Bis zum Schluss stand seine Wahl auf der Kippe, die Rettung kam von Marine Le Pen. Die Rechtsausschüsse des französischen Parlaments haben am Mittwoch mit einer Mehrheit von nur einer Stimme der Ernennung des 62 Jahren alten Richard Ferrand zum Präsidenten des Verfassungsrates zugestimmt. Präsident Emmanuel Macron hatte seinen treuen Gefolgsmann zum obersten Verfassungsrichter bestimmt, war aber auf viel Kritik gestoßen. Ferrand musste sich in der Anhörung vor beiden Parlamentskammern am Mittwoch dafür rechtfertigen, dass er in einem Zeitungsinterview eine dritte Amtszeit Macrons befürwortet hatte. Das sei nicht ernst gemeint gewesen, sagte Ferrand. Die Verfassung erlaubt den französischen Präsidenten nur zwei Mandate.
Zudem wurde Ferrands juristische Kompetenz hinterfragt. „Es ist wahr, ich bin kein Jurist, aber ein Diener der Republik“, sagte er. Kritik an seiner zu großen Nähe zu Macron wies er zurück. Er bezeichnete sich als „freier Mensch“ und „unabhängiger Geist“. Zugleich sprach Ferrand sich dafür aus, bei Konflikten mit der europäischen Rechtssprechung „den Vorrang der französischen Verfassung“ zur Geltung zu bringen. Einflussreiche Rechtswissenschaftler hatten in einem Meinungsartikel vor einem Glaubwürdigkeitsverlust gewarnt, wenn das oberste Verfassungsgericht nicht mit einem anerkannten Juristen besetzt werde. Der Verfassungsrat sei jetzt schon Angriffen ausgesetzt, es würde auf der Grundlage von politischen und nicht nach juristischen Erwägungen entscheiden.
Der RN gab den Ausschlag
Den Ausschlag für die Bestätigung Ferrands gab die Anweisung der Fraktionsvorsitzenden des Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, dass sich die RN-Abgeordneten im Rechtsausschuss ihrer Stimme enthalten sollten. Le Pen hatte sich zuvor stets negativ über Ferrand geäußert und davor gewarnt, den Verfassungsrat als „Altersheim für verdiente Politiker“ zu missbrauchen. Die Mitglieder der Rechtsausschüsse von Nationalversammlung und Senat hätten mit einer Dreifünftelmehrheit die Nominierung ablehnen können. Es stand in der Macht des RN, mit 16 Abgeordneten im Rechtsausschuss die Pläne Macrons zu durchkreuzen. Die Wahl fand in geheimer Abstimmung statt.
In der Nationalversammlung stimmten 25 Abgeordnete für Ferrand und 32 dagegen. Im Senat waren 40 dafür und 26 dagegen. Die Schwelle für eine Ablehnung war durch die Enthaltung von 74 auf 59 Stimmen gesunken. Bei 58 Gegenstimmen fehlte also nur eine Stimme, um die Kandidatur zu Fall zu bringen. 2016 war die Nominierung von Laurent Fabius im Rechtsausschuss der Nationalversammlung ohne Gegenstimme und Enthaltung bestätigt worden. Der sozialistische Verfassungsratspräsident scheidet Anfang März aus seinem Amt aus.
Le Pen droht Entzug des passiven Wahlrechts
Nach der Abstimmung wurden Vorwürfe laut, Ferrand habe mit Le Pen einen Geheimpakt geschlossen. Die Fraktionschefin der Linkspartei LFI, Mathilde Panot, bezichtigte Le Pen, als Ferrands Patin aufgetreten zu sein. „Was ist ihre geheime Abmachung?“, fragte sie.
Das oberste Verfassungsgericht könnte schon bald mit der Frage befasst werden, ob ein sofortiger Entzug des passiven Wahlrechts verfassungsgemäß ist, wenn damit eine aussichtsreiche Präsidentschaftskandidatur verhindert wird. Le Pen droht die Unwählbarkeit aufgrund der mutmaßlichen Veruntreuung von EU-Geldern in Millionenhöhe. Das Urteil soll Ende März verkündet werden. Le Pens Anwälte haben bereits angekündigt, dass sie im Falle einer Verurteilung den Verfassungsrat anrufen würden.
Der Fraktionschef der Republikaner, Laurent Wauquiez, kritisierte, dass die RN-Abgeordneten sich ihrer Stimme enthalten hätten. Le Pen werde zum „Komplizen“ Ferrands, sagte Wauquiez. Die Rechtsausschussmitglieder aus der französischen Schwesterpartei von CDU/CSU stimmten gegen die Ernennung Ferrands.