Wie die Atommüll-Entschärfung gelingen könnte: Studie zur Transmutation

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Die radioaktiven Abfälle aus Kernkraftwerken können nach einer Studie von Experten der TU München und des TÜVs in deutlich weniger schädliche Elemente umgewandelt werden. Die Umsetzungsstudie für den Bau einer sogenannten Transmutationsanlage wurde von der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND in Auftrag gegeben. Dabei wurde ein Szenario durchgespielt, bei dem die Umwandlungsanlage in einem der stillgelegten Atomkraftwerke entsteht, die in Deutschland mittlerweile als Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll dienen. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) reagierte mit Skepsis auf die Studie.

Bei der Transmutation handelt es sich um eine spezielle Behandlung radioaktiver Abfälle. Sie soll vor allem dafür sorgen, dass die Strahlungsintensität des Mülls verringert und die Halbwertszeit extrem verkürzt wird. Um diese Ziele zu erreichen, werden bei dieser Methode die Atomkerne alter Brennstäbe mit Neutronen beschossen. Dabei sollen die Kerne zerfallen und weniger gefährliche Elemente entstehen.

Radioaktivität und Strahlungsdauer werden verringert

Neben der eigentlichen Umwandlung der radioaktiven Abfälle ermöglicht das Projekt der Studie zufolge auch die Rückgewinnung verschiedener wertvoller Materialien aus abgebrannten Brennelementen. Dazu gehören unter anderem Uran sowie die wertvollen Edelmetalle Rhodium und Ruthenium, die in verschiedenen Industriezweigen benötigt werden.

Daneben fallen bei dem Umwandlungsprozess die Edelgase Xenon und Krypton an. Außerdem können die Elemente Cäsium und Strontium gewonnen werden, die unter anderem als sogenannte Radioisotope in der Medizin oder Forschung verwendet werden. Durch den Prozess entsteht zudem viel Hitze, die in Fernwärme-Netze eingespeist werden könnte.

Illustration der Transmutationsanlage von Transmutex. Abgebildet sind der unterkritische Kernreaktor (links) mit Brennstäben aus aufbereitetem Atommüll und der Zyklotronbeschleuniger (rechts). Letzterer liefert energiereiche Protonen, die über Spallation schnelle Neutronen für die Kernspaltung produzieren. Die Kernspaltung bricht sofort ab, wenn keine Neutronen mehr erzeugt werden.
Illustration der Transmutationsanlage von Transmutex. Abgebildet sind der unterkritische Kernreaktor (links) mit Brennstäben aus aufbereitetem Atommüll und der Zyklotronbeschleuniger (rechts). Letzterer liefert energiereiche Protonen, die über Spallation schnelle Neutronen für die Kernspaltung produzieren. Die Kernspaltung bricht sofort ab, wenn keine Neutronen mehr erzeugt werden.Transmutex

Die Studie geht in dem Anwendungsszenario davon aus, dass eine Anlage des Schweizer Unternehmens Transmutex aus Genf zum Einsatz kommen würde. Als möglicher Standort komme eines der 16 Zwischenlager für Atommüll infrage, auch weil dadurch kein Atommüll quer durch Deutschland bewegt werden müsse. In der Bundesrepublik gibt es zwei zentrale Zwischenlager in Gorleben und Ahaus sowie 14 dezentrale Zwischenlager, darunter zwölf Standorte, die sich an oder in der Nähe von ehemaligen Atomkraftwerken befinden, sowie spezielle Lager wie Jülich und Lubmin, die eine Sonderstellung einnehmen.

Bundesamt BASE äußert Vorbehalte

Die Bundesagentur für SPRIND erklärte, schon die erste Demonstrationsanlage wäre laut der Studie hochrentabel. Die Anlage würde die Investitionskosten von rund 1,5 Milliarden Euro und jährlichen Betriebskosten von gut 115 Millionen Euro mehrfach wieder einspielen. Den Kosten stünden nämlich Einnahmen aus den gewonnenen Elementen, der Entsorgung atomarer Abfälle und aus der Prozesswärme gegenüber. Bei einem Betrieb an einem ehemaligen AKW-Standort würden sich die Baukosten um rund 30 Prozent verringern.

Die nicht wieder verwertbaren Abfälle des untersuchten Kernkraftwerks ließen sich voraussichtlich innerhalb der Mindestbetriebsdauer der Anlage von 50 Jahren umwandeln. Die Halbwertszeit werde dadurch für langlebige Radionuklide wie die Transurane von ein einigen zehntausend Jahren auf rund 800 Jahre verringert. Ein Endlager müsste, so die Überlegung, nicht mehr für eine Millionen Jahre sicher sein, wie es in Deutschland angestrebt wird. Dadurch könnte sich die Endlagersuche hierzulande vereinfachen.

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) reagierte mit Vorbehalten gegen die Studie. Deren Ideen seien grundsätzlich nicht neu und klängen zunächst verlockend – hochradioaktive Abfälle so umwandeln, dass ein tiefengeologisches Endlager überflüssig würde. „Eine Umsetzbarkeit dieser Behauptung sieht das BASE nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen jedoch nicht“, erklärt das Bundesamt.

Die Anlage sehe gleich drei Komponenten vor, von denen keine heutzutage existiere: einen Teilchenbeschleuniger, eine nukleare Wiederaufarbeitungsanlage und einen neuartigen Kernreaktor. Die für eine erfolgreiche Realisierung notwendigen technologischen Entwicklungen befänden sich auf dem Niveau von Papier- oder maximal Laborstudien, heißt es in der Stellungnahme.