Aufträge gegen Geld für Ukrainewiederaufbau

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Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft wirbt trotz des andauernden Überfalls Russlands auf die Ukraine für Kontakte mit der Führung in Moskau. Grundsätzlich müsse man die Kommunikationskanäle auf politischer Ebene offenhalten, sagte die Vorsitzende des Vereins der deutschen Osthändler, Cathrina Claas-Mühlhäuser, und ergänzte: „Man muss miteinander sprechen, das fänd’ ich persönlich gut.“ Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt Mitte November mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert hatte, war er dafür in Teilen der Öffentlichkeit heftig kritisiert worden.

Der Ostausschuss hoffe, dass der Krieg gegen die Ukraine bald beendet werde, sagte Claas-Mühlhäuser. Ob deutsche Unternehmen damit die Erwartung verbänden, möglichst bald wieder in Russland zu investieren, könne sie nicht sagen. Kurzfristig sei das wohl eher nicht möglich. Aber sie hoffe, dass man „irgendwann, und sei es in 20 Jahren, als Ostausschuss unsere Aufgabe auch wieder wahrnehmen könne, Geschäft zu generieren“.

Nach den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes ist der deutsche Russlandhandel im vergangenen Jahr abermals eingebrochen, um ein Viertel auf 9,4 Milliarden Euro. Während die Einfuhr um die Hälfte schrumpfte, gab die deutsche Ausfuhr, das waren vor allem Pharmazeutika und chemische Produkte, um 15 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro nach. Russland rangiere unter den deutschen Handelspartnern noch auf Platz 45.

Ukrainehandel überholt den mit Russland

Die Osthändler bestreiten, dass der anhaltend hohe Zuwachs deutscher Exporte in die mit Russland wirtschaftlich eng verbundenen Staaten der GUS auf eine Umgehung von Sanktionen deute. Für Russland kriegswirtschaftlich bedeutsame, sanktionierte Produkte aus dem Westen kämen auf anderen Wegen ins Land, sagte Ostausschuss-Geschäftsführer Michael Harms.

Erstmals überholte die Ukraine im vergangenen Jahr Russland mit Rang 39 in der Liste der deutschen Außenhandelspartner. Dass der Warenaustausch auf 11,7 Milliarden Euro stieg, lag nicht zuletzt an Waffenlieferungen, die in der Exportstatistik unter „sonstige Fahrzeuge“ und „Waren, ansonsten nicht angegeben“ aufgelistet sind. Doch verbuchten auch alle anderen Branchen Zuwächse im Ukrainegeschäft. Dass deutsche Investoren – darunter Baustoffhersteller, Energieunternehmen und Agrarkonzerne – mitten im Krieg in der Ukraine investierten, sei „eine sehr positive Entwicklung“.

Claas-Mühlhäuser warb zugleich („Ich sage das mal so offen“) dafür, Finanzhilfen für den Wiederaufbau der Ukraine stärker an die Beteiligung deutscher und europäischer Unternehmen zu knüpfen. Man suche mit der Ukraine eine wirtschaftliche Partnerschaft. Dann helfe nicht, wenn asiatische Konkurrenten mit europäischem Geld finanzierte Ausschreibungen gewännen. Deutschland müsse sich fragen: „Warum sollten wir das machen, wenn wir dadurch keine wirtschaftliche Partnerschaft erreichen?“ Amerika verfolge da einen viel eigennützigeren Ansatz.

Bedeutung Polens für deutsche Wirtschaft immer wichtiger

Alles in allem habe sich der deutsche Außenhandel mit den 29 Staaten im Osten Europas und Zentralasiens auch 2024 als Stütze der deutschen Exportwirtschaft erwiesen. Mit 281 Milliarden Euro steht er für 19 Prozent der deutschen Im- und Exporte und ist damit größer als der Austausch mit den USA und China zusammen. Das Plus von knapp einem Prozent im Ostexport wurde allerdings durch die angesichts der deutschen Wirtschaftsschwäche geringeren Importe überkompensiert, sodass der Handel insgesamt um 0,4 Prozent zurückging. Der gesamte deutsche Handel schrumpfte hingegen um 2,1 Prozent.

Positiver Ausreißer war abermals das Nachbarland Polen, wohin die deutschen Exporte um 3,5 Prozent auf 93,8 Milliarden Euro stiegen und der Warenaustausch mit 172 Milliarden Euro ein neues Rekordniveau erreichte. Polen ist damit der weltweit viertwichtigste deutsche Absatzmarkt, vor China. Ein Grund, weshalb Claas-Mühlhäuser eine verbesserte wirtschaftspolitische Kooperation mit Warschau anmahnte. Dort hatte Ministerpräsident Donald Tusk erst am Montag in diesem Jahr Investitionen von 155 Milliarden Euro in Logistik, grüne Energie und Künstliche Intelligenz angekündigt. Polen wolle den führenden westlichen Volkswirtschaften nicht nur nacheifern, sondern sie überholen.

Auch der deutsche Wirtschaftsaustausch mit Rumänien konnte im vergangenen Jahr zulegen, anders als der mit der Tschechischen Republik, Ungarn und der Slowakei.

EU-Erweiterung vorantreiben

Angesichts der Bedeutung des Osthandels forderte Claas-Mühlhäuser die künftige Bundesregierung auf, die enge Partnerschaft mit Mittel- und Osteuropa sowie Zentralasien weiter zu vertiefen und die Integration der Ukraine, Moldaus und der Länder des Westlichen Balkans in die EU voranzutreiben.

In der gesamten Region bis nach Zentralasien gebe es „spannende Absatzmärkte mit großem Konsum- und Investitionsbedarf“, sagte Claas-Mühlhäuser. Auch sei die Region von großer Bedeutung für die Verkürzung der Lieferketten, die Beschaffung kritischer Rohstoffe und Energie. „Neue Ideen für die EU-Integration sowie ein rascher Ausbau der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit den rohstoffreichen Regionen Zentralasiens können hier noch mehr Dynamik entfachen.“

Sie sah sich darin den Ergebnissen einer Umfrage unter, wenn auch nur, 133 Unternehmen mit Osteuropabezug bestätigt. Von denen planten 56 Prozent Investitionen in der Region, besonders Polen und Rumänien schnitten gut ab.