In Österreich haben nach dem Terroranschlag in Villach einige Tausend Personen an einem Gedenkzug in der Kärntner Stadt teilgenommen. Unter ihnen waren Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Am Samstag hatte ein 23 Jahre alter Syrer, der in Österreich Asyl genießt, mit einem Klappmesser auf Passanten in der Villacher Innenstadt eingestochen. Ein 14 Jahre alter Jugendlicher wurde getötet, fünf weitere Personen wurden verletzt, drei von ihnen schwer, doch sind sie nicht mehr in akuter Lebensgefahr. Unter ihnen sind zwei 15 Jahre alte Jugendliche.
Der Täter wurde an Ort und Stelle festgenommen, am Mittwoch wurde über ihn Untersuchungshaft verhängt. Er soll laut Medienberichten offen seine radikalislamische Gesinnung als Motiv angegeben haben. In der Folge sind Forderungen nach Gesetzesverschärfungen und erweiterten Möglichkeiten für die Polizei lautgeworden, die Auswirkungen auf die laufenden Koalitionsgespräche zwischen Christdemokraten (ÖVP) und Sozialdemokraten (FPÖ) haben.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigte an, die Polizei für Ermittlungen im Cyberspace zu stärken. So solle verstärkt Personal für digitale Ermittlungen angeworben werden, und es solle mehr Trainingscenter für Ermittler geben. Gesetzesänderungen seien nötig, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für verdeckte Ermittlungen im digitalen Bereich zu verbessern, sodass die Ermittler mehr Sicherheit hätten, nicht selbst straffällig zu werden. Vor allem bekräftigte Karner die seit Jahren von den Sicherheitsbehörden erhobene Forderung, Messengerdienste überwachen zu können.
Koalitionsgespräche 150 Tage nach der Wahl
Freilich hätte dies nach den bisher bekannten Tatsachen nichts mit dem Villacher Fall zu tun. Von diesem angestoßen scheint hingegen eine neue Forderung des Innenministers zu sein, der Polizei es zu erleichtern, auch Privatunterkünfte zu kontrollieren. Es gehe darum, „bestimmte Zielgruppen“ zu überprüfen, die in Zusammenhang mit einer Radikalisierung aufgefallen seien. Der Innenminister nannte in diesem Zusammenhang afghanische und syrische Staatsbürger. Das sei “keine einfache Lösung und keine schnelle Lösung“, sagte Karner. Das gilt auch für die politische Umsetzung, denn dafür wäre eine Verfassungsmehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten im Nationalrat nötig.
Die Vorschläge und Forderungen dürften mithin auch Gegenstand der laufenden Gespräche sein, mit denen ÖVP und SPÖ mehr als 150 Tage nach der Wahl doch noch zu einer Koalition kommen wollen. Aus den Gesprächen dringt bislang kaum etwas nach außen. Allerdings äußerten sich nicht direkt beteiligte sozialdemokratische Politiker, etwa Landeshauptmann Kaiser, grundsätzlich aufgeschlossen für Forderungen wie der Messenger-Überwachung.
Die wird bemerkenswerterweise von der rechten FPÖ inzwischen scharf abgelehnt. FPÖ-Chef Herbert Kickl unterstellt, Karner beziehungsweise von der ÖVP angeblich beeinflusste Behörden wollten nicht Terroristen überwachen, sondern die politische Konkurrenz und ihre Anhänger. In der ÖVP-FPÖ-Regierung bis 2019, der Kickl als Innenminister angehörte, wurde noch ein Gesetz zur Messenger-Überwachung beschlossen. Es wurde später aber vom Verfassungsgerichtshof wegen einzelner Bestimmungen verworfen.
Einen Entwurf für ein Messertrageverbot gibt es schon
Von SPÖ-Politikern heißt es jetzt, wenn eine verfassungskonforme Version vorgelegt würde, könne man darüber reden. Mit dieser Einschränkung zeigten sich auch Grüne und Liberale (Neos) grundsätzlich für das Vorhaben offen.
Es gibt in Wien darüber hinaus einen ausgearbeiteten Entwurf für ein generelles Messertrageverbot. In Ortschaften soll es danach verboten werden, Messer bei sich zu tragen, es sei denn, sie würden verpackt oder in einem verschlossenen Behältnis transportiert. Die Polizei erhofft sich davon keine absolute Sicherheit, dass es nicht zu Messerstechereien kommt, aber eine bessere rechtliche Handhabe für Kontrollen an bestimmten Orten oder in bestimmten Situationen. Der bisherige Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, wollten den Entwurf aber so bislang nicht mittragen.
Der amtierende Bundeskanzler und Außenminister Schallenberg bezeichnete den Anschlag als einen „direkten Angriff auf unsere Grundwerte, unser Lebensmodell und unsere Freiheit“. Ziel sei es gewesen, die Gesellschaft mit Furcht und Schrecken zu erfüllen und zu spalten. Das dürfe und werde dem Terrorismus nicht gelingen: „Unsere Gesellschaft, unsere Gemeinschaft ist stärker.“
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) verurteilte die Tat und lud zu einem Friedensgebet am Freitag in Villach ein. In ganz Österreich sollen beim Freitagsgebet diese Woche in den Moscheen der IGGÖ „Bittgebete für die Opfer des Terroranschlags und ihre Hinterbliebenen“ gesprochen werden.
Hat sich der Täter auf TikTok radikalisiert?
Der Tatverdächtige ist laut Austria Presse Agentur 2019 nach Österreich gekommen. Er versuchte, nach Deutschland weiterzureisen, wo bereits Verwandte lebten, wurde aber zurückgeschickt. In Österreich erhielt er Asyl. Als Grund für sein Gesuch gab er an, zu befürchten, dass er in Syrien zum Militär eingezogen oder aber in eine Miliz rekrutiert würde und dann Kriegsverbrechen begehen müsste. Zuletzt soll er in Villach als Zeitungsverkäufer gearbeitet haben.
Nach Erkenntnissen der Ermittler hat er sich erst in den vergangenen Wochen sehr schnell radikalisiert. Dabei ist man auf keine persönlichen Kontakte zur islamistischen Szene gestoßen, wohl aber auf einen einschlägigen Verlauf auf der Plattform Tiktok. Dort sei er einem radikalislamischen Prediger gefolgt, der zu Gewalt aufruft. In seiner Wohnung hatte er Fahnen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ an der Wand. Zwei Mitbewohner wurden vernommen, aber als nicht beteiligt eingestuft; sie sollen berichtet haben, dass der Täter sich zuletzt stark zurückgezogen habe.
Die Tatwaffe, ein Klappmesser mit einer zehn Zentimeter langen Klinge, habe er sich erst drei Tage vor der Tat gekauft, hieß es in österreichischen Medien. Ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus wurde nach dem Wochenende eingeleitet, kann aber erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung abgeschlossen werden.