So soll die Radikalreform des EU-Haushalts aussehen

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Die Europäische Kommission treibt ihre Pläne für einen radikalen Umbau des EU-Budgets voran und fordert Zugriff auf neue Eigenmittel. Sie will einen neuen Superfonds zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit schaffen und die beiden bisher größten Haushaltsposten, Agrar- und Strukturpolitik, nur noch als eine Art „Zuschuss“ zum nationalen Haushalt der EU-Staaten zahlen. Die F.A.Z. hatte im Herbst exklusiv über die Pläne berichtet.

„Angesichts der Herausforderungen, vor denen die EU steht, ist der Status Quo keine Option“, heißt es dazu in einem am Mittwoch von der Europäischen Kommission veröffentlichen „Fahrplan“ für das nächste mehrjährige EU-Budget der Jahre 2028 bis 2034. „Europa muss die Quadratur des Kreises schaffen“, heißt es weiter.

Es könne keinen EU-Haushalt geben, der „unseren Ambitionen“ gerecht werde, die für den Corona-Fonds aufgenommen EU-Schulden zurückzahle und zugleich stabile nationale Budgetbeiträge ohne neue Eigenmittel vorsehe. „Wir müssen die Wett­bewerbsfähigkeit fördern, die Sicherheit der EU gewährleisten, die Ungleichheit in Europa verringern und die Bauern fördern“, listete EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis in Straßburg auf.

Status Quo ist keine Option

Die EU müsse flexibel auf neue Herausfor­derungen reagieren können, heißt es zudem in dem Fahrplan. Das sei nicht möglich, wenn wie beim laufenden mehrjährigen EU-Haushalt 2021 bis 2027 mehr als 90 Prozent der Mittel von vornherein fest verplant würden.

Die Kommission schlägt deshalb vor, die im Haushalt für die Mitgliedstaaten vorgesehen Mittel in nationalen Plänen zu bündeln. Die Auszahlung des Geldes soll darin mit konkreten Reformen und Investitionen verknüpft werden, die den gemeinsamen Prioritäten der Euro­päischen Union dienten. Vorbild dafür ist der Corona-Aufbaufonds. Die darin für die Mitgliedstaaten vorgesehenen Mittel fließen erst, wenn diese bestimmte Reformen umgesetzt haben oder Etappen bei konkreten Projekten erreicht haben. Die Pläne können flexibel angepasst werden.

Brüssel will Dickicht an Förderprogrammen lichten

Zugleich verschafft dieser Ansatz der Kommission großen Einfluss auf die nationale Politik. Die EU-Kommission sichert in dem Papier zu, dass der Förderung der Regionen eine besondere Rolle zugestanden werden soll. Damit reagiert sie auf die heftige Kritik von Regionalvertretern an den im Herbst bekannt gewordenen Plänen. Diese hatten gewarnt, dass die traditionelle Förderpolitik der Regionen in den nationalen Plänen zu kurz kommen könne.

Der Wettbewerbsfähigkeitsfonds soll strategische wichtige Sektoren und Technologien fördern. Die Kommission will mit ihm das Dickicht der mehr als 50 Förderprogramme reduzieren, die die Förderpolitik der EU ineffizient machten. Unabhängig davon will die Kommission das für die Beziehungen der EU mit Drittstaaten vorgesehene Budget stärker auf ihre strategischen Interessen ausrichten. Die Vergabe des Gelds aus dem Haushalt soll konsequent an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden.

Kommission fordert neue Eigenmittel

Zur Finanzierung des Haushalts verlangt die Kommission neue Eigenmittel. Allein für die Rückzahlung der für den Corona-Fonds aufgenommenen gemeinsamen Schulden würden von 2028 an jährlich 25 bis 30 Milliarden Euro fällig, heißt es in dem Papier. Das entspreche beinahe 20 Prozent des derzeitigen jähr­lichen Haushalts. Es sei das Doppelte des für die gesamte Finanzperiode 2021 bis 2027 für die Verteidigungspolitik vorgesehenen EU-Gelds. Die Kommission habe deshalb schon 2021 erstmals Vorschläge für neue Eigenmittel vorgelegt, die direkt in den EU-Haushalt fließen sollen. Dazu gehören die Einnahmen aus dem Emissionshandel, der CO2-Grenzabgabe und einem Anteil an der internationalen Mindeststeuer für Konzerne. Von neuen EU-Schulden ist hingegen keine Rede.

Die nationale Beiträge, die heute vier Fünftel des Budgets finanzieren, würden entsprechend sinken. Das gilt indes nur relativ. Denn insgesamt dürfte der Kommissionsvorschlag für den nächsten Finanzrahmen spürbar höher ausfallen als der aktuelle. Der umfasst inflationsbereinigt für 2021 bis 2027 rund 1,2 Billionen Euro.

Die Kommission nennt zwar keine konkreten Zahlen. Sie zieht in dem Pa­pier als Bezugsgröße für das kommende mehrjährige Budget aber nicht allein den Haushalt 2021 bis 2027, sondern den Haushalt plus Corona-Aufbaufonds heran. Dann geht es um mehr als 2 Billionen Euro oder 1,7 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU.

Der Fahrplan sei der Auftakt für eine intensive Debatte, sagte EU-Kommissar Dombrovskis. Die Europäische Kommission werde dann im Juli einen konkreten Vorschlag vorlegen.