Europa sucht in Frankreich Antwort auf USA und Donald Trump

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Die Erwartungen an das informelle Ukraine-Treffen der wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem britischen Premierminister Keir Starmer in Paris sind hoch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterbricht eigens den Wahlkampf, um sich auf Einladung von Präsident Emmanuel Macron mit den Regierungschefs Polens, Italiens, Spaniens, der Niederlande und Dänemarks zu beraten. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen vertritt dabei die baltischen und skandinavischen Interessen im sogenannten NB8-Format.

Im Elysée-Palast beschreibt man als Ziel, sich nach dem unabgestimmten amerikanischen Vorstoß zur Ukraine als Europäer in Stellung zu bringen. Um konkrete Hilfszusagen wie die Bereitschaft zur Truppenentsendung soll es jedoch ausdrücklich nicht gehen. Am Montagabend seien keine Beschlüsse zu erwarten, die Gespräche könnten in anderen Formaten fortgesetzt werden, so der Élysée-Palast. Im Mittelpunkt stehe „der zentrale Platz für die Europäer“, wenn es zu einem „soliden und dauerhaften“ Friedensschluss kommen sollte, wie es Gastgeber Macron in einem Telefonat mit dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman am Sonntagabend formulierte.

Washington und Moskau verhandeln in Riad

In Saudi-Arabien sollen die Friedensverhandlungen zwischen den amerikanischen und russischen Vermittlern geführt werden. Doch offensichtlich wurde auch Saudi-Arabien von der Trump-Administration nicht über den genauen Zeitplan und die Zusammensetzung der Delegationen informiert. In Paris betont man, dass Washington und Moskau nicht über die Köpfe der Europäer hinweg über die mögliche Absicherung einer Friedensvereinbarung entscheiden könnten. Man glaubt in Paris jedoch nicht mehr daran, dass Trump die Europäer an den eigentlichen Verhandlungen mit Putin beteiligen wird.

„Wer kann Sicherheitsgarantien geben? Das werden die Europäer sein“, sagte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot. „Die Europäer werden auf eine gewisse Weise an den Verhandlungen beteiligt werden müssen.“ Der amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegeseth hatte ausgeschlossen, dass amerikanische Soldaten einen Waffenstillstand absichern und zugleich betont, dass es für mögliche europäische Friedenstruppen keine NATO-Beistandsgarantie geben solle.

Was kann Europa selbst tun?

Das informelle Treffen in Paris soll aber über die Antwort auf Trumps Vorstoß hinausgehen. Man wolle herausfinden, „was die Europäer heute für sich selbst tun können“, hieß es im Elysée-Palast. Schon jetzt sei klar, dass man für die kollektive Sicherheit in Europa „mehr tun müsse“ und es „besser tun müsse“. Wird „Europa auf dem Gebiet der Verteidigung selbstständig handlungsfähig“, wie es Macron in seiner Sorbonne-Rede 2017 forderte?

Mit NATO-Generalsekretär Rutte ist sich Macron einig, dass jetzt auch der Zeitpunkt gekommen ist, Spanien und Italien zu signifikant höheren Verteidigungsausgaben zu bewegen. Die beiden Länder sind von der Zwei-Prozent-Grenze noch weit entfernt. Im Élysée-Palast ist man dabei bemüht, dem amerikanischen Vorstoß auch positive Aspekte abzugewinnen. Die Initiative sei „eine Chance“ in dem Sinne, dass sich die Anstrengungen beschleunigen und ein Kriegsende möglich sei.

Starmer: Großbritannien ist bereit, eine Führungsrolle zu übernehmen

Macron hat bereits vor Monaten begonnen, die europäischen Möglichkeiten für Sicherheitsgarantien im Falle eines Waffenstillstands auszuloten. Am weitesten sind die Überlegungen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer gediehen. Starmer kündigte am Montag vor seiner Teilnahme an dem Pariser Treffen an, Großbritannien sei in jedem Fall bereit, „eine Führungsrolle“ zu übernehmen in dem Bemühen, der Ukraine Sicherheitsgarantien nach einem Waffenstillstand zur Verfügung zu stellen. Er schrieb in einem Beitrag für die Zeitung „Daily Telegraph“, das bedeute auch, dass Großbritannien „unsere eigenen Truppen dort stationiert“, falls das notwendig sei. Starmer gab an, er „sei dazu nicht leichten Herzens bereit“. Er empfinde sehr stark die damit einhergehende Verantwortung, britische Soldaten dieser Gefahr auszusetzen.

Der britische Premierminister, der in den kommenden zwei Wochen eine Reise nach Washington plant und auf eine Begegnung mit dem amerikanischen Präsidenten Trump hofft, gab weiter an, jeder Beitrag für die Sicherheit der Ukraine helfe zugleich, „die Sicherheit unseres Kontinents und damit die Sicherheit dieses Landes zu garantieren“. Das Ende des Krieges in der Ukraine dürfe, falls es dazu komme, nicht einfach eine Pause darstellen, „bevor Putin neuerlich angreift“.

Aber auch die deutsche Haltung hat sich aus französischer Sicht positiv verändert. Nach dem Ukraine-Treffen in Paris am 26. Februar 2024 hatte Bundeskanzler Scholz Gastgeber Macron noch öffentlich abgekanzelt, weil dieser „nichts ausschließen“ wollte in der Hilfe für die Ukraine, auch nicht die Entsendung von Truppen. Jetzt sei die Haltung in Berlin wesentlich konstruktiver, so die Bewertung im Elysée. CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe die Debatte vorangebracht und die Notwendigkeit einer entschiedenen Ukraine-Hilfe ins Bewusstsein gerufen.

Im Élysée-Palast wurde die jüngste Wahlkampfdebatte genau verfolgt. Bundeskanzler Scholz betonte, dass man es auch bei amerikanisch-russischen Absprachen nicht zulassen werde, dass die Ukraine gegen ihren Willen demilitarisiert werde. Deutschland wolle eine starke Armee des Landes auch in der Zukunft unterstützen. Scholz forderte in diesem Zusammenhang eine Reform der Schuldenbremse.