Robert Habeck rettet Raab die Show

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Erstmals läuft Stefan Raabs Show im Free-TV. Für RTL Risiko und Chance zugleich. Am Ende verhelfen dem Sender glückliche Umstände zu einem glimpflichen Start.

Die Vorzeichen waren schlecht. Schließlich dominierte das Dschungelcamp die vergangenen Wochen das Programm von RTL und lockte für den Sender zuverlässig ein Millionenpublikum an. Stefan Raab hätte also alt aussehen können, wenn er mit seiner Show “Du gewinnst hier nicht die Million” an diesem Mittwoch Free-TV-Premiere feiert, dabei aber ins Quotental schlittert.

Zumal jeder, der Raabs Sendung seit dem Streaming-Start auf RTLplus im September 2024 kennt, weiß: Viel hat diese Show nicht zu bieten. Sie ist ein lauwarmer Aufguss alter “TV total”-Ideen, gepaart mit ein bisschen Schenkelklopfer-Humor, eingehüllt in eine wenig originelle Snapchat-Optik und moderiert von einem etwas zu selbstgefälligen, aus der Zeit gefallenen Stefan Raab.

Doch plötzlich überschlugen sich am Mittwoch die Ereignisse. Ohne dass RTL oder Raab dafür etwas tun mussten, spielte ihnen die Konkurrenz in die Karten – und am Ende konnte Raab in seiner Sendung noch einen Joker präsentieren, der das Blatt endgültig zu seinen Gunsten wendete.

Nur vier Stunden vor dem für Mittwochabend erwarteten Quotenkampf warf ProSieben das Handtuch: Der Sender kündigte an, “TV Total” mit Sebastian Pufpaff aus der Primetime abzuziehen und stattdessen einen Spielfilm auszustrahlen. Es entstand der Eindruck, dass ProSieben sich in Vermeidung flüchtet, sich nicht mit RTL in den Quoten-Ring traut. Um den eigenen Moderator vor dem Makel zu schützen, er habe im Reichweitenduell der beiden baugleichen Sendungen den Kürzeren gezogen, überließ man RTL gleich ganz die Arena.

Für ProSieben ist das peinlich, für RTL und Raab ein Glückstreffer – denn so ging der Sender mit seinem 90 Millionen Euro schweren Neuzugang einer möglichen Blamage aus dem Weg und könnte nun sogar von der fehlenden Show-Konkurrenz profitieren.


Quotation Mark


Ich habe eben zugehört und gedacht, das ist nicht anders als Politik und die Fehler, die in der Politik gemacht werden.


robert habeck


Doch all diese brancheninternen Nebengeräusche machen aus “Du gewinnst hier nicht die Million” noch lange keine gute Unterhaltungsshow. Normalerweise. Dieses Mal war etwas anders. Der Joker dieses Abends hieß Robert Habeck. Er machte aus einer mittelmäßigen Neuauflage von “TV Total” eine unterhaltsame Sendung.

“Ich habe eben zugehört und gedacht, das ist nicht anders als Politik und die Fehler, die in der Politik gemacht werden”, sagte Robert Habeck am Ende seines Gastauftritts in der Raab-Show und zog damit einen Vergleich seiner Tätigkeit mit dem Eurovision Song Contest, bei dem Deutschland in den Vorjahren stets schlecht abgeschnitten hatte. Habeck mutmaßte über die Erfolgsmechanismen hinter dem europäischen Musikwettbewerb: “Am Ende ist es so etwas wie Vertrauen, Zuversicht, Hoffnung und dass sich das irgendwie vernünftig anfühlt” – und sprach dabei eigentlich über sich und die Grünen.

Kuschelkurs und harmloser Humor: Robert Habeck an der Seite von Barbara Schöneberger und Stefan Raab.Vergrößern des Bildes
Kuschelkurs und harmloser Humor: Robert Habeck an der Seite von Barbara Schöneberger und Stefan Raab. (Quelle: RTL)

In einer Sendung, die vordergründig aus flachen Witzen besteht, stachen solche durchdachten Sätze heraus. Manch einer mag diese Einschätzungen Habecks als eine typische Rhetorik des philosophisch-schwadronierenden Akademikers abtun. Doch sie lassen die Dinge in solch einer Unterhaltungsshow sympathischer erscheinen. Sie färben ab. Man könnte sagen: Der Habeck-Effekt verschaffte auch Raab einen gewissen Glanz.

Denn Raab produzierte mit seiner rotzigen Haudrauf-Art am Laufband Witze über “die Alte mit der Botox-Visage” (Sonja Zietlow), lästerte über “den Hässlichen” in der Politik und meinte damit Friedrich Merz oder machte sich über Journalistenschülerinnen lustig, die eine Karriere bei RTL beginnen. Höhö, Sie wissen schon: Journalismus und RTL – in der eindimensionalen Humorwelt eines Stefan Raabs ist das ein schreiend-komischer Widerspruch.

Nach mehr als 30 Minuten war damit Schluss, Robert Habeck betrat das Studio und kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Was zunächst wie ein Widerspruch erscheinen mag – dort die Rampensau mit dem Pennälerhumor, hier der Habeck mit dem eingebauten Gedankenkarussell – ging als Showkonzept auf. Mehr noch: Es erwies sich als cleverer Schachzug, Habeck für die Free-TV-Premiere einzuladen. Der Grünen-Spitzenkandidat erreichte damit neue Zielgruppen, und Raab hatte mit dem amtierenden Wirtschaftsminister nicht nur einen prominenten Namen im Gepäck, sondern auch einen Gegenpol, der die nötige Würze ins Format brachte.