Der FC Bayern hält zwar Leverkusen auf Distanz. Der historisch harmlose Auftritt im Topspiel wirft aber unangenehme Fragen auf.
Aus Leverkusen berichtet Julian Buhl
Wenn der FC Bayern Thomas Müller zu den Reportern in die Mixed Zone entsendet, obwohl der Vizekapitän nicht mal eingewechselt wurde, weiß man bereits, dass sich zuvor ungewöhnliche Dinge zugetragen haben müssen.
Das war nach dem torlosen Meistergipfel des FC Bayern in Leverkusen (0:0) am Samstagabend nicht anders, als der Münchner zur Überraschung der in der BayArena wartenden Journalisten zum Interview kam. Als t-online Müller zum Start nach seinem Fazit zu diesem seltsamen Auftritt des FC Bayern fragte, bei dem dem Rekordmeister nicht ein einziger Schuss aufs gegnerische Tor gelungen war, sagte er:
“Leverkusen hat ein gutes Spiel gemacht. Wir haben ein gutes Ergebnis mit nach Hause genommen und werden unseren Weg weitergehen.” Dass Bayern grundsätzlich besser spielen könne, sei laut Müller “ersichtlich” gewesen. Aber du musst eben dann auch in diesen Spielen, wenn du merkst, dass das Momentum vielleicht nicht auf deiner Seite ist, einfach dagegen halten”, so Müller weiter. “Und das haben wir gut gemacht.”
Aber erstmals überhaupt, seit diese Daten seit 1992 statistisch erfasst werden, und nach über 1.100 Spielen, zur Halbzeitpause gar kein Torschuss und am Ende lediglich zwei Versuche, die nicht mal aufs Tor kamen. Harry Kanes harmloser und noch abgeblockter Schuss landete im Aus (73.). Auch Leon Goretzkas Kopfball flog links neben das Tor. Der Expected-Goals-Wert der Bayern, also die zu erwartende Anzahl an Toren, lag am Ende bei 0,05, was ebenfalls einen Negativrekord markierte.
Leverkusen hatte dagegen einen Expected-Goals-Wert von 2,19 und gleich zweimal großes Pech bei Lattentreffern (21., 25.). In der Nachspielzeit vergab Florian Wirtz zudem die Riesenmöglichkeit zum Siegtreffer und schoss knapp links vorbei. War das also wirklich meisterlich von Bayern?

“Ihr könnt das bezeichnen, wie ihr wollt, könnte es mit Adjektiven ummanteln, dass es kracht. Da gibt es ja ganz viele”, sagte Müller in seiner ihm typischen schlagfertigen Art, als t-online ihm genau diese Frage stellte. “Ob es meisterlich war oder nicht – wir sind acht Punkte vorne. Es ist was jetzt? Februar!”, sagte Müller. “Und am Dienstag haben wir die Chance, zu Hause (im Playoff-Rückspiel in der Champions League gegen Celtic Glasgow, Anm. d. Red.) weiterzukommen. Und um den Rest kümmern wir uns nicht.”
Zum Zustandekommen dieses ungewöhnlichen Bayern-Auftritts müsse man “auch dazu sagen, dass Leverkusen wirklich gut gespielt hat”, fuhr Müller fort. “Sie haben sich das erste Mal tatsächlich auch getraut, gegen uns zu pressen. Und leider ist ihr Konzept da so ein bisschen aufgegangen.”
Mit ihrem couragierten Auftritt gegen die Rekordmeister erinnerten die Leverkusener an das, was unweit von Müller an der Wand im Stadion zu sehen ist. Dort hängt nämlich ein eingerahmtes Foto-Poster, auf dem Leverkusens Chefcoach Xabi Alonso mit der Meisterschale in der Hand zu sehen ist. Aus Bayern-Sicht sind das, keine Frage, böse Erinnerungen.
Als Tabellenführer mit dem von Müller angesprochenen verteidigten Acht-Punkte-Vorsprung ist Bayern nach der titellosen vergangenen Saison nun zumindest in der Meisterschaft weiter auf dem besten Weg, die aufmüpfigen Leverkusener wieder vom Thron zu stürzen. Mit dem sechsten sieglosen Pflichtspiel gegen Bayer bleibt für Bayern dabei aber ein kleiner Makel an der möglichen Meisterschale haften. Es bleibt dabei: Gegen Xabi Alonso, der in allen sechs bisherigen Duellen mit seinem Ex-Klub nach wie vor ungeschlagen ist, können die Münchner einfach nicht gewinnen.