Im Rennen der Technologiebranche um die Entwicklung von Quantencomputern reklamiert Microsoft einen Durchbruch: Der amerikanische Softwarekonzern stellte jetzt einen neuen Chip vor, der den Weg zum kommerziellen Einsatz von Quantencomputern „innerhalb von Jahren und nicht Jahrzehnten“ ebnen soll. Dieser Fortschritt ist ihm nach eigener Darstellung gelungen, indem er einen „ganz neuen Aggregatzustand“ geschaffen hat, der weder fest, flüssig noch gasförmig ist, sondern „topologisch“. Von Quantencomputern verheißt sich die Branche einen gewaltigen Entwicklungssprung, Microsoft-Vorstandschef Satya Nadella sprach jetzt von einer Zukunft mit Quantenchips, die leistungsfähiger seien als alle heutigen Computer auf der Welt zusammen.
Bislang sind Quantencomputer aber noch eine sehr experimentelle Technologie, und die Frage, wann sie reif für kommerzielle Anwendungen sind, wird in der Branche sehr unterschiedlich beantwortet. Jensen Huang, der Vorstandschef des amerikanischen Chipgiganten Nvidia, sagte kürzlich, er rechne damit erst in zwanzig Jahren. Microsoft meint offenbar, dieses Ziel deutlich schneller erreichen zu können, auch wenn der jetzt vorgestellte Chip „Majorana 1“ noch kein marktreifes Produkt ist, sondern ein Forschungsprojekt.
Google zeigt sich ebenfalls optimistisch. Der Internetkonzern präsentierte im Dezember einen neuen Quantenchip und stellte dabei in Aussicht, schon in diesem Jahr einen Anwendungsfall aus der realen Welt präsentieren zu können. Er sagte, der neue Chip könne eine in der Branche als Standard herangezogene Computeraufgabe in weniger als fünf Minuten ausführen. Die gleiche Berechnung würde auf einem der derzeit schnellsten Supercomputer der Welt zehn Quadrillionen Jahre dauern, eine Eins mit 25 Nullen.
Ergebnis von fast zwanzig Jahren Forschungsarbeit
Weil sie so instabil sind, sind Quantencomputer besonders fehleranfällig, dies gilt als eine der größten Herausforderungen der Technologie. Microsoft sieht sein neuartiges Verfahren als einen Lösungsweg. Das Unternehmen sagt, der topologische Zustand sei lange Zeit nur in der Theorie bekannt gewesen, und erst vor wenigen Jahren habe man ihn in Festkörpern nachgewiesen. Nun habe man ihn in Laborarbeiten nicht nur nachahmen, sondern über die gezielte Steuerung von Quasiteilchen kontrollieren können. Dabei sei Indiumarsenid mit Aluminium kombiniert worden.
Jan Goetz, der Vorstandschef des auf Quantentechnik spezialisierten Unternehmens IQM, sagte der F.A.Z., er halte Microsofts Ansatz für „sehr spannend“, wies aber darauf hin, dass die Technologie noch in der Forschungsphase sei. Der Physikprofessor Jason Alicea vom California Institute of Technology meldete gegenüber der „New York Times“ Zweifel an, ob es Microsoft tatsächlich gelungen sei, ein topologisches Qubit zu erzeugen. Der Konzern sah sich vor einigen Jahren schon einmal gezwungen, eine Forschungsarbeit auf diesem Gebiet wieder zurückzuziehen.