Seit einigen Wochen müssen sich mehrere Angeklagte, darunter ein früherer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, vor dem Oberlandesgericht München wegen des Verdachts der Bestechung und der Bestechlichkeit von Mandatsträgern in der sogenannten Aserbaidschan-Affäre verantworten. Staatsanwälte werfen unter anderem zwei ehemaligen Union-Bundestagsabgeordneten vor, Millionenbeträge von dem autokratischen Regime des Präsidenten Ilhan Alijew angenommen zu haben.
Was als ein gutes Zeichen für die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsdelikten im öffentlichen Sektor zu werten wäre, stellt nach Ansicht von Fachleuten und Führungskräften aus Politik, Wissenschaft und unabhängigen Organisationen wie Transparency International jedoch keine nachhaltige Entwicklung dar. Im Gegenteil: Deutschland investiert zu wenig in die Prävention und Bekämpfung von Korruption in der Politik und seiner öffentlichen Verwaltung und fällt im globalen Vergleich zurück
Viele Staaten auf historischen Tiefststand
Zu diesem Ergebnis kommt der am Dienstag von Transparency International veröffentlichte Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) für das Jahr 2024, in dem Deutschland nur noch auf dem 15. Platz von 180 untersuchten Staaten liegt. Mit einer Punktezahl von 75 (im Vorjahr 78 Punkte) rutscht die Bundesrepublik im Vergleich zum Jahr 2023 um sechs Plätze ab. Es ist der niedrigste Wert seit der ersten Veröffentlichung des CPI im Jahr 2012.
Damit reiht sich Deutschland in eine globale Momentaufnahme ein. Mehr als ein Viertel aller Länder befindet sich auf dem für sie niedrigsten Punktwert. Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency Deutschland, sprach bei der Vorstellung des CPI von einem „besorgniserregenden Trend“. Korruptionsbekämpfung gehöre „ganz oben“ auf die politische Prioritätenliste. „Seit 2012 tritt Deutschland mehr oder weniger auf der Stelle, aber drei Punkte weniger als im Vorjahr zeigen, dass die Bundesrepublik bei der Bekämpfung von Korruption im Vergleich mit anderen Ländern ins Hintertreffen gerät“, sagt Herzog.
Neben der wiederholten Forderung nach einem bundesweiten Transparenzregister spricht sie sich vor allem für eine Reform der Parteienfinanzierung in Deutschland aus. Mangelnde Transparenz und unkontrollierte Großspenden – zum Teil aus dem Ausland – gefährdeten den fairen politischen Wettbewerb und untergrüben das Vertrauen in die Demokratie.
Klimakrise und Korruption
Ein besonderer Schwerpunkt des CPI 2024 ist die Klimakrise. So sieht Margarete Bause, stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland und Leiterin der AG Klima und Umwelt, dass Korruption und Interessenkonflikte in der internationalen Klimapolitik die zentralen Probleme bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen seien. „Das liegt vor allem daran, dass Unternehmen mit fossilen Geschäftsmodellen – etwa Öl- oder Gaskonzerne – und ihre gut vernetzten Lobbygruppen aktiv klimapolitische Maßnahmen behindern und abschwächen.“ Auch kämen Fördergelder nicht dort an, wo sie besonders gebraucht würden, beklagte Bause.
Auch Deutschland müsse handeln. So sei der Einfluss der fossilen Lobby hier besonders stark. Als Beispiele nannte sie die von Stiftungen begleitete Durchsetzung der Nord-Stream-Pipelines, die Einflussnahme der deutschen Automobilindustrie auf die Brüsseler Pläne zum Verbrenner-Ausstieg sowie den Skandal um gefälschte Klimaschutzprojekte in China. „Dieses Betrugsmodell hat nicht nur einen finanziellen Schaden von mutmaßlich über eine Milliarde Euro verursacht, sondern es untergräbt auch das Vertrauen in die Klimafinanzierungs- und Transformationsmaßnahmen – und damit nicht zuletzt in die Demokratie“, betonte Bause.
Der CPI ist laut Transparency International der international bekannteste Korruptionsindikator. Er fasst 13 Einzelindizes von 12 unabhängigen Institutionen zusammen, die auf Befragungen von Fach- und Führungskräften zu ihrer Wahrnehmung von Korruption in Politik und Verwaltung beruhen. Die Punkteskala reicht von 100 Punkten (keine Anzeichen von Korruption) bis zu null Punkten (hohe Wahrnehmung von Korruption).
Spitzenplatz für Dänemark
Zum siebten Mal in Folge führt Dänemark (90 Punkte) die Rangliste an, gefolgt von Finnland (88) und Singapur (84). Wie in den Vorjahren bilden Syrien, Venezuela, Somalia und der Südsudan die Schlusslichter der CPI-Rangliste. In Europa und unter den EU-Mitgliedstaaten zeigt sich ein deutliches Gefälle zwischen Skandinavien und Südosteuropa, wo das von Viktor Orban regierte Ungarn (41 Punkte) Schlusslicht bleibt.
Mit 65 Punkten teilen sich die Vereinigten Staaten und die Bahamas den 28. Platz. In der Platzierung der Amerikaner blieb die jüngste Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ohne Berücksichtigung. Trump hat seine Justizministerin Pam Bondi angewiesen, das wichtige Anti-Korruptionsgesetz (FCPA) auszusetzen, das Grundlage für Maßnahmen gegen US-Unternehmen ist, die der Bestechung ausländischer Beamter beschuldigt wurden. „Auf dem Papier klingt es gut, aber in der Praxis ist es eine Katastrophe“, zitierte die „Financial Times“ Präsident Trump. Schon in Vergangenheit hatte er sich gegen den FCPA ausgesprochen, weil er darin einen Wettbewerbsnachteil für amerikanische Firmen bei ihren Auslandsaktivitäten sieht.