Taliban sehen Abschiebungen als Chance

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Der mutmaßliche Anschlag von München wirft abermals die Frage nach einer Abschiebung abgelehnter afghanischer Asylbewerber auf. Für das Taliban-Regime bietet das eine Gelegenheit, sich als Gesprächspartner anzubieten, in der Hoffnung, sich international Legitimität zu verschaffen. Gerade weil die Bundesregierung das weltweit nicht anerkannte Islamistenregime diplomatisch nicht aufwerten will, hat sie solche Gespräche bislang abgelehnt. Die Deutsche Presse-Agentur meldete am Donnerstagabend, die Taliban hätten sich auf Nachfrage offen für eine Zusammenarbeit bei Abschiebungen gezeigt. „Wir haben unsere Bereitschaft gezeigt, die konsularischen Dienste für Afghanen in Deutschland wieder aufzunehmen, die alle Aspekte der Migration abdecken“, sagte der Sprecher des Taliban-Außenministeriums, Abdul Kahar Balchi, der Agentur. Das klang nach der Forderung, Deutschland müsse akzeptieren, dass die Taliban eigene Diplomaten entsenden.

Da die Bundesregierung das ablehnt, sind die afghanische Botschaft in Berlin und das frühere Konsulat in Bonn seit November geschlossen. Die Diplomaten dort waren noch von der im August 2021 gestürzten Republik-Regierung entsandt worden. Im August hatten die Taliban verkündet, dass sie nur noch Dokumente von fünf diplomatischen Vertretungen in Europa akzeptieren würden, darunter vom Generalkonsulat in München, das sich anders als der ausgeschiedene afghanische Botschafter Yama Yari zu einer Zusammenarbeit mit den Taliban bereiterklärt hat.

Taliban fordern bilaterale Gespräche

Die Frage der konsularischen Vertretungen ist wichtig, weil eine Abschiebung ohne gültige Papiere nicht möglich ist. In Österreich gibt es dem Vernehmen nach Erwägungen, einen anderen Weg zu beschreiten: Eine Delegation aus Kabul könnte die Identität der Abzuschiebenden überprüfen und Passersatzpapiere ausstellen. Anders als Deutschland führt Österreich direkte Gespräche mit der Taliban-Regierung über Abschiebungen. Im Januar war eine Delegation aus Wien nach Kabul gereist. Ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums hatte der F.A.Z. dazu im Januar gesagt: „Österreich hat sich in der Europäischen Union als einer der ersten Staaten dafür ausgesprochen, Abschiebungen Richtung Afghanistan wieder möglich zu machen und aufzunehmen.“ Inzwischen gebe es zahlreiche Mitgliedstaaten, die dieses Vorgehen unterstützten.

Deutschland hatte einen anderen Weg gewählt: Im August wurden 28 afghanische Straftäter unter Vermittlung Qatars, ohne direkte Gespräche mit den Taliban, von Leipzig nach Kabul geflogen. Die Islamisten haben jedoch deutlich gemacht, dass sie dies kein zweites Mal dulden wollen. Auch Bemühungen der Bundesregierung, Abschiebungen über Usbekistan zu ermöglichen, scheiterten bislang am Widerstand der Taliban.

Der Sprecher des Taliban-Außenministeriums bekräftigte diese Ablehnung am Donnerstag: „Wir sind nicht bereit, irreguläre Verfahren zu akzeptieren, die Afghanistan umgehen und eine Gefahr für unsere nationale Sicherheit darstellen“, sagte Balchi der dpa. Eine mögliche Bestrafung der Straftäter nach ihrer Ankunft in Afghanistan solle über bilaterale Gespräche geregelt werden, forderte er. Der Verweis auf die nationale Sicherheit könnte sich darauf beziehen, dass die Taliban offenbar nicht umfänglich darüber informiert wurden, wegen welcher Straftaten die 28 abgeschobenen Personen angeklagt oder verurteilt worden waren.

Türkei und Iran schieben nach Afghanistan ab

Neben Österreich hat zuletzt auch Norwegen direkte Gespräche mit den Taliban geführt. So traf der Geschäftsträger der für Afghanistan zuständigen norwegischen Botschaft in Doha, Per Albert Ilsaas, nach Angaben der Taliban im Dezember den stellvertretenden Außenminister Abbas Stanikzai. Norwegen hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr auf freiwilliger Basis eine geringe Zahl an Afghanen zurückgeführt. Die Regierung in Oslo begründet Kontakte zu den Taliban damit, dass „Isolation nicht der Verbesserung der Situation vor Ort“ diene und „wohl zu weiteren Rückschlägen und einer verschlechterten Situation für Frauen und Mädchen in dem Land führen“ würde.

Mit der türkischen Regierung haben die Taliban bereits einen dauerhaften Mechanismus für Abschiebungen ausgehandelt. Ankara lässt wöchentlich Afghanen nach Kabul ausfliegen. Mit Iran hat die Taliban-Regierung die Rückführung von 1500 afghanischen Häftlingen aus iranischen Gefängnissen vereinbart. Zugleich hat Iran im vergangenen Jahr ohne Absprache mit Kabul Hunderttausende Afghanen abgeschoben.