EU-Kommission setzt bei „Clean Industrial Deal“ auf Abschottung

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält unbeirrt daran fest, dass der Green Deal auch wirtschaftlich ein Erfolg für die EU werden kann. Dafür will die EU-Kommission nun den Ausbau von Technologien, die für die Energiewende wichtig sind, durch die gezielte Bevorzugung europäischer Produkte und Subventionen fördern. Das geht aus einem Entwurf für den „Clean Industrial Deal“ hervor, den die Kommission in der kommenden Woche offiziell vorlegen will. Der Entwurf liegt der F.A.Z. vor. Ähnlich wie die Vereinigten Staaten will die EU die heimische Indus­trie fördern, indem sie „Buy European­“- V­o­rgaben für grüne Technologien einführt. So will sie den Anteil in der EU hergestellter Komponenten dieser grünen Produkte auf 40 Prozent steigern.

Der Fokus des Strategiepapiers liegt zum einen auf der Unterstützung energieintensiver Industriezweige und zum anderen auf der Förderung der für die Energiewende und den Green Deal wichtigen Clean-Tech-Sektoren.

Die Kommission ruft dafür die Staaten dazu auf, bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge für den Bau von Wind- und Sonnenkraftanlagen und anderen Clean-Tech-Produkten nicht nur den Preis heranzuziehen, sondern auch zu berücksichtigen, woher die Produkte kommen und ob sie nachhaltig hergestellt wurden.

Überarbeitung der EU-Regeln für öffentliche Aufträge

Die Kommission will zudem Ende 2026 einen Vorschlag für eine Überarbeitung der EU-Regeln für öffentliche Aufträge vorlegen, die eine Bevorzugung europäischer Hersteller festschreiben soll. Damit grüner Stahl und nachhaltig hergestellte Batterien aus Europa von Industriekunden und Autoherstellern gekauft werden, will die Kommission Vorgaben zum CO2-Ausstoß von Produkten über den gesamten Lebenszyklus machen.

Helfen soll der heimischen Industrie auch die Einführung neuer freiwilliger Label, auf denen der CO2-Ausstoß in der Produktion angegeben wird. Den Anfang soll Stahl machen, dann soll Zement folgen. Neue Bürokratie soll nicht entstehen, die Basis bestehende Daten sein.

480 Milliarden Investitionen

Auf der anderen Seite will die Kommission die Vergabe von Staatshilfen und Steuernachlässen für grüne Technologien weiter erleichtern. Um die Europäer mit an Bord zu holen, will sie das Leasing auf Elektroautos und anderen grünen Produkten wie Wärmepumpen fördern. Die Staaten sollen dafür entsprechende Hilfen, auch aus dem Klimasozialfonds, bereitstellen. Die Kommission beziffert den zusätzlichen Finanzbedarf für die grüne Wende und die dafür nötigen Investitionen in Energie, Industrie und Transport auf rund 480 Milliarden Euro im Jahr. Finanzieren sollen das auch der geplante Wettbewerbsfähigkeitsfonds im nächsten EU-Haushalt 2028 bis 2034 sowie Umwidmungen aus dem bestehenden Haushalt.

Um die Energiewende zu unterstützen, will die Kommission Ende 2025 einen Vorschlag vorlegen, wie die Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Energienetze, für Speicher und für Projekte, die für die Dekarbonisierung energieintensiver Branchen wichtig sind, beschleunigt werden können. Zudem stellt sie für 2026 Vorschläge in Aussicht, wie diesen Branchen beim Export geholfen werden kann. Der CO2-Grenzausgleich CBAM schützt sie bisher nur beim Import vor der Konkurrenz aus Staaten ohne oder mit geringeren Klimavorgaben.

25 Prozent recycelte kritische Rohstoffe

Die Versorgung mit für die Energiewende wichtigen Rohstoffen will die EU-Kommission durch mehr Recycling verbessern. 25 Prozent der kritischen Rohstoffe sollen aus der Wiederverwertung kommen. Um das zu fördern, will sie im kommenden Jahr einen Vorschlag für ein Kreislaufgesetz vorlegen, das unter anderem die Ausfuhr von Abfall, der kritische Rohstoffe enthält, in Drittstaaten einschränken soll.

Sie will zudem unabhängig von Freihandelsverträgen neue Partnerschaften für sauberen Handel und Investitionen („Clean Trade and Investment Partnership“) abschließen. Die sollen flexibler und schneller ausgehandelt werden, um strategische Abhängigkeiten zu verringern und Lieferketten zu diversifizieren. Die ersten Verhandlungen darüber sollen noch in diesem Quartal beginnen, mit welchen Ländern lässt das Papier offen.

Wenig Neues enthält der Deal zu den von der Kommission als Kernproblem der Wirtschaft identifizierten hohen Energiepreisen. „Der Zugang zu bezahlbarer Energie ist ein Schlüsselpunkt des Clean Industrial Deals“, heißt es zwar plakativ. Der den Deal begleitende „Aktionsplan für bezahlbarer Energie“ beziffert die Mehrkosten für mittelgroße Industrieverbraucher für 2023 auf 97 Prozent verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2020.

Drohende Deindustrialisierung

Die Lücke zu den Hauptkonkurrenten USA, Japan und China wachse. Das erhöhe das Risiko, dass Neuinvestitionen außerhalb Europas getätigt würden und Industrieunternehmen abwanderten. Die Rezepte der Kommission dafür sind aber weitgehend schon bekannt.

Als Haupttreiber für die hohen Preise identifiziert die EU-Kommission die hohe Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Energieträger. 90 Prozent des Verbrauchs werde durch den Import gedeckt. Um die Kosten bis 2030 zu senken – um welche Summe genau ist dem Entwurf noch offen –, setzt die Kommission vor allem auf den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, der 50 Prozent beisteuern soll. Weitere 30 Prozent sollen Elektrifizierung und Energieeffizienz beitragen und 20 Prozent flexiblere Energiesysteme, etwa durch mehr Speicher und eine besser auf das Angebot abgestimmte Steuerung der Nachfrage großer Verbraucher.

Die weitere Vertiefung des Energiebinnenmarkts könne bis 2030 Einsparungen von bis zu 40 Milliarden Euro im Jahr einbringen. Dazu müsse das Netz aber stark ausgebaut werden. Dazu, wie das finanziert werden soll, steht im Papier nichts. Die Kosten für den Gaseinkauf sollen durch mehr gemeinsame Auktionen der EU sinken.

Gesetzesinitiativen plant die Kommission in diesem Zusammenhang nur im Ausnahmefall. Sie setzt vielmehr auf eine schnelle und bessere Umsetzung bestehenden EU-Rechts. Die Mitgliedstaaten fordert die Kommission auf, die Netzentgelte durch Staatshilfen zu verringern und die Stromsteuern zu senken. Zudem will sie die im Rahmen der EU-Strommarktreform in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene Förderung langfristiger Abnahmeverträge, die Erzeuger erneuerbaren Stroms mit Großkunden schließen, unterstützen.

Diese im Fachjargon „PPA“ abgekürzten Verträge sollen den Preis stabilisieren. Dazu will die Kommission gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) ein Förderprogramm auflegen, dessen Höhe indes noch nicht beziffert ist. Der Schwerpunkt soll auf kleinen und mittleren Unternehmen und energieintensiven Industrien liegen. Von einem ersten Programm sollen auch Betreiber von Elektrolyseuren für die Wasserstoffherstellung profitieren.