den geheimdienstlichen Vorwürfen zufolge mehr als eine Million Euro für Tiktok-Werbung zugunsten Georgescus aufgewendet haben, während Georgescu selbst seine Wahlkampfausgaben mit null deklarierte. Georgescu sagte am Sonntag in seinem Auftritt vor dem Wahllokal, Peşchir nicht zu kennen. Peşchir selbst bestätigte Zahlungen an Influencer, die Georgescu unterstützten, bestritt aber ebenso, mit dem Politiker direkt in Kontakt gestanden zu haben.
Zu mehreren Festnahmen kam es am Samstag im Nachgang einer Gedenkveranstaltung für den Führer der faschistischen Legionärsbewegung der Zwischenkriegszeit, Corneliu Codreanu. Teilnehmern wurde das Zurschaustellen von verbotenen Symbolen und Gesten wie dem faschistischen Gruß vorgeworfen. Auf Codreanu hat auch Georgescu in der Vergangenheit positiv Bezug genommen. Die Veranstaltung, der auch die ausgeschlossene Präsidentschaftskandidatin Șoșoacă beiwohnte, fand allerdings schon am 30. November statt. Auch hier steht der Vorwurf eines plötzlichen und politisch motivierten Aktionismus im Raum.