Die Commerzbank hat am Donnerstag zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten ihre Gewinn- und Effizienzziele angehoben. Außerdem kündigte sie einen Stellenabbau vor allem im Inland und die Ausschüttung sämtlicher Jahresgewinne bis 2028 an. Mit Dividenden, Aktienrückkäufen und einer Steigerung der Eigenkapitalrentabilität von zuletzt gut neun Prozent im gerade beendeten Rekordjahr 2024 auf dann 15 Prozent im Jahr 2028 versucht das zweitgrößte börsennotierte deutsche Kreditinstitut, seine Aktionäre an Bord zu halten und einen Verkauf an die italienische Bank Unicredit abzuwenden.
Der Commerzbank-Aktienkurs, der in dieser Woche erstmals seit 2011 die Marke von 19 Euro überschritten hat, legte am Donnerstag bis kurz vor Handelsschluss um gut 1 Prozent auf mehr als 19,30 Euro zu. Als Unicredit vor fünf Monaten als Großaktionär einstieg, lag der Kurs noch bei mehr 13 Euro. Commerzbank-Chefin Orlopp erinnerte indes am Donnerstag daran, dass die Aktie vor vier Jahren noch weniger als 6 Euro wert war. Die Verdoppelung habe die Commerzbank also ohne das Interesse von Unicredit geschafft, und sie rechne nun mit höheren Kurszielen der Aktienanalysten nach Bekanntgabe der neuen Ziele. Angemessen bewertet wäre die Commerzbank-Aktie nach Ansicht Orlopps, wenn das Kurs-Buch-Verhältnis von derzeit 0,7 Prozent auf 1 Prozent stiege.
Aktienanalysten von Deutsche Bank über M.M. Warburg bis hin zur britischen KBW zeigten sich am Donnerstag zunächst positiv überrascht vom Ehrgeiz der Commerzbank-Führung rund um die seit 1. Oktober 2024 amtierende Vorstandsvorsitzende Bettina Orlopp und den Anfang Februar 2025 von der Danske Bank zurückgekehrten designierten Finanzvorstand Carsten Schmitt. Aber sind die am Donnerstag neu gesteckten Ziele – etwa eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent und ein Kosten-Ertrags-Verhältnis von 50 Prozent bis 2028 – auch realistisch erreichbar? Und was spricht eigentlich gegen Gespräche mit Unicredit über ein Zusammengehen? Das waren die zentralen Fragen auf der Pressekonferenz in Frankfurt.
Die Risiken einer Fusion mit Unicredit
In ihrer Eingangsrede nahm Orlopp den Namen „Unicredit“ nicht in den Mund und schloss mit den Worten: „Die Commerzbank hat ihre besten Jahre noch vor sich.“ Doch schon die erste Frage zielte auf ein Zusammengehen mit Unicredit. Orlopp antwortete darauf ähnlich, wie auf alle noch folgenden Fragen zu diesem Thema: Die Commerzbank habe einen Plan, wie sie bis 2028 eigenständig Mehrwert für ihre Aktionäre schaffen werde. Mit Unicredit werde man sich über ein Zusammengehen nur unterhalten, wenn eine Idee, eine „Skizze für eine Kombination“, vorgelegt werde. Dann werde der Commerzbank-Vorstand abwägen, ob dieser Plan vorteilhaft gegenüber dem eigenen wäre. Kostenvorteilen müssten Risiken gegenübergestellt werden. Dazu zählte Orlopp das Umsetzungsrisiko einer Bankenfusion, Restrukturierungskosten und die Gefahr, dass Kunden abwanderten („Kundenabrieb“).
Vertreter der italienischen Bank Unicredit, die sich im September 2024 rund 9,5 Prozent der Commerzbank-Aktien auch durch den Verkauf eines ersten Aktienpakets durch die Bundesregierung erworben hat und seither sich mit Derivaten den Zugriff auf weitere gut 18 Prozent gesichert hat, treffe sie regelmäßig, versicherte Orlopp. Obwohl Unicredit auch ein Wettbewerber sei, werde sie von der Commerzbank wie jeder andere Investor behandelt. Doch falls Gespräche über einen Zusammenschluss geführt würden, müsse dies „ad hoc“ gemeldet werden, sagte Orlopp. Diesen Schritt wolle sie nur dann gehen, wenn es eine grobe Skizze gebe, worüber Unicredit reden wolle. Informelle Gespräche seien nicht mehr möglich, weil Unicredit durch den von der alten Bundesregierung und dem Commerzbank-Vorstand als feindlich eingestuften Commerzbank-Aktienerwerb „Voraussetzungen“ geschaffen habe.
Dabei ist eines klar: Es ginge zwischen Unicredit und Commerzbank um keine grenzüberschreitende Fusion, sondern um eine Verbindung der Frankfurter Bank mit der seit 2005 zu Unicredit gehörenden Münchener Hypo-Vereinsbank (HVB). Bei diesem Institut sind seit der Zugehörigkeit zu Unicredit etwa zwei Drittel aller Arbeitsplätze weggefallen. Die HVB bot Ende 2024 noch knapp 9000 Vollzeitstellen. Im vergangenen Jahr hat die Münchener Bank ihren Nettogewinn um zwölf Prozent auf 1,9 Milliarden Euro gesteigert – der zweithöchste ihrer Unternehmensgeschichte und etwa 20 Prozent des Unicredit-Konzerngewinns von 9,3 Milliarden Euro. Damit kam Unicredit auf eine Eigenkapitalrendite von 17,7 Prozent. Das Verhältnis von Kosten zu Erträgen betrug 38 Prozent.
Die Werte der Commerzbank zeigen trotz des vor knapp zwei Wochen vorab veröffentlichten Rekordjahresgewinns von 2,7 Milliarden Euro eine deutlich niedrigere Profitabilität und Effizienz: 9,2 Prozent Eigenkapitalrendite und 59 Prozent Kosten-Ertrags-Quote. Sticheleien von Unicredit, dieses Geschäft beruhe zudem auch noch auf positiven Einmaleffekten, wies Orlopp zurück. Bewegungen des Dollars hätten 2024 in einem Quartal den Gewinn mal um einen zweistelligen Millionenbetrag erhöht, mal um einen ähnlichen Betrag belastet. Eine tatsächlich hohe Belastung in Milliardenhöhe habe die Commerzbank vielmehr mit ihrer polnischen Tochtergesellschaft M-Bank zu verkraften gehabt. Dort seien jetzt noch 16.000 Gerichtsverfahren um Schweizer-Franken-Kredite anhängig, 63 Prozent weniger als im Vorjahr. 2025 rechnet die Commerzbank letztmals mit nennenswerten Belastungen in Polen. Die M-Bank, die vor fünf Jahren eigentlich noch verkauft werden sollte, nannte Orlopp am Donnerstag eine Perle. Tatsächlich glänzte sie im Jahr 2024 mti einem Ertragswachstum von fast 40 Prozent und einem Anteil an den Konzernerträgen von rund 15 Prozent.
Wo die Erträge steigen sollen
Mit ihrer am Donnerstag veröffentlichten Konzern-Strategie „Momentum“ will Orlopp nun „auf Erreichtem aufbauen und die Drehzahl beträchtlich erhöhen“. Die Steigerung der Eigenkapitalrendite von zuletzt 9,2 auf 15 Prozent im Jahr 2028 soll durch einen Mix aus Ertragswachstum und Kostensenkungen gelingen. So traut sich die Commerzbank einen Anstieg der Konzernerträge, die 2024 erstmals die Marke von 11 Milliarden Euro übertrafen, um jährlich vier Prozent zu. Der Zinsüberschuss soll leicht wachsen, indem die Firmenkundensparte ihr Kreditbuch jährlich um acht Prozent ausweitet. Viele Mittelständler warteten mit Investitionen im Inland nur auf eine stabile neue Bundesregierung, sagte Orlopp. Andernfalls werde wie bisher überwiegend im Ausland investiert. Die Commerzbank spüre zumindest eine hohe Kreditnachfrage angesichts des digitalen und grünen Transformationsbedarfs ihrer Unternehmenskunden.
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2025 rechnet die Commerzbank-Führung nur mit einem leichten Anstieg der Risikovorsorge für faule Kredite. Allerdings hat sie noch aus der Corona-Zeit ungenutzte Rückstellungen (Top-Level Adjustments) in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro als Puffer, die sie bei Kreditausfällen einsetzen könnte.
Überdurchschnittlich zum Konzernertragswachstum beitragen sollen bis 2028 mehr Gebühreneinnahmen von vermögenden Privatkunden. Nachdem die Commerzbank 2009 ihre Publikumsfondsgesellschaften Cominvest, ADIG und DIT (von der damals gerade gekauften Dresdner Bank) an die Allianz abgeben hat, baut sie nun unter anderem mit dem Kauf von Aquila wieder eigene Fondskapazitäten auf. Auch der Zahlungsverkehr soll stärker bepreist werden, das in den 2010er Jahren zum Ärger von Wettbewerbern lange sogar mit „Begrüßungsgeld“ angepriesene bisher bei einem monatlichen Zahlungseingang von mindestens 700 Euro kostenlose Basis-Girokonto kostet bald 4,50 Euro im Monat – es sei denn, man lässt es als Privatkunde von der Onlinemarke Comdirect führen.
Wo die Kosten sinken sollen
Jährliche Kosteneinsparungen in Höhe von 500 Millionen Euro erwartet die Commerzbank durch eine Umschichtung der Belegschaft: 3900 von 37.000 Vollzeitstellen sollen wegfallen – davon mehr als 3300 im Inland, der Großteil in der Zentrale in Frankfurt. Gerade dort sei die Belegschaft „überaltert“ und ein sozialverträglicher Abbau gut möglich, sagte Orlopp. Tatsächlich stützen der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi die Pläne. Im Ausland, wo 30 bis 70 Prozent günstiger gearbeitet werde, will Orlopp Stellen in ähnlichem Ausmaß an Standorten in Malaysia, Sofia, Prag und Łódź schaffen. Für 2025 plant die Commerzbank mit einmaligen Restrukturierungskosten durch Abfindungen und Altersteilzeitregelungen in Höhe von 700 Millionen Euro. Bis 2028 sollen dann die jährlichen Einsparungen von 500 Millionen Euro dazu beitragen, dass sich das Kosten-Ertrags-Verhältnis von zuletzt 59 auf 50 Prozent verbessert.
Die Restrukturierungskosten von 700 Millionen Euro werden den Gewinn 2025 drücken. Für das laufende Jahr, in das die Commerzbank nach Orlopps Worten gut gestartet ist, erwartet die Commerzbank daher einen Nettogewinnrückgang von 2,7 auf 2,4 Milliarden Euro. Ausschütten in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen will die Commerzbank aber sogar den Nettogewinn des Jahres 2025 ohne Restrukturierungskosten. Dieses Vorhaben, das mit der Bankenaufsicht der EZB abgesprochen ist, überraschte die Analysten. Auch in den folgenden Jahren will die Commerzbank ihren Gewinn in voller Höhe auskehren. Dies mache die hohe Kernkapitalquote von derzeit gut 15 Prozent möglich, die deutlich über dem Ziel von 13.5 Prozent liegt, argumentierte Orlopp.
Auf die Frage der F.A.Z., ob sie die Commerzbank kurzfristig auf Profitabilität trimme und höhere Kapitalanforderungen von 2030 an vernachlässige, sagte Orlopp: „Ganz klar, nein.“ Der Gewinnanstieg bis 2028 auf 4,2 Milliarden Euro bis 2028 werde Jahr für Jahr kontinuierlich erfolgen, und die höheren Eigenkapitalanforderungen ab 2030 habe die Commerzbank im Blick – ebenso, dass sich in den USA durch die Abkehr der Trump-Administration von internationalen Vereinbarungen auch die Endstufe der Bankenregeln von Basel III noch verändern könne.