Das soll das selbstfahrende Volksauto können

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Schon der Name gerät zur größtmöglichen Kampfansage. Mit drei Versionen des „Auge Gottes“, so die nicht eben bescheidene Bezeichnung für die autonomen Fahrsysteme, setzt Chinas größter Autohersteller BYD die Konkurrenz auf dem wichtigsten Automarkt der Welt unter Druck. Selbst die günstigsten Autos von BYD , die in China schon für umgerechnet etwas mehr als 9000 Euro zu haben sind, sollen mit weitreichenden autonomen Fahrfunktionen ausgestattet werden. Weil der Konzern gleichzeitig verspricht, für die Fahrzeuge nicht mehr Geld zu verlangen, kommt das einer faktischen Preissenkung gleich.

Das Unternehmen, das sich mehr und mehr zu einer Art Volkswagen des Elek­troautozeitalters mausert und im vergangenen Jahr 4,3 Millionen Autos verkaufte, präsentierte die Systeme am Montagabend auf einer Veranstaltung in Shenzhen. BYD-Gründer Wang Chuanfu machte dort selbstbewusste Ansagen. Im laufenden Jahr werde „intelligentes Fahren erstmals für jeden“ zugänglich sein. Bald würde es ähnlich „unverzichtbar wie Sicherheitsgurte und Airbags“. Die digitale Ausstattung galt bisher als größte Schwachstelle von BYD.

Ein Ozean von Daten für das autonome Fahren

BYD habe für die Entwicklung des „intelligenten Fahrens“ drei wichtige Stärken, sagte Wang nun. „Wenn die Daten eines Autos ein Tropfen Wasser sind, hat BYD einen ganzen Ozean“, sagte Wang. Man habe Chinas größte automobile Datenbank. Des Weiteren habe man „das weltgrößte Team an Ingenieuren in Forschung und Entwicklung mit aktuell mehr als 110.000 Mitarbeitern“. Allein am intelligenten Fahren arbeiteten mehr als 5000 Ingenieure. Drittens habe man die weltgrößte Produktionsbasis für Elektroautos, die viele Skalenvorteile bringe.

Konkret können die Autos künftig auch in der Einstiegsversion, die den Namen „Auge Gottes C“ trägt, viele Situationen selbst meistern: Sie können auf Autobahnen auf- und abfahren, die Spur halten, Fahrspuren wechseln oder Hindernissen ausweichen. In der Version B, die in Autos für umgerechnet 45.000 bis 80.000 Euro verbaut wird, werden bessere Sensoren und Kamerasysteme eingesetzt. Die Version kann demnach auch das tägliche Pendeln im Stadtverkehr unterstützen. Kunden, die sich für die Luxusautos von BYD entscheiden, erhalten das „Auge Gottes A“, das auch komplexe Straßenverhältnisse meistere.

Wie gut die Systeme wirklich sind, werden Tests von Fachleuten in den kommenden Monaten zeigen. In der üblichen Einstufung von automatisierten Fahrfunktionen, die von Level 1 bis zum vollautonomen Auto auf Level 5 reichen, erreichen die Systeme von BYD das Level 2+. Der Fahrer muss dabei immer bereit sein, die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Auch die rechtliche Verantwortung verbleibt beim Fahrer. Bemerkenswert ist weniger die Technologie als die Ankündigung, auch sehr preiswerte Elektroautos damit auszustatten. Die Systeme kosten üblicherweise mehr als 1000 Euro je Auto. BYD ist einer von nur wenigen Elektroautoherstellern in der Volksrepublik, der aktuell profitabel ist.

Der Fokus richtet sich auf die Autopiloten

Der Schritt ist ein deutliches Signal an die Branche, dass sich der Wettbewerb verschiebt. Bisher habe man die Entwicklung der Industrie daran gemessen, auf welchen Anteil die Elektroautos am Gesamtabsatz kommen, sagte Wang auf der Veranstaltung. Der Fokus lag auf den Batterien, deren Qualität, Kosten, Reichweite und Ladegeschwindigkeit. Inzwischen konzentrieren sich die Konzerne stärker auf die digitale Ausstattung der Fahrzeuge, in der es neben den Autopiloten auch um Unterhaltungssoftware und die Vernetzung der Bordsysteme mit den Mobiltelefonen der Nutzer geht, was den Autokäufern in der Volksrepublik deutlich wichtiger ist als denen im Westen. Auch Tesla bemüht sich in China darum, eine Zulassung für seine „Full Self-Driving“-Software zu bekommen. Künftig solle man den Fortschritt der Autoindus­trie deshalb daran messen, wie viele Autos intelligente Fahrsysteme der Spitzenklasse an Bord hätten, forderte Wang.

Die Anleger reagierten sehr optimistisch. Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte der Aktienkurs deutlich zugelegt, nach der Vorstellung ging er um weitere 4,5 Prozent nach oben. Konkurrenten wie Xpeng oder Geely verloren deutlich. BYD legte in den vergangenen Tagen um ein Fünftel zu und erreichte einen Rekordbörsenwert von umgerechnet rund 130 Milliarden Euro. Zum Vergleich: VW, Mercedes, Porsche und BMW lagen zuletzt fast gleichauf bei jeweils rund 50 Milliarden Euro.