Gemäß einem Bericht von neun Nichtregierungsorganisationen gab es 2024 insgesamt gut 120.000 Zurückweisungen von Schutzsuchenden an Außengrenzen der Europäischen Union. Die Daten beziehen sich auf – von Nord nach Süd – Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Kroatien, Bulgarien, Griechenland sowie Libanon und Libyen. Die beiden Nicht-EU-Mitglieder werden erfasst, weil die dortige Küstenwache für die EU handelt und von ihr unterstützt wird. In den meisten Fällen beruhen die Angaben auf amtlichen Zahlen, in anderen auf Zählungen von Organisationen.
Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen deutlich zurückgegangen. Im Bericht für 2023 waren 346.000 Pushbacks aufgeführt worden. Die Entwicklung deutet jedoch nicht auf eine Lockerung an den Grenzen hin. Vielmehr scheinen die zusätzliche physische Sicherung und das Durchgreifen von Grenzbeamten einen Abschreckungseffekt zu erzielen.
Mussten Migranten in die Türkei zurückschwimmen?
Nach Darstellung der NGOs handelt es sich um „illegale“ Maßnahmen, die „vollständig gegen internationales und europäisches Recht verstoßen“, weil Schutzgesuche nicht individuell geprüft worden seien. Sie lassen allerdings außer Acht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Zurückweisungen an Außengrenzen als zulässig erachtete, wenn große Gruppen von Menschen versuchen eine grüne Grenze zu überqueren statt an einem Kontrollposten um Asyl nachzusuchen. Allerdings hat dasselbe Gericht auch schon anders entschieden. Erst im Januar bescheinigte es Griechenland eine rechtswidrige „systematische Praxis von Pushbacks“ an der Landgrenze zur Türkei. Ungarn wurde vom Europäischen Gerichtshof sogar zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.
Die bulgarische Regierung meldete für 2024, dass 52.500 Migranten „freiwillig“ in die Türkei zurückgekehrt seien, nachdem sie von der bulgarischen Grenzpolizei aufgegriffen worden waren. 2023 sei das bei 176.000 Migranten der Fall gewesen. Damit liegt das Land an der Spitze der NGO-Statistik. Dass die Rückkehr freiwillig erfolgte, wird in dem Bericht bestritten. Die Beamten hätten Polizeihunde eingesetzt, Personen geschlagen und ihre persönliche Gegenstände wie Geld und Mobiltelefone einbehalten, bevor diese zurückgebracht worden seien. In einigen Fällen seien Menschen gezwungen worden, zurückzuschwimmen. Bisher sind in Bulgarien aber keine Klagen anhängig.
Auf Platz zwei der Statistik folgt Libyen mit 21.800 Pushbacks. Hier bezieht sich der Bericht auf Zahlen einer UN-Behörde. Für Griechenland werden 508 Zurückweisungen auf See mit insgesamt 14.500 Personen genannt. Davon seien 205 Fälle mit 5900 Personen sogenannte „Driftbacks“ gewesen, in denen Migranten in Schlauchboote gesetzt und dann ihrem Schicksal auf See überlassen worden seien. An der Landgrenze sollen 300 Personen zurückgeschickt worden sein.
Für Polen meldeten die nationalen Behörden 13.600 Zurückweisungen im Vorjahr. Nach Angaben von NGOs wurden dabei Tränengas, Polizeihunde und körperliche Gewalt eingesetzt. Migranten seien ihrer Habseligkeiten „beraubt“ und durch Flüsse zurückgeschickt worden. Die EU-Kommission hatte im Dezember dargelegt, dass solche Zurückweisungen zulässig sein können, wenn „Migranten als Waffe“ eingesetzt werden.