Seit fast einem Jahr grassiert das Vogelgrippevirus H5N1 bei Milchkühen in den USA. Jetzt wurde eine zweite Variante nachgewiesen. Könnte dieser Erreger auch auf den Menschen überspringen?
Bei der Überprüfung eines Milchtanks im US-Bundesstaat Nevada ist das Virus H5N1 nachgewiesen worden – nicht die Variante B3.13, die seit knapp einem Jahr in den USA zirkuliert, sondern eine andere Variante, die das Kürzel D1.1 trägt. Das stellte die Überwachungseinrichtung des Landwirtschaftsministeriums bei der anschließenden Sequenzierung der Proben fest.
D1.1. ist für die Vogelgrippe-Forschenden keine Unbekannte: Sie zirkuliert bei Millionen von Wildvögeln weltweit und das bereits seit Jahren. Auch in den USA ist sie die dominante H5N1-Variante bei den Wildvogelpopulationen.
Dennoch sind die Forschenden vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit beunruhigt, dass es jetzt auch diese Virusvariante geschafft hat, sich an Milchkühe anzupassen. Denn jahrzehntelang ist das nicht passiert. Außerdem weist die Virologin Barbara Wieland vom Eidgenössischen Departement des Innern aus der Schweiz darauf hin, dass diese Variante eine Mutation in einem speziellen Protein aufweist, die “eine Virusvermehrung im Säugetier erleichtern könnte”.
Risiko für den Menschen?
Inwieweit diese Virusvariante für den Menschen gefährlich ist, können die Forschenden bisher nicht sicher sagen. In den vergangenen Monaten sind zwei Infektionen mit D1.1 gemeldet worden: Ein älterer Mann in Louisiana hat sich vermutlich bei seinen Hühnern angesteckt und ist an der Infektion gestorben. Außerdem hat sich ein Teenager in Kanada mit dieser Variante infiziert: Das 13-jährige Mädchen lag wochenlang schwerstkrank auf der Intensivstation, bevor es die Klinik wieder verlassen konnte.
Dennoch ist es bisher auch mit dieser Variante noch zu keiner Mensch-zu-Mensch-Übertragung gekommen. Die beiden Fälle können als Hinweis auf eine mögliche Erkrankungsschwere verstanden werden, aber wissenschaftlich ist das nicht eindeutig. Bisher fehlen dafür schlichtweg die Daten, so die Forschenden.
Verbreitung vermutlich über Melkgeschirr
Wie genau H5N1 zu den Kühen kommt, können die Forschenden bisher nicht beantworten – und zwar für beide Varianten nicht. Es ist möglich, dass der Übersprung von D1.1 von den Wildvögeln auf die Kühe dadurch zustande kam, dass die Viruslast damit in den USA bei den Wildvögeln besonders hoch ist. Und dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch Säugetiere damit anstecken. Aber der genaue Weg ist nicht bekannt.
Fest aber steht, dass es im Euter der Kuh Rezeptoren gibt, an die das H5N1-Virus andockt und sich dann dort vermehrt. Und vermutlich, so der bisherige Forschungsstand, hat sich das Virus dann über das Melkgeschirr oder den Transport von infizierten Kühen in den USA von Staat zu Staat verbreitet.
Bisher konnte die Ausbreitung des Virus nicht gestoppt werden. Das sieht der Virologe Martin Schwemmle von der Universität Freiburg als Warnung dafür an, dass H5N1 “auch in Zukunft die Artengrenze überwinden” kann. Der zweite Eintrag von H5N1 innerhalb eines Jahres erstaunt und besorgt die Forschenden. Denn: Je mehr diese Viren in Nutztierpopulationen zirkulieren, desto größer das Risiko für einen Übersprung auf den Menschen.