Forscher entschlüsseln Duft ägyptischer Mumien

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Gerüche haben eine besondere Macht über uns. Sie können auf einen Schlag Erinnerungen wachrufen: Das Parfüm der Mutter, das Aroma eines Tees, der Geruch des Treppenhauses in der Schule – selbst nach Jahrzehnten versetzen uns diese Düfte gedanklich in eine Situation, die wir mal erlebt haben, und verbinden uns so mit der Vergangenheit.

Dass diese Verbindung auch viel länger als ein Menschenleben dauern kann, hat ein internationales Forscherteam nun auf seiner ungewöhnlichen Spurensuche festgestellt. Matija Strlič von der Universität von Ljubljana hat mit Kollegen aus London, Krakau und Kairo erstmals systematisch den Geruch von Mumien analysiert. Sie entdeckten Duftnoten von Harzen, Kräutern und Ölen, die die Menschen dereinst gerochen haben mussten, während sie die Mumien einbalsamierten.

Die Stoffe dienten damals zur Bewahrung der Körper. Die Studie zeigt nun, dass sie auch etwas anderes bewahrt haben: eine erlebbare Verbindung zu einer längst vergangen Welt.

Holzig, süß, würzig – und auch mal ranzig

Eingetütet: Die Forscher sammeln Luftproben aus einem Sarkophag. Der Beutel mit der Luft wird für die Geruchsanalyse verwendet.
Eingetütet: Die Forscher sammeln Luftproben aus einem Sarkophag. Der Beutel mit der Luft wird für die Geruchsanalyse verwendet.Cecilia Bembibre

Der Geruch wird über flüchtige organische Verbindungen transportiert, die sich in der Luft um die Mumien herum befinden. Diese Verbindungen haben die Forscher analysiert. Dafür nahmen sie Luftproben an neun Mumien im Ägyptischen Museum in Kairo. Die Mumien entstammten unterschiedlichen Epochen, vom Neuen Reich, das 1550 vor Christus begann, über die Spätzeit des Alten Ägyptens bis zum vierten Jahrhundert nach Christus. Fünf der Mumien befanden sich im Lager des Museums. Vier waren in Vitrinen ausgestellt.

Die Gerüche analysierten die Wissenschaftler auf zwei Arten. Zunächst beschnupperten acht ausgebildete Testpersonen die Luft, die in speziellen Beuteln bei den Mumien gesammelt worden war. Sie sollten den Eindruck, den die Proben vermittelten, anhand von 13 Merkmalen beschreiben. Bei allen Mumien stellten sie die Merkmale süß, holzig und würzig fest, wie die Wissenschaftler im Journal of the American Chemical Society darlegen. So lässt sich ein typisches Geruchsprofil für Mumien beschreiben, auch wenn es individuelle Unterschiede zwischen ihnen gab. Manche rochen zudem nach Weihrauch, abgestanden sowie ranzig.

Spuren der einstigen Einbalsamierung

Erschnuppert: Emma Paolin von der Universität von Ljubljana bei der „sensorischen Analyse“.
Erschnuppert: Emma Paolin von der Universität von Ljubljana bei der „sensorischen Analyse“.UCL

Die Forscher beließen es nicht bei dieser Analyse. Um die chemischen Bestandteile der Gerüche genau zu bestimmen, setzten sie zusätzlich Gaschromatographie und Massenspektrometrie ein. So konnten sie die Duftstoffe vier Quellen zuordnen. Da waren zunächst die ursprünglichen Materialien zur Einbalsamierung wie pflanzliche Öle (beispielsweise vom Wacholder), Harze von Pinien und Kiefern sowie Kräuter wie Thymian und Lavendel. Daneben entstammten die Gerüche später hinzugefügten Ölen zur Konservierung der Mumien, synthetischen Stoffen zur Schädlingsbekämpfung und dem natürlichen Verfall im Laufe der Jahre durch Schimmel, Bakterien und andere Mikroorganismen. Somit enthielt der Geruch zwar Düfte aus der ursprünglichen Einbalsamierung, war aber durch die spätere Behandlung der Mumien verändert.

Eingefangen: Die Geruchsstoffe der Mumie werden abgesaugt und in speziellen Röhrchen gesammelt. Später werden sie mittels Massenspektroskopie analysiert.
Eingefangen: Die Geruchsstoffe der Mumie werden abgesaugt und in speziellen Röhrchen gesammelt. Später werden sie mittels Massenspektroskopie analysiert.Emma Paolin

Die Studie hat einige Merkmale, die ihre Aussagekraft einschränken. So war bei manchen der Duftstoffe nicht klar, ob sie von der ursprünglichen Einbalsamierung stammen oder später hinzugefügt worden waren. Manche moderne Schädlingsbekämpfungsmittel enthalten nämlich ähnliche Substanzen wie die altägyptischen Harze und Öle. Zudem ist die Stichprobe von neun Mumien aus einem Museum zu klein, um generelle Aussagen über den Geruch von Mumien zu treffen.

„Geruchslandschaften“ für Museumsbesucher

Doch die Forscher konnten zeigen, dass die Analyse des Geruchs eine geeignete zerstörungsfreie Methode ist, um die Praktiken bei der Mumifizierung zu untersuchen. Da die Gerüche bei den Mumien aus den Vitrinen deutlich intensiver waren, hat die Studie hier einen möglichen Einfluss der Lagerung auf die Entwicklung des Geruchs gefunden.

Für die Autoren ist ihre Studie ein Weg, das „geruchliche Erbe“ antiker Artefakte zu bewahren, wie sie in einer Pressemitteilung schreiben. Es könnte auch ein Weg sein, dieses Erbe für Museumsbesucher erlebbar zu machen. Denn in der Zukunft will das Forschungsteam eine zeitgenössische Rekonstruktion des Geruchs antiker mumifizierter Körper erstellen. Mit diesen „Geruchslandschaften“ sollen Museen ihrem Publikum ermöglichen, sich den altägyptischen Praktiken der Einbalsamierung und Konservierung über die Nase zu nähern.