In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen der rechten FPÖ und der konservativen ÖVP gescheitert. Dies teilte FPÖ-Chef Herbert Kickl am Mittwoch nach einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien mit. Er habe den Regierungsauftrag zurückgegeben. „Ich setze diesen Schritt nicht ohne Bedauern“, schrieb der FPÖ-Chef. Die Parteien hatten sich vor allem über die Verteilung der Ministerien gestritten, weil beide Seiten jeweils das Innen- und Finanzministerium übernehmen wollten. Bei einer Einigung wäre mit Kickl erstmals ein Kanzler aus den Reihen der Rechtspopulisten ins Kanzleramt eingezogen.
Obwohl die FPÖ der ÖVP in vielen Punkten entgegengekommen sei, „waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt“, hieß es in einem Schreiben Kickls an das Staatsoberhaupt. Die ÖVP machte wiederum die FPÖ für das Scheitern der Regierungsbildung verantwortlich. Dies sei „am Machtrausch und der Kompromisslosigkeit von Herbert Kickl gescheitert”, erklärte ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Kickl sei in der Rolle des Oppositionspolitikers stecken geblieben und nie in der eines Regierungschefs angekommen.
Nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche sind Neuwahlen eine mögliche Variante. Die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos hatten allerdings zuletzt massiv für einen zweiten Anlauf von Dreier-Koalitions-Gesprächen mit der ÖVP geworben, nachdem Verhandlungen dieser Mitte-Parteien im Januar gescheitert waren. Als Alternative zu Neuwahlen wäre auch die Einsetzung einer Experten- oder Übergangsregierung durch Bundespräsident Van der Bellen denkbar.
Van der Bellen hatte Klarheit gefordert
Am Dienstag hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen rasche Klarheit gefordert, ob die Regierungsgespräche abgebrochen oder fortgesetzt werden. Die Parteien waren auch in Grundsatzfragen kaum vorangekommen und der Ton in den öffentlichen Stellungnahmen beider Seiten hat sich zuletzt verschärft.
Die Gespräche von FPÖ und ÖVP waren von Anfang an von Unterschieden gerade in außen- und sicherheitspolitischen Fragen überschattet. So waren die Rechtspopulisten gegen eine weitere Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland. Obendrein ist die FPÖ extrem EU-kritisch, die ÖVP dagegen tief überzeugt von den Vorteilen der Europäischen Union.
Beide Parteien beanspruchten zudem das Innenministerium für sich. Zuletzt schlug die ÖVP vor, die Themen Migration und Asyl in ein eigenes FPÖ-geführtes Ministerium auszulagern. Doch dies wiesen die Rechten zurück. Im Innenministerium seien die „Kernkompetenzen” seiner Partei in den Bereichen Sicherheit und Asyl angesiedelt, argumentierte Kickl in sozialen Medien. Die Rechtspopulisten hatten der ÖVP im Gegenzug wichtige Agenden wie Außenpolitik, Wirtschaft, Infrastruktur und Verteidigung angeboten.
FPÖ-Chef Kickl hatte in der vorigen Koalition mit der ÖVP von 2017 bis 2019 das Innenministerium geführt. In diese Zeit fiel eine Polizeirazzia im Verfassungsschutz. Befreundete ausländische Geheimdienste stuften daraufhin ihre Kooperation mit Österreich zurück. Im jüngsten Vorschlag der FPÖ würde der Verfassungsschutz im Innenministerium einem ÖVP-Staatssekretariat unterstehen.
Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass die FPÖ bei einem neuen Urnengang noch deutlicher siegen würde als bei der Parlamentswahl im September. Damals gewann sie mit knapp 29 Prozent. Zuletzt wuchs die Unterstützung für die Rechten auf etwa 34 Prozent.