Die EU darf sich nicht kleinmachen

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Wäre die Welt eine Schachpartie, stünde die EU in der Defensive. Unter Druck gesetzt von allen Seiten, blockieren wichtige Figuren sich gegenseitig. Donald Trump verengt den Spielraum mit Zolldrohungen und der Aussicht, dass etliche Milliarden Euro mehr in die Verteidigung fließen müssen.

Die EU wird sich nur dann mit strategisch klugen Zügen aus der Defensive befreien können, wenn sie sich nicht kleiner macht, als sie ist. Zur Erinnerung: Europa (inklusive Großbritannien) hat der Ukraine in Summe mehr Geld und Waffen zur Verfügung gestellt als die Vereinigten Staaten. Es ist legitim, da einen Platz am Verhandlungstisch zu beanspruchen. Künftig mehr Geld in die eigene Rüstungsindustrie zu investieren, kann sich wirtschaftlich als vorteilhaft erweisen und das Wachstum ankurbeln.

Auch im Zollkonflikt muss sich die EU nicht verstecken. Mit 450 Millionen Menschen hat die EU einen größeren Binnenmarkt als die Vereinigten Staaten. Hierzulande muss sich auch niemand vom amerikanischen Präsidenten weismachen lassen, dass europäische Mehrwertsteuern ein legitimer Grund für US-Zölle sind. Mehrwertsteuern treffen heimische und ausländische Produkte gleichermaßen. Sie verzerren den Wettbewerb mitnichten zugunsten europäischer Konzerne.

Es ist ein sich wiederholendes Muster, dass Trump den Druck mit teils haarsträubenden Argumenten maximiert. Er setzt Fristen und zeigt sich zu allem bereit. Die positive Lehre aus seiner ersten Amtszeit und den vergangenen Wochen: Trump reagiert auf Angebote und Gegendruck. Letztendlich gab er sich oft mit überschaubaren Ergebnissen zufrieden, die er in seinem Denkgebäude als Gewinn verbuchen konnte. Am Ende seiner ersten Präsidentschaft hatte er allerdings weder das amerikanische Handelsdefizit verringert, noch die Zahl der Industriearbeiter erhöht.

Deutschland und Europa haben unbestreitbare Schwächen, allen voran die stockende Produktivität und die ungleich schneller wachsende Bürokratie. Aber eben auch Stärken, die jetzt in die Waagschale geworfen werden müssen. Zu oft wurde gesagt, dass der Weckruf endlich gehört werden muss. Niemals war es so wahr wie jetzt. Sonst droht das Schachmatt.