Als Baschar al-Assad im Juni 2000 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters antrat, hofften einige in Syrien auf eine bessere Zukunft. Ein junger Augenarzt von 34 Jahren, in seinem Auftreten zurückhaltend, mit einer modernen Frau an seiner Seite. Der junge Assad hatte einen Teil seiner Ausbildung in London absolviert und dort die zehn Jahre jüngere Asma kennengelernt: eine in Großbritannien geborene Finanzanalystin mit syrischen Wurzeln, die mit ihrem offenen Haar die perfekte Projektionsfläche für jene Menschen war, die von einem fortschrittlichen Syrien träumten.
Baschar, so heißt es, soll technisch sehr interessiert gewesen sein und hatte ein völlig anderes Leben im Blick, bis 1994 sein älterer Bruder Basil bei einem Autounfall ums Leben kam. Kurz darauf wurde Baschar nach Syrien zurückbeordert, um sich an der Stelle des großen Bruders, zu dem er ein komplexbeladenes Verhältnis gehabt haben soll, auf die Nachfolge seines Vaters Hafiz al-Assad vorzubereiten.
Kurzer Damaszener Frühling
Der hatte Syrien seit 1970 mit harter Hand regiert und jede Opposition im Keim erstickt. In den ersten Regierungsjahren von Baschar schien es, als würde er manche Hoffnungen wirklich erfüllen. Er lockerte die Zensur und machte sich an die Modernisierung der verkrusteten Wirtschaft, die unter der jahrzehntelangen Herrschaft der sozialistischen Baath-Partei gelitten hatte. 2001 wurde der junge Präsident sogar von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Deutschland empfangen.
Doch wie so oft entfaltete die politische Öffnung schnell eine eigene Dynamik. Der Wunsch nach mehr wurde laut. Wann genau Assad die Hebel umlegte, ist im Nachhinein nicht leicht zu bestimmen – und auch nicht, ob er selbst es war oder das Machtkartell der alten Kampfgefährten seines Vaters, die weiter den riesigen Sicherheitsapparat des Landes kontrollierten. Jedenfalls zog das Regime die Zügel schnell wieder enger an. Die meisten wirtschaftlichen Reformen verliefen im Sande, weil die alten Eliten ihre Pfründe bewahren wollten.
Als 2005 in Beirut der frühere libanesische Ministerpräsident Rafiq Hariri ermordet wurde, ebenfalls ein Hoffnungsträger für viele Menschen der Region, wurde bald offenbar, dass der syrische Sicherheitsapparat seine Hände im Spiel gehabt hatte. Der internationale Druck auf Assad wurde schnell so groß, dass er gezwungen war, die syrische Armee nach 30 Jahren militärischer Präsenz aus Libanon abzuziehen.
Der Weg in den Bürgerkrieg
Der kurze Damaszener Frühling war da bereits in einen neuen Winter übergegangen. 2007 ließ Assad sich als Präsident bestätigen, doch seine politischen Gegner waren da längst wieder mit den alten Mitteln kaltgestellt. Als die Menschen Anfang 2011 in der gesamten arabischen Welt auf die Straße gingen, weckte das auch in Syrien neue Hoffnung auf einen Wandel. In mehreren Städten des Landes wagten sich die Bürger auf die Straße und stellten politische Forderungen, die sich anfangs größtenteils gar nicht gegen Assad richteten, sondern für einen Reformprozess innerhalb des bestehenden Systems.
Doch Assad, der schon in seinen ersten Jahren erfahren hatte, wie schnell die Hoffnung auf politische Öffnung plötzlich Fahrt aufnehmen kann, zeigte sich zu keinen Zugeständnissen bereit. Schon in seiner ersten Rede behauptete er, die Reformbewegung sei eine vom Ausland gesteuerte Verschwörung, um die Macht in Syrien zu übernehmen. Assad schickte die Armee los, um die Demonstrationen überall im Land niederzuschießen.
Die Proteste weiteten sich vor allem in jenen Gegenden, die schon unter der Gewaltherrschaft von Assads Vater gelitten hatten, schnell zu lokalen Revolten aus. Immer öfter wurde nun auch Assads Rücktritt gefordert. Im April 2011 kündigte Assad zwar einen „Nationalen Dialog“ an, der zu Verfassungsänderungen führen sollte, und hob den seit 1963 geltenden Ausnahmezustand auf. Gleichzeitig gingen seine Sicherheitskräfte aber mit aller Härte gegen Demonstranten vor. Als im Juli 2011 Hunderttausende Menschen in Hama auf die Straße gingen, richtete die Armee ein Blutbad an.
An der Seite Moskaus und Teherans
Immer mehr Gruppen im multiethnischen Syrien griffen zu den Waffen, oft tatsächlich von ausländischen Förderern unterstützt. Spätestens 2012 entwickelte sich die Lage zu einem Bürgerkrieg, in dem zeitweise bis zu hundert verschiedene Milizen mit- und gegeneinander kämpften. Den Vormarsch islamistischer Milizen nutzte Assad fortan, um sich als Verteidiger des alten, multiethnischen Syriens zu gerieren. Seine Armee ging mit absoluter Härte vor. Im Sommer 2013 setzte sie sogar Giftgas ein. Das hatte der damalige US-Präsident Barack Obama zuvor als „rote Linie“ bezeichnet, bei deren Übertretung die Vereinigten Staaten selbst eingreifen müssten.
Assad schaffte es jedoch, sich diplomatisch aus der Sackgasse zu winden, indem er seine Chemiewaffen in einem international begleiteten Prozess abgab. Als Ende 2013 die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) immer größere Teile Nordsyriens eroberte, änderte sich die Dynamik des Konflikts. Die Amerikaner gingen mithilfe kurdischer Milizen gegen den IS in Nordsyrien vor. Assad hatte Iran und die Teheran hörige libanesische Hizbullah auf seiner Seite.
Die Wende zu seinen Gunsten kam spätestens, als ihm Russland 2015 mit massiven Luftangriffen beisprang. Als seine Truppen 2016 Aleppo zurückeroberten, sah es so aus, als hätte Assad den syrischen Rumpfstaat wieder fest im Griff. Das alte Machtkartell glich immer mehr einem Mafiaclan, der beträchtliche Gewinne durch den Handel mit dem Aufputschmittel Captagon erwirtschaftete.
In jüngster Zeit schien es, als hätte es Assad endgültig geschafft. Die Arabische Liga, die ihn lange als Paria behandelt hatte, empfing Assad wieder in ihrer Mitte. Auch im Westen wurde offen über eine diplomatische Wiederannäherung nachgedacht, schon um Wege für eine Rückkehr der Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge zu ebnen. Doch dann entwickelte sich in Syrien eine neue Dynamik – und Assads Herrschaft fiel in wenigen Tagen in sich zusammen.